Ben Bridwell von "Band of Horses"

Wie vier Töchter das Rockstar-Leben verändern

Der Indie-Rock-Musiker Ben Bridwell, Kopf der "Band of Horses"
Der Indie-Rock-Musiker Ben Bridwell © dpa / Keystone / Gian Ehrenzeller
Von Bettina Brecke · 15.06.2016
Songs schreibt er, wenn seine Töchter schlafen: Ben Bridwell ist ein Rockstar – und vierfacher Familienvater. Der Sänger der Indie-Rock-Band "Band of Horses", die gerade ein neues Album produziert hat, erzählt, wie sich sein Leben und seine Arbeit verändert haben.
Auf den ersten Blick wirkt Ben Bridwell wie ein typischer Rockstar. Er trägt einen vollen Bart, vor ihm steht ein Glas Bloody Mary und seine Haut ist übersät mit Tattoos. Doch unter diesen Oberflächlichkeiten dringt sein sympathisches Lächeln zuerst an einen heran. Bridwell ist ein offener und freundlicher Mensch, der sich auch nach einem fünfstündigen Interviewmarathon noch viel Zeit nimmt. Seine Familie ist das zentrale Thema unseres Gesprächs – immer wieder kommt er auf seine Frau und seine vier Töchter zurück. Ben Bridwells Herz ist dort, wo sich seine Familie befindet – und das ist zu Tourzeiten tausende Kilometer weit weg.

"Zu Hause bin ich nur ihr Dad"

Seit 2004 gibt es die Band of Horses bereits. Doch dass Ben Bridwell Musiker ist, vergisst er trotzdem immer wieder. Bis zur nächsten Tour.
"Und auf einmal ist das neue Album fertig und ich muss gehen! Und erst dann wird meine Familie wieder frisch daran erinnert, dass ich ja Musiker bin und durch die Welt reise. Das ist jedes Mal ein Schock. Wir reden nicht über meine Musik. Es gibt einfach keinen Raum zu reden für mich. In unserem Haus leben fünf Frauen – die immer reden! Meine Familie sieht in mir nicht den Songschreiber. Sie vergessen, dass wir eine Band sind, die weltweit touren. Das ist irgendwie verwirrend für sie. Ich bin einfach ihr Dad."
Bridwell musste im Zuge des Familienzuwachs etwas an seinem Zeitmanagement ändern. Für seine früheren Alben hat er zum Texten sein Zuhause verlassen und sich von allem abkapselt. Irgendwo in einer Hütte oder einem Strandhaus, weit weg von anderen Menschen, schrieb er dann seine Texte. Dort, wo ihn niemand hören konnte, wenn er sich lauthals über etwas aufregte. Doch dieser Arbeitsprozess wurde auch zu seinem Verhängnis, denn die freie Zeit nutzte er oft nicht effektiv zum Musik machen. Er las lieber ein Buch oder hörte Musik von anderen Bands. Heute hat er diesen Luxus des Müßiggangs nicht mehr. An "Why Are You O.k." arbeitete er nur dann, wenn die Kinder schliefen oder in der Schule waren.

Es ist immer was los

"Ich brauchte eine Veränderung! Dadurch, dass es irgendwann eine Dringlichkeit war, weil die Zeit so schnell vorbei geht, sich in jedem Moment eines meiner Kinder übergeben könnte und einfach immer was los war – dieser Zeitdruck half mir, nicht einfach nur herumzusitzen, und mich selbst in Frage zu stellen."
Band of Horses
Band of Horses auf einem Festival in Louisville, Kentucky.© imago/ZUMA Press
Auf der neuen Platte hat Bridwell versucht, sich auf seine Situation einzulassen – das Leben als Familienvater zu seinem Vorteil zu nutzen. Die Inspiration für das Album kam aus seinem Alltag, die Songideen aus privaten Erlebnissen, wie langweilige Partys oder seine Einstellung zum Sesshaftwerden. Die Idee war, sich nicht mehr allzu sehr hinter Wortspielerei oder Metaphern zu verstecken. Eine weitere Veränderung auf der neuen Platte brachte außerdem die Arbeit mit Jason Lytle von der Band Granddaddy. Obwohl dieser kaum Erfahrung als Produzent hatte, war Bridwell überzeugt, Lytle sei der richtige Mann.
"Das letzte Mal haben wir mit Glyn Johns zusammengearbeitet, das war fantastisch. Die Arbeit mit ihm war sehr organisch, wir haben unsere Songs live aufgenommen, kaum Overdubs genutzt. Dieses Mal wollte ich das aber anders machen und da gab es keine bessere Person als Jason. Er ist eine Ein-Mann-Sinfonie. Seine Band Granddaddy ist sehr cineastisch. Ich wollte genau diesen Vibe. Ich wollte ein opulentes Album! Ich wollte eine Veränderung zu unserem letzten, sehr rohen Album."

Das Album bietet keine große Überraschungen

Die Veränderung gegenüber den vergangenen Platten ist beim ersten Hören von "Why Are You O.k." nicht sofort erkennbar. Insgesamt gibt es keine großen Überraschungen auf dem neuen Album der Band of Horses: Das sind die stadiontauglichen Rocksongs, beschwingte Country-Stücke und natürlich die stillen Momente, die die wirkliche Stärke der Band sind. Wenn Ben Bridwell auf seine Arbeit in den letzten zwölf Jahren zurückblickt, dann hat sich seiner Meinung nach eben doch nicht allzu viel geändert.
"Ich glaube, dass ich noch immer nicht genügend Selbstbewusstsein einbringe. Wenn ich Texte schreibe, denke ich noch oft, dass ich keine Ahnung habe, was ich da überhaupt mache. Ich bin noch immer ein Kind, das einfach ein wenig herumspielt und wartet bis sich irgendwas ergibt. Aber verdammt, ich fühle mich noch immer wie die gleiche Person, obwohl zwölf Jahre vergangen sind. Ich habe noch immer nicht genug gelernt."
Diese Unsicherheit und die Selbst-Zweifel, die der Rockstar und Familienvater heute noch immer besitzt, hört man "Why Are You Ok" nicht an. Das Album kommt ohne große Soundexperimente aus. Die Band spielt ehrliche und klassische Gitarrenmusik. Das zeugt von einem Selbstbewusstsein, das man nach zwölf Jahren Band-Geschichte besitzen darf und strahlt Zufriedenheit aus, über das, was man zusammen geschaffen und womit man jahrelang Fans glücklich gemacht hat.
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