Bei Abo-Fallen im Internet "liegt sehr viel im Argen"

Karin Thomas-Martin im Gespräch mit Klaus Pokatzky · 15.08.2011
Online-Abzocke passiert leicht: Der User erwischt irrtümlich einen Punkt auf dem Display, den der Anbieter als Zustimmung zu einem teuren Abo wertet. Verbraucher hätten aber gute Chancen, diesen angeblichen Vertragsschluss zu bestreiten, sagt die Expertin Karin Thomas-Martin.
Klaus Pokatzky: Sie heißen Pink Adventure AG und bringen die mobile Erotik zum Endkunden, oder Wildfone und schicken Logos und Klingeltöne, Spiele und Videos auf das Handy. Dass wir da angeblich Abos haben, kriegen wir vielleicht erst nach Monaten mit, und da ist dann schon reichlich Geld von unserem Telefonanbieter von unserem Konto abgebucht worden.

Karin Thomas-Martin ist Telekommunikationsexpertin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, sie begrüße ich nun im Studio in Ulm. Guten Tag, Frau Thomas-Martin!

Karin Thomas-Martin: Grüß Gott nach Berlin!

Pokatzky: Sagen Sie mal, wie verbreitet sind denn solche Abo-Fallen? Passiert das oft, dass, wie das unserer Kollegin Christiane Habermalz geschehen ist, dass sie da gleich von zwei sogenannten Content-Anbietern gleichzeitig geschröpft wird?

Thomas-Martin: Ja, das ist leider ein sehr häufiger Fall, und noch häufiger ist der Fall dann aufgetreten, als die Leute sich Smartphones angeschafft haben, also wo man per Fingertipp so versucht auf dem Display was wegzuklicken, was anzuklicken, was zu öffnen, und da kann es sehr leicht passieren, dass man da nach dem Willen der Anbieter ein Abo beauftragt.

Pokatzky: Und das kann einfach nur so durch einen Fingerklick passieren?

Thomas-Martin: Also, die Netzbetreiber wie die Telekom, Vodafone und so weiter sagen eigentlich, ein Ein-Klick-Abo dürfte es nicht mehr geben, man müsste schon zweimal mindestens oder dreimal geklickt haben. Aber oft ist es ja so, dass auf dem Display da Fenster aufgehen und der Nutzer will eigentlich dieses Fenster gar nicht und versucht, das irgendwie wegzubekommen. Und bei diesem Versuch kann es dann eben sehr leicht sein, dass man eben auf den Punkt am Display kommt, wo der Anbieter dann sagt, das sei eine Zustimmung.

Pokatzky: Und dann gibt es eine angebliche Bestätigung durch den Kunden oder im Fall meiner Kollegin eben durch die Kundin per SMS. Und da kann sich einfach mal der Kunde überhaupt nicht mehr dran erinnern?

Thomas-Martin: Ja also, da, denke ich, liegt sehr viel im Argen. Oder wenn diese SMS-Bestätigungen so wären, dass der Kunde sich was drunter vorstellen kann, dann könnte man darüber reden, dass da was veranlasst worden sei, aber der Text dieser Bestätigungs-SMS ist ganz oft so, dass der Kunde eigentlich gar nicht weiß, was da Inhalt ist. Und es gibt einen positiven Netzbetreiber, der schreibt dann ganz klar in die SMS: Von Ihrem Mobilfunkkonto wurden soeben 4,90 Euro abgebucht. Ich denke, das versteht jeder.

Pokatzky: Ja, dann sagen Sie uns bitte noch den Namen dieses Betreibers?

Thomas-Martin: Ja, kann man sagen: Bei E-Plus gibt es eben diese Information des Netzbetreibers, wenn ein Drittanbieter vom Mobilfunkkonto was abbucht, wo auch immer das angefangen hat, kriegt der Kunde immer eine SMS.

Pokatzky: Ja, und die anderen lassen uns dann sozusagen im Regen stehen? Also, was würde jetzt zum Beispiel passieren, wenn ich sage, nein, ich habe jetzt diesen Dauerauftrag an meinen Anbieter und ich ziehe das Geld, was der mir zusätzlich jetzt unter diesem berühmten Posten, andere Leistungen, abgebucht hat, wieder zurück? Welche Konsequenzen hat das?

