Begleitetes Sterben

"Absoluter Ausnahmezustand"

"Es ist ja nicht nur ein Sterbebett", sagt der Künstler Markus Schäfer, "man verabschiedet sich, nimmt sich ein letztes Mal in den Arm".
"Es ist ja nicht nur ein Sterbebett", sagt der Künstler Markus Schäfer, "man verabschiedet sich, nimmt sich ein letztes Mal in den Arm". © dpa / picture alliance / Sami Belloumi
Markus Schäfer im Gespräch mit Vladimir Balzer und Axel Rahmlow · 17.06.2015
Die Theatergruppe "Markus & Markus" hat eine Frau beim assistierten Freitod begleitet. Zuvor verbrachten sie 30 Tage mit ihr. Sterbehilfe gehöre zu den Themen, die immer komplizierter würden, je tiefer man hineinschaue, sagt der beteiligte Künstler Markus Schäfer.
Der erste Teil des Gesprächs im Wortlaut:
Axel Rahmlow: Stefan Keim also über "Ibsen: Gespenster" und dieses Stück über eine ältere Dame, die beim selbstbestimmten Sterben begleitet wird. Und wir wollen darüber sprechen mit einem Teil des Künstlerduos Markus & Markus, nämlich mit Markus Schäfer, schönen guten Tag.
Markus Schäfer: Guten Tag!
Axel Rahmlow: Herr Schäfer, wir haben gerade gehört, die Kamera war bis zum Schluss dabei. Waren Sie auch bis zum Schluss dabei?
Markus Schäfer: Ja, tatsächlich. Das war auch der große Wunsch unserer Protagonistin, dass wir diesen Weg tatsächlich auch zusammen bis zum Ende gehen, und wir waren alle – wir sind insgesamt fünf in der Theatergruppe, noch drei andere neben Markus & Markus – bis zuletzt dabei, genau.
Axel Rahmlow: Wie haben Sie sich gefühlt dabei?
Markus Schäfer: Das ist ein absoluter Ausnahmezustand. Es gibt in dem Abschiedsbrief von unserer Protagonistin, Margot heißt sie, ein Gedicht, da kommt der Satz vor: "Den eigenen Tod, den stirbt man nur, doch mit dem Tod der Andern muss man leben." Dieses Dabei-Sein und Zurückbleiben, ja auch dieses Wissen, dass das jetzt kommt... Es ist ja nicht nur ein Sterbebett, sondern zu sagen, man geht jetzt hin und verabschiedet sich, nimmt sich ein letztes Mal in den Arm oder so und dann geht es einfach zu Ende, das ist schon eine sehr spezielle Situation, auf die man sich, glaube ich, kaum vorbereiten kann. Und ja, dann heißt es durchhalten.
Vladimir Balzer: Hat es denn Margot persönlich geholfen, dass Sie Ibsen herangezogen haben, dass Sie ein Ballett herangezogen haben, dass Sie ein Filmprojekt daraus gemacht haben?
Markus Schäfer: Ich glaube, für Margot war es einfach, dass junge Menschen da waren, die sich noch mal mit ihrem Leben auseinandergesetzt haben, dass sie in ihrer letzten Lebensphase noch mal auf das Leben zurückblicken konnte und eigentlich so auch ihr Abschiednehmen mit einbezogen wurde, und wir noch mal mit ihr an Orte gegangen sind, die ihr wichtig waren, das war für sie auch ein wichtiger Bestandteil. Eine Freundin von ihr hat gesagt, sie wüsste gar nicht, wie das gewesen wär, wenn wir vom Theaterprojekt nicht da gewesen wären. Und Margot selber hat mal gesagt, eigentlich würde sie jedem, der auf diese Weise sterben möchte, wünschen, wir würden davor noch mal vorbeikommen und das Leben Revue passieren lassen.
Vladimir Balzer: Das heißt, Sie waren Sterbebegleiter, nicht nur Künstler?
Markus Schäfer: Das ist ... was wir gemacht haben, ist eine sehr intensive Art von Sterbebegleitung gewesen, ja, tatsächlich.
Vladimir Balzer: Ganz schön große Verantwortung, oder?
Markus Schäfer: Eine sehr große Verantwortung, in der Tat. Ja.
Axel Rahmlow: Hat sich denn Ihre eigene Haltung zur Sterbehilfe durch dieses Projekt und durch dieses Aufeinandertreffen mit Margot verändert?
Markus Schäfer: Ich glaube, es gehört zu den Themen, die immer komplizierter werden, je tiefer man reinguckt.
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