Ben-Fadhel: Moscheenvereine müssen sich öffnen

Janina Ben-Fadhel im Gespräch mit Hanns Ostermann · 03.11.2010
"Moscheenvereine sollen sich der hiesigen Gesellschaft gegenüber öffnen, sowie ihre Ziele und Arbeitsstrukturen transparenter gestalten", fordert Janina Ben-Fadhel, die als Rüsselsheimer SPD-Stadtverordnete am Integrationsgipfel im Kanzleramt teilnimmt. Auf diese Weise könnten Vorwürfe wie Radikalisierung oder Islamisierung im Vorfeld ausgeräumt werden.
Hanns Ostermann: Es ist der erste Gipfel seit Thilo Sarrazin und der Diskussion um sein Buch "Deutschland schafft sich ab". Insgesamt ist es aber schon der vierte Integrationsgipfel, der heute Vormittag im Kanzleramt stattfindet. Alle sind sie dabei, die Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Sport und von Migrantenverbänden. Vorgenommen haben sie sich einen sogenannten Aktionsplan zur Integration. Janina Ben-Fadhel ist Stadtverordnete von der SPD im hessischen Rüsselsheim, sie hat tunesische Wurzeln und wird an diesem Gipfel teilnehmen. Guten Morgen, Frau Ben-Fadhel!

Janina Ben-Fadhel: Guten Morgen!

Ostermann: Sie sind das, was die Bundesregierung als gelungenes Integrationsbeispiel bezeichnen würde. Fühlen Sie sich als etwas Besonderes?

Ben-Fadhel: Nein, ich fühle mich nicht etwas ganz besonders, ganz normal, ja, weil ich bin, glaube ich, nicht die Einzige. Es gibt ja viele Leute, also die Mehrheit der Migranten partizipiert auch erfolgreich in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens.

Ostermann: Also hätte es nicht unbedingt eines Thilo Sarrazin bedurft, oder doch, um zu zeigen, dass es beim Thema Integration doch noch Handlungsbedarf gibt?

Ben-Fadhel: Nein, nein, das ist nichts Neues, was der Sarrazin gebracht hat, und diesem Thema, das haben wir schon seit langer Zeit, ja.

Ostermann: Frau Ben-Fadhel, wo sehen Sie persönlich die größten Probleme beziehungsweise Betätigungsfelder?

Ben-Fadhel: Ja, die größten Probleme also sehe ich hier am meisten in der Bildung und der Sprache. Also wir müssen uns hier kümmern um diejenigen, die in der Gesellschaft sind, ja, deutsch oder nicht deutsch, ja, um ihnen bessere Bildungschancen zu ermöglichen, und viel mehr ja zum Erfolg führen, damit wir unseren Fachkräftebedarf aber auch ja unseren Akademikerbedarf künftig, ja, decken, ja, können. Und Kinder von Zuwanderern sollen meiner Meinung nach möglichst früh einen Kindergarten, Kindertagesstätte besuchen, um dort die deutsche Sprache zu erlernen und in vielfältiger Weise auf die Anforderungen der Schule vorbereitet zu werden.

Ostermann: Also verpflichtende Sprachkenntnisse beispielsweise sind ein entscheidender Punkt, auch zum Beispiel im Kindergarten, relativ früh?

Ben-Fadhel: Auf jeden Fall, und dann die Schule kommt noch dazu. Also wichtig sind mir Frühsprachförderung und möglichst enge Kontakte der Schule zu den Elternhäusern, ja, auch mithilfe von Sozialarbeitern meine ich, ja. Die müssen auch schaffen, dass jedes Kind am ersten Schultag den Lehrer versteht.

Ostermann: Natürlich. Aber was machen Sie, wenn beispielsweise Eltern – das soll ja hin und wieder vorkommen – ihr Kind nicht in die Kita geben? Dann fehlt doch die Möglichkeit, dort Sprachkenntnisse zu vermitteln.

Ben-Fadhel: Ja, man muss ja also mit diesen Eltern in Kontakt bleiben, und ich meine ja, das gibt ja so viel, zum Beispiel von ausländischer Seite gibt es so viele Vereine, die können einen sehr großen … ein Netz … also eine Brücke spielen, unter die Behörde und diese ausländische Familien, ja, dass sie ihre Kinder, dass die Zukunft von ihren Kindern abhängig davon ist, die Sprache zu lernen und sie in den Kindergarten zu schicken.

Ostermann: Aber wenn es so viele Vereine gibt, wo hakt es denn dann, wo klemmt es?

Ben-Fadhel: Also manchmal sage ich, die Kommunikation, ja, stimmt immer noch nicht.

Ostermann: Was erwarten Sie, was fordern Sie – auch heute vielleicht – in diesem Zusammenhang von der Bundesregierung?

Ben-Fadhel: Ja, eine gute Sache. Also damit die Integration von Menschen mit Migrationshintergründen in unsere Gesellschaft ja gelingen kann, sind vielfältige Anstrengungen seitens der Politik und der zuständigen Stadtverwaltung meine ich, ja, ... zum Beispiel strukturelle Integration, der Erwerb von Rechten und Zugang von Migranten und Migrantinnen zu Positionen ist sehr wichtig.

Ostermann: Aber sind denn diese Rechte nicht längst gewährleistet?

Ben-Fadhel: Nein, noch nicht. Ja, zum Beispiel auch ja die ... wie Arbeit oder Wirtschaft, Bildung, Soziales, Gesundheit und Politik – Integration heißt (…) immer, dass Menschen in Deutschland unabhängig von ihrer Herkunft anhaben und sagen, teilhaben können.

Ostermann: Da klaffen Anspruch und Realität, wie in manchen anderen Bereichen, auseinander. Aber wo sehen Sie umgekehrt Migranten in der Pflicht?

Ben-Fadhel: Ja, die Migranten, ja, oder die zum Beispiel die Zuwanderer müssen ja, sollen den Bildungsweg ihrer Kinder positiv begleiten, und ihnen damit die Chance auf beruflichen Aufstieg sichern. Es gibt verschiedene, also eine lange Arbeit von beiden Seiten, ob es jetzt die Ausländer oder die Behörde, oder manchmal denke ich auch, die ausländischen Vereine, insbesondere die Moscheenvereine sollen sich der hiesigen Gesellschaft gegenüber öffnen, sowie ihre Ziele und Arbeitsstrukturen transparenter gestalten. Und so können wir also potenzielle Vorwürfe wie Radikalisierung oder Islamisierung im Vorfeld ausgeräumt werden.

Ostermann: Frau Ben-Fadhel, Sie nehmen nicht das erste Mal an einem solchen Gipfel teil. Werden dort aus Ihrer Sicht die richtigen Zeichen gesetzt?

Ben-Fadhel: Ja, also das ist heute mein zweites Mal, dass ich teilnehme an diesem Gipfel, und man versucht, ja, die richtigen Zeichen.

Ostermann: Das war die Stadtverordnete der SPD im hessischen Rüsselsheim, Janina Ben-Fadhel, die heute am Integrationsgipfel in Berlin teilnimmt. Frau Ben-Fadhel, ich danke Ihnen für das Gespräch heute früh!

Ben-Fadhel: Ich danke Ihnen auch!
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