Begegnungen mit Juan Allende-Blin

Im Land der Restauration

Der Komponist Juan Allende-Blin 1952 in Detmold
Der Komponist Juan Allende-Blin 1952 in Detmold © privat
02.03.2016
Juan Allende-Blin, geboren 1928 in Santiago de Chile und seit 1951 in Deutschland lebend, ist nicht nur ein wichtiger Komponist der Nachkriegs-Avantgarde, sondern auch Musikpublizist, Forscher, (Wieder-)Entdecker, Kurator von Konzerten. In sechs Folgen der Reihe „Begegnungen“ erzählt Juan Allende-Blin über sein Leben in Chile und Deutschland, über seine Werke und seine musikalische Ästhetik, aber auch über sein Wirken als Kurator und Forscher.
Als Komponist steht Juan Allende-Blin in der Tradition der Wiener Schule um Arnold Schönberg, realisiert darüber hinaus aber auch Hörspiele und Klangkunst. 1983 erhielt er dafür den renommierten Karl-Sczuka-Preis. Er vervollständigte Claude Debussys Opernfragment "La chûte de la maison d’Usher", aber schrieb auch Chansons in der Tradition des großen Berliner Cabarets der 1920er-Jahre. Lebenslang setzte er sich für die von den Nazis oder dem Stalinismus verfemten Komponisten ein. So geht die Wiederentdeckung des russischen Futurismus maßgeblich auf seine Initiative zurück.
Mit 23 Jahren verlässt Juan Allende-Blin sein Heimatland und geht nach Deutschland. Er glaubt, in ein Land zu kommen, das die Schrecken der Nazi-Zeit überwunden hat und in der jene Künstler geschätzt werden, die er als Emigranten in Santiago de Chile kennengelernt hat. Groß ist deshalb der Schock über die restaurative Atmosphäre im Nachkriegs-Deutschland. Den negativen Erfahrungen beim extrem konservativ gesinnten Barsbütteler Arbeitskreis für neue Komposition stand die Inspiration durch die Darmstädter Ferienkurse für neue Musik gegenüber, wo er den Aufbruch zu einem radikal avantgardistischen Komponieren hautnah miterlebt.
In Detmold, wo er bei Günter Bialas studiert, lernt Allende-Blin den Organisten und Komponisten Gerd Zacher kennen. Sie gehen eine private und künstlerische Beziehung ein, die 62 Jahre lang halten wird und bedeutende Werke hervorbringt. In Hamburg, der neuen Heimatstadt, erlebt Allende-Blin die Uraufführung von Arnold Schönbergs Oper "Moses und Aron", beim NDR beginnt seine jahrzehntelange Arbeit für den Rundfunk. 1971 wechseln Allende-Blin und Zacher nach Essen. Das letzte große Werk in Hamburg ist "Das blaue Klavier" für Orgel, Klavier und Maultrommel.
Begegnungen mit dem Komponisten Juan Allende-Blin (2/6)
Als Komponist in Deutschland 1951 bis 1971
Frank Schneider und Rainer Pöllmann im Gespräch mit Juan Allende-Blin
(Teil 3 am 9. März 2016)
Juan Allende-Blin
"Transformations II" für Orgel (1952)
Gerd Zacher, Orgel
Gerd Zacher
"Prière pou aller au paradis avec les ànes" (1951)
Kantate für Bariton, acht Holzbläser und Klavier (Ausschnitt)
Daniel Böhm, Bariton
Ensemble Adhoc
Leitung: Klaus Linder
Juan Allende-Blin
"Sequence"
John Cage
"Variation I" für (1958/1966)
Realisation durch Gerd Zacher
Gerd Zacher, Orgel
Juan Allende-Blin
"Mein blaues Klavier" für Orgel, Drehorgel, und Maultrommel (1970)
(Aufnahme: Pauluskirche Stuttgart 1972)