Bekennende Kirche

"Wir verwerfen die falsche Lehre"

Martin Niemöller
Der evangelische Theologe und Pastor Martin Niemöller 1946 © dpa / picture alliance
Von Matthias Bertsch · 31.05.2014
Als "Deutsche Christen" sammelten sich nationalsozialistische Kirchenmitglieder, die in Hitler eine Art Messias sahen. Mutige Protestanten wie der Pfarrer Martin Niemöller stellten sich ihnen 1934 entgegen – mit der "Barmer Theologischen Erklärung".
"Der erste Satz, in dem im Grunde schon alles enthalten ist, was dieses Bekenntnis ausmacht, lautete: Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben."
Der protestantische Pfarrer Martin Niemöller war einer von über 130 Vertretern lutherischer, reformierter und unierter Kirchen, die sich vom 29. bis 31. Mai 1934 in Wuppertal-Barmen zur ersten Bekenntnissynode der evangelischen Kirche in Deutschland versammelten. Am letzten Tag ihres Treffens verabschiedeten sie die "Barmer Theologische Erklärung", die aus sechs Thesen bestand. Der Aufbau der Thesen war immer der gleiche: Zunächst ein Bibelwort, dann ein Bekenntnissatz und schließlich ein Verwerfungssatz – und genau diese Verwerfungssätze machten deutlich, worum es im Kern ging:
"Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen."
Mit der falschen Lehre waren jene "Deutschen Christen" gemeint, die die völkisch-rassische Ideologie des Nationalsozialismus in die evangelische Kirche einführen wollten. Entworfen hatte die Barmer Erklärung der Schweizer Theologe Karl Barth:
"Ich halte dafür, dass das Ende der evangelische Kirche gekommen wäre, wenn diese Lehre, wie es der Wille der Deutschen Christen ist, in ihr zur Allgemeinherrschaft kommen würde. Ich halte dafür, dass die evangelische Kirche lieber zu einem kleinsten Häuflein werden und in die Katakomben gehen sollte, als dass sie mit dieser Lehre auch nur von Ferne Frieden schlösse."
Unterstützt durch die Nationalsozialisten hatten die Deutschen Christen im Juni 1933 die reichsweiten Kirchenwahlen mit einer Zweidrittelmehrheit gewonnen. In vielen Landeskirchen und Gremien besetzten sie die Führungspositionen und begannen, Religion und Politik gleichzuschalten. Im November hetzten sie auf einer Kundgebung im Berliner Sportpalast gegen das aus ihrer Sicht "verjudete" Alte Testament, und im März 1934 erklärte der evangelische Pfarrer Hermann Grüner Hitler zum Nachfolger Jesu:
"In Hitler ist die Zeit erfüllt für das Deutsche Volk, denn durch Hitler ist Christus, Gott, der Helfer und Erlöser, unter uns mächtig geworden. Darum ist der Nationalsozialismus positives Christentum der Tat. Hitler ist jetzt der Weg des Geistes und Willens Gottes zur Christuskirche deutscher Nation."
Versuch, die Autonomie der Kirche zu wahren
Das ging vielen evangelischen Christen zu weit. In den Landeskirchen bildeten sich Gemeinschaften, die sich gegen die Vereinnahmung durch die Reichskirche wehrten und in Barmen jenes Bekenntnis veröffentlichten, das zum Gründungsdokument der Bekennenden Kirche wurde. Doch die Barmer Synode war weniger eine Kampfansage an den Nationalsozialismus – Karl Koch etwa, der westfälische Präses, hatte die Tagung mit einer Ergebenheitsadresse an Hitler eröffnet – als vielmehr der Versuch, die Autonomie der Kirche zu wahren. Die zweite Bekenntnissynode im Oktober 1934 proklamierte ein "kirchliches Notrecht" für Pfarrer, die der Reichskirche den Gehorsam verweigerten. Aber der Widerstand blieb weitgehend unpolitisch: Die zunehmende Diskriminierung der Juden wurde kaum kritisiert, so der Berliner Pfarrer, Christian Müller.
"Auch innerhalb der Bekennenden Kirche gab es eine Entwicklung, dass man am Anfang viele antijüdische Exzesse, angefangen vom 1. April 1933, immer gesagt hat: Ja, das sind Extreme, das sind Ausnahmen, die zur Zeit eben geschehen, aber wenn das der Führer wüsste, der wäre nicht damit einverstanden, und ich hab den Eindruck, man passt sich immer stärker diesen Gesetzen an, man ist doch recht gesetzeshörig."
Im Frühjahr 1936 spaltete sich die Bekennende Kirche. Während der moderate Flügel Kompromisse mit dem NS-Regime suchte, um kirchliche Freiheiten zu bewahren, prangerte der radikale Flügel dessen Politik öffentlich an und sah sich wachsender Verfolgung ausgesetzt. Ein Konflikt, der bereits in der Barmer Theologischen Erklärung angelegt war. Karl Barth:
"Wenn die Kirche ein Bekenntnis ausspricht, dann kann das nicht nur innerkirchliche Bedeutung haben, dann redet sie in der Welt und zu ihren Problemen, ob sie sie nun beim Namen nennt oder nicht. Der Nationalsozialismus ist in Barmen nicht beim Namen genannt worden, aber faktisch ist etwas zum Nationalsozialismus gesagt worden und ist auch das Entsprechende gehört worden."
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