Beim Walzer mit dem Herzen dabei

Von Stefan Frey · 17.04.2012
In Rye, einem kleinen Städtchen bei New York, feiert sie heute ihren 100. Geburtstag: Marta Eggerth, die letzte lebende Diva der Operette und des frühen Tonfilms. Vor 82 Jahren begann ihre Karriere in Wien und Berlin, ehe sie, aus Nazideutschland vertrieben, mit ihrem Ehemann Jan Kiepura auch am Broadway Erfolg hatte. Am 17. April 1912 wurde sie geboren.
"Mein ganzes Leben war ein Walzer. Ich muss Ihnen sagen: Walzer kam zu mir natürlich, ich musste mich nicht anstrengen, es war in meinem Blut. Ich bin damit geboren."

Dass dem so war, bewies Marta Eggerth nicht nur als Star zahlloser Operetten- und Musikfilme, sondern schon als Zwölfjährige bei ihrem Bühnendebüt in Budapest. Hier war sie am 17. April 1912 geboren worden, als Tochter eines deutschen Bankiers und einer jüdischen Opernsängerin, die schon früh für eine fundierte Gesangsausbildung gesorgt hatte. Im Alter von 18 Jahren gelang ihr als Emmerich Kálmáns "Veilchen von Montmartre" in Wien der Durchbruch. Sie erhielt ihr erstes Filmengagement und wirkte bis 1937 an der Seite damaliger Ufa-Helden wie Hans Albers und Johannes Heesters in über 20 Operettenfilmen mit. Das Genre stand in höchster Blüte und Altmeister wie Franz Lehár oder Emmerich Kálmán komponierten für sie.

Blond, jung und bildschön war Marta Eggerth eine der großen Tonfilmdiven der 1930er-Jahre, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Sie stand in Paris und Wien vor der Kamera, in London und Berlin, wo sie 1934 bei den Dreharbeiten für den Film "Mein Herz ruft nach Dir!" den gefeierten polnischen Operntenor Jan Kiepura kennenlernte. Sie heirateten am 31. Oktober 1936. Ein Wendepunkt ihrer Biografie.

Kurz danach hatte "Das kleine Hofkonzert" Premiere, ihr letzter in Deutschland produzierter Film. Wegen ihrer jüdischen Herkunft erhielt Marta Eggerth fortan keine Dreherlaubnis mehr. Während Jan Kiepura an der Met Triumphe feierte, bewährte sich Marta Eggerth am Broadway und in Hollywood - als europäische Rivalin von Judy Garland.

Als sich Jan Kiepura 1943 von der Oper zurückzog, löste auch seine Frau ihren Hollywoodvertrag, um fortan mit ihm zusammen den Broadway zu erobern - und zwar mitten im Zweiten Weltkrieg ausgerechnet mit Hitlers Lieblingsoperette. Franz Lehárs "Lustiger Witwe. The Merry Widow" erzielte in New York eine Aufführungsserie von über einem Jahr, an die sich eine doppelt so lange USA-Tournee anschloss. Fortan trat das neue Operettentraumpaar Eggerth-Kiepura nur noch gemeinsam auf. Noch einmal verbreiteten sie im zerstörten Nachkriegseuropa als letzte Vertreter einer untergegangenen Welt früheren Operettenglanz. Als Jan Kiepura am 15. August 1966 starb, zog sich Marta Eggerth von der Bühne zurück und feierte erst mit beinahe 70 Jahren ihr umjubeltes Comeback als Sängerin. Vor allem aber gab sie in zahlreichen Meisterkursen ihr Wissen an die nächste Generation weiter. Wie man einen Walzer singt, das weiß schließlich niemand besser als sie.

"Man muss nicht nur singen, man muss nicht mit dem Herzen nur dabei sein. Man muss mit dem ganzen Körper dabei sein. Das Eins-Zwei-Drei, das muss von jeder Stelle Ihres Körpers mitmachen. Aber nicht nur beim Walzer. In meinem Leben war es so: Alles habe ich mit meinem ganzen Herzen, ganzen Können und meinem ganzen Temperament hingegeben."