Beratung in Sachen Sex und Partnerschaft

Von Frank Kempe · 23.12.2012
5000 Mitglieder hat der Verein pro familia heute. Er ist einer der führenden Verbände zum Thema Sexualität, Partnerschaft und Familienplanung - wofür der Verband auch angefeindet wird. Das war auch schon zur Gründung am 23. Dezember 1952 so.
"Sex - was interessiert euch denn so?"

Aufklärungsstunde in einer neunten Klasse: Ein Team von pro familia spricht mit den Schülern offen über Liebe, Sexualität und Verhütung. Wie ein Kondom aussieht, wissen die meisten. Und von der "Pille danach" haben sie auch schon gehört. Fragen gibt es trotzdem. Gerade im Zeitalter des Internets gehöre die Aufklärung von Jugendlichen über Verhütungsmethoden weiterhin zu den Schwerpunkten von pro familia, sagt die Bundesvorsitzende Daphne Hahn:

"Junge Leute haben ja heute ohnehin eine völlig andere Möglichkeit, sich zu informieren. Und um so wichtiger ist dann ein gutes und nicht-kommerzielles Angebot, was ja pro familia bietet, also ein neutrales Angebot. Es werden keine spezifischen Methoden irgendeiner Firma präferiert, sondern es wird immer geguckt, was passt, was passt zum Paar, was passt in die Zeit."

Sexualität war in der prüden Adenauer-Ära absolut tabu, gehörte - wenn überhaupt - unter die heimische Bettdecke. Einer der Gründe für sieben Ärzte und Juristen, am 23. Dezember 1952 in Kassel den Verein pro familia zu gründen: unter ihnen Anne-Marie Durand-Wever, eine Vorkämpferin für Sexualaufklärung, und der Bevölkerungswissenschaftler Hans Harmsen, der 1984 wegen seiner Eugenik-Arbeiten im Dienste der Nazis den Ehrenvorsitz abgeben musste. Die Gründer gaben ihrem Verband zunächst den Beinamen "Deutsche Gesellschaft für Ehe und Familie". Daphne Hahn über die Anfänge:

"Die Idee dieser Gründung war, Familien, Ehepaaren, Verhütung zur Verfügung zu stellen, weil damals auch noch – also Anfang der 50er-Jahre – die Himmler'sche Polizeiverordnung galt. Und diese Polizeiverordnung sagte aus, dass man weder Verhütungsmittel herstellen konnte, noch sie vertreiben durfte. Und das war der Versuch, den Zugang der Paare zu Familienplanung zu ermöglichen."

Parteipolitisch und konfessionell unabhängig verfolgte der Verein anfangs vor allem ein Ziel: bewusste Elternschaft durch sichere Verhütung – Paare sollten selbst bestimmen, wann sie Kinder bekommen und wie viele. Ein Abbruch war damals undenkbar. Die Ärztin Suse Hönes – pro-familia-Beraterin der ersten Stunde – begegnete in dieser Zeit vielen Frauen, die in ihrer Not nur einen Ausweg sahen und zu einer sogenannten "Engelmacherin" gingen.

"Die haben meistens was eingespritzt, Seifenlösungen oder so was in die Gebärmutter gespritzt. Das war natürlich ziemlich gefährlich. Das war eigentlich der Hauptgrund, warum ich zu pro familia gegangen bin, um hier besser helfen zu können."

Dass 1961 die Anti-Baby-Pille auf den Markt kam, änderte zunächst nur wenig. Denn die Pille war teuer und nicht jeder Gynäkologe verschrieb sie, schon gar nicht unverheirateten Frauen. Erst die 68er-Bewegung und die aufkeimende Frauenemanzipation brachten Veränderungen – zum Beispiel die Reform des Strafrechtsparagrafen 218, durch die Abtreibung bei bestimmten Indikationen straffrei wurde. Seitdem spielt pro familia neben kirchlichen Verbänden eine führende Rolle in der obligatorischen Konfliktberatung. Das konsequente Eintreten für die Interessen der Frauen machte den Verein von Anfang an zur Zielscheibe:

Suse Hönes, Ärztin pro familia: "Wir sind natürlich beschimpft worden. Da hat eine Gynäkologin mal angerufen und gesagt: Sie wünscht sich, dass alle abgetriebenen Kinder im jüngsten Gericht um mich herumtanzen und so Sachen."

Schwangerschaft und Abtreibung sind inzwischen nur noch zwei von vielen Themen in den 182 Beratungsstellen von pro familia oder auf der Internet-Seite "Sextra". Pränatale Diagnostik, Homo-Ehe oder unerfüllter Kinderwunsch – auch auf diese Themen muss sich pro familia einstellen. Mit der Arbeit aus der Gründungszeit habe das nicht mehr allzu viel zu tun, sagt die Bundesvorsitzende Daphne Hahn.

"pro familia ist damals eingestiegen auch mit einem Familienbild, das an Ehe gebunden war. Das ist heute natürlich überhaupt nicht mehr so. Also wir diskutieren unsere Vorstellung, was Familie ist, und fassen diesen Begriff heute viel größer. Also wir sind da sehr viel offener geworden und wir werden ja nicht umsonst von konservativen Verbänden, Institutionen, angefeindet, also für diese Offenheit auch. Also das Leben verändert sich, die Gesellschaft wird pluraler, die Lebensformen werden pluraler. Und wir stellen uns darauf ein."