Thomas-Martin: Ja, also, wir müssen uns das von zwei Ebenen her anschauen. Einmal, wie es eigentlich rechtlich aussieht, und das, was faktisch passiert. Rechtlich sieht es eigentlich so aus, dass dieser Vertrag, der da angeblich geschlossen sein sollte, dass das ein sogenannter Fernabsatzvertrag ist, und da verlangt das Gesetz ganz klar eine schriftliche Vertragsbestätigung und eine Widerrufsbelehrung in Textform. Das heißt, das müsste irgendwie beim Mobilfunkkunden eingehen.

Pokatzky: Entschuldigung! Schriftlich, heißt schriftlich auch elektronisch schriftlich oder in Papierform, wie man früher Verträge kannte?

Thomas-Martin: Nein, Textform heißt in speicherbarer Form. Das heißt, es würde theoretisch, denke ich, per E-Mail oder per SMS auch gehen. Der nächste Punkt, wenn Sie das zurückbuchen, dann wird der Mobilfunkbetreiber zwar einerseits sagen, das geht uns nichts an, wie das Frau Habermalz passiert ist, wende dich doch bitte an den Drittanbieter, wir haben da keinen Einfluss drauf. Aber gleichzeitig sagt der Mobilfunkanbieter, ich will aber das Geld komplett von dir haben. Und da finden wir eigentlich, dass das rechtlich so eigentlich nicht geht, weil, wenn jemand etwas als eigene Forderung betreibt, dann muss er sich auch die Einwendungen zurechnen lassen.

Pokatzky: Aber Frau Thomas-Martin, was heißt, es geht meinen Mobilfunkanbieter nichts an – wenn er das doch von meinem Konto abbucht?!

Thomas-Martin: Ja, genau, das ist das, was die Menschen und Mobilfunknutzer einfach nicht verstehen. Die Mobilfunkbetreiber sagen im Regelfall, wende dich an den Drittanbieter. Und dann, denke ich, muss man von dem Drittanbieter fordern, bestreiten, dass ein Vertrag abgeschlossen worden ist. Und die Erläuterung, die in dem Beispiel gegeben worden ist, die ist also viel zu wenig ausreichend. Und der Anbieter muss das wirklich nachweisen, dass das einmal die Erläuterung auf dem Display stand und dass der Kunde davon Kenntnis genommen hat. Und das ist regelmäßig, wenn per Smart Phone was beauftragt ist, eigentlich nicht der Fall. Man kann an der Seite irgendwo runterscrollen und da steht dann was, aber wer scrollt in seinem Bildschirm am Smart Phone runter, wenn er eigentlich gar kein Abo beauftragen will?

Pokatzky: Jetzt muss ich mal ganz blödsinnig fragen: Warum wird so was nicht verboten?

Thomas-Martin: Das ist eine gute Frage. Das Problem ist einfach, dass Sie diesen ganzen Prozess nicht einfach nachvollziehen können. Also, Sie können jetzt nicht sagen, ich rufe jetzt die Seite auf und dann gucke ich mir das an, wie sieht das rechtlich aus. Also, das Beweisproblem ist jetzt zum Beispiel für uns als Verbraucherzentrale auch schwierig, dem Gesetzgeber … Also, wir versuchen das natürlich im Rahmen der TKG-Änderung mit einzubringen, aber dort sind …

Pokatzky: … TKG, was ist das? …

Thomas-Martin: … Entschuldigung, des Telekommunikationsgesetzes. Aber das sind natürlich die Anbieter, die sagen, das hat alles seine Ordnung, wir machen das alles ganz ordnungsgemäß.

Pokatzky: Im Januar hat es Meldungen gegeben, dass die Mobilfunkanbieter jetzt ein Kontrollsystem für solche Anbieter einrichten wollen. Also, es soll eine Online-Plattform eingerichtet werden, auf die dann alle Anbieter ihre Angebote, Abo-Laufzeiten, Kündigungsfristen angeben müssen und so weiter und so fort. Und dann soll da dann auch ein richtig korrekter Bezahlvorgang eingeführt werden. Was ist denn aus diesen Plänen geworden?

Thomas-Martin: Bis jetzt noch nichts. Ich habe auch noch mal bei Anbietern nachgefragt im Zuge der Recherche jetzt für diese Sendung, und da wurde mir die Auskunft gegeben, dass im Laufe dieses Jahres einheitliche Regeln kommen sollen. Aber ich glaube es erst, wenn es so weit ist.

Pokatzky: Hat denn die Verbraucherzentrale da schon mal einen Musterprozess geführt?

Thomas-Martin: Wissen Sie, da geht es um wenige Beträge und es geht auch um den Nachweis, und dann haben wir immer wieder das Problem, dass der Kunde… auf der Mobilfunkrechnung steht, du musst den Forderungen innerhalb von acht Wochen widersprechen, sonst gelten sie als anerkannt. Und das ist in vielen Fällen einfach nicht der Fall. Was wir machen: Wir unterstützen die Verbraucher, wenn es um mehr als, sagen wir mal, 20 Euro geht, und die Verbraucher da auch da was investieren wollen. Ich denke, der Verbraucher hat meiner Ansicht nach gute Chancen, wenn der Anbieter nicht nachweisen kann, dass es hier zum ordnungsgemäßen Vertragsschluss gekommen ist, auch sein Geld zurückzubekommen. Aber es ist nicht einfach.

Pokatzky: Aber viele werden wahrscheinlich auch sagen, also das kann ich jetzt alles gar nicht nachvollziehen, dokumentieren und so weiter, und mein Gott, dann habe ich jetzt eben ein paar Monate 25 Euro bezahlt, die schreibe ich dann ab. Wie viel Geld verdienen denn die Anbieter damit? Das muss ja in die Millionen, in die Hunderte von Millionen wahrscheinlich gehen?

Thomas-Martin: Also, wir haben noch keine statistische Schätzung, da müssten Sie die Mobilfunkbetreiber fragen.

Pokatzky: Die werden das wahrscheinlich eher nicht sagen.

Thomas-Martin: Ja, genau.

Pokatzky: Aber jetzt noch mal eine ganz wichtige Sache: Warum ist das so gefährlich, wenn Eltern ihren Kindern jetzt einfach mal so ein iPhone in die Hand geben und die spielen dann so ein paar Minuten so ein nettes Spielchen wie "Kater Tom"? Was kann da passieren?

Thomas-Martin: Ja, da kann … Also, im Regelfall verbergen sich diese Abo-Fallen eben in kostenlosen Spielen, die man runterladen kann als App. Also, weil jeder will ja irgendwo Geld verdienen, und gerade kostenlose Spiele, kostenlose Apps, da sollte man besonders vorsichtig sein. Und wenn man schon einem Kind so ein hoch technisches Gerät in die Hand gibt, dann sollte man von vornherein es so regeln, dass die Drittanbieter gesperrt sind. Das geht im Übrigen nicht bei allen Mobilfunkbetreibern.

Pokatzky: Aber bei wem geht es jetzt? Also, da kann ich einfach dann anrufen und sagen, ich will, dass so was für alle Zeiten gesperrt wird?

Thomas-Martin: Ja, ich kann die sogenannte Drittanbietersperre einrichten.

Pokatzky: Ja, und bei wem geht das?

Thomas-Martin: Das geht bei T-Mobile, bei Vodafone – also, nur bei den Netzbetreibern –, bei einigen Providern wie debitel zum Beispiel geht es nicht.

Pokatzky: Okay, das war jetzt hier wirklich mal der Verbrauchertipp. Ich sage ganz herzlichen Dank an Karin Thomas-Martin, Kommunikationsexpertin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die uns aufgeklärt hat und uns Tipps gegeben hat, wie wir dagegen vorgehen können gegen die Handy-Abzocke im Abonnement. Danke und tschüss!

Thomas-Martin: Wiederschaun!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema