Begegnung mit Catherine Deneuve

"Mein Herz ist tapfer"

Die französische Schauspielerin Catherine Deneuve bei den 67. Internationalen Filmfestspielen in Berlin
Seit 60 Jahren ist Catherine Deneuve auf der Leinwand zu sehen. © dpa / picture alliance / Britta Pedersen
Von Katja Nicodemus · 15.02.2017
Sie ist eine Ikone des europäischen Kinos. Auf der Berlinale ist Catherine Deneuve in ihrem neuen Film "Sage Femme" zu sehen - im Wettbewerb, außer Konkurrenz. Unsere Autorin porträtiert die 73-jährige Schauspielerin, die überraschende Leidenschaften hat.
Seit 60 Jahren ist Catherine Deneuve auf der Leinwand zu sehen. Und nun fallen in ihrem neuen Film "Sage Femme" gleich mehrere ihrer Leinwandpersönlichkeiten zusammen: Deneuve spielt Béatrice Sobolewski, eine Grande Dame und große Verführerin. Eine unkonventionelle Frau, die in illegalen Casinos dem Glücksspiel frönt.
Eine Kettenraucherin, die gerne Steaks und Koteletts isst und Rotwein trinkt. Durchs Leben geht sie mit einer Mischung aus Selbstironie und natürlicher Klasse. "Was hat diese Frau mit Deneuve selbst zu tun?", wurde die Schauspielerin auf der Pressekonferenz in Berlin gefragt.
Deneuve: "Ich fühle mich nicht wie sie, aber ich verstehe, warum sie wann, was macht. Ja, ich verstehe ihre Motivationen. Diese Frau lebt ja in den Tag hinein, sie lässt sich treiben, sie ist spontan. Und sie ist nicht besonders vernünftig, jedenfalls nicht im klassischen Sinne. Ich spiele diese Rolle sehr gerne, obwohl ich in mancher Hinsicht ganz anders bin."
In Martin Provosts Film taucht Deneuves Figur nach 30 Jahren ohne Ankündigung bei ihrer Stieftochter Claire auf. Sie hat einen Gehirntumor, sucht Unterstützung und Anlehnung. Doch Claire ist immer noch verletzt durch Beatrices plötzliches Verschwinden.
Damals, vor 30 Jahren, verlor sie eine Freundin und einen Mutterersatz. Inzwischen hat die zurückhaltende Claire den verantwortungsvollen Beruf der Hebamme, während die ältere Beatrice immer noch eine Abenteurerin ist. Langsam nähern sich die beiden so unterschiedlichen Frauen wieder an.
Deneuve: "Es ist kein Mutter-Tochter-Verhältnis. Es ist die Beziehung zwischen zwei Frauen. Zwei Frauen, die einmal sehr vertraut waren, und nun müssen sie erst ein wechselseitiges Misstrauen überwinden. Aber meine Figur der Béatrice ist eine entwaffnende Frau - und am Ende, würde ich sagen, mögen sich die beiden wieder."
Man merkt Catherine Deneuve die Freude an, mit der sie die kapriziöse, lebenslustige Beatrice spielt. Die Lust an den kleinen Entgleisungen, den witzigen Sprüchen. Ist diese Figur für Catherine Deneuve möglicherweise eine weitere Rolle, in der sie gegen ihr Image anspielen kann? Gegen die Festlegung auf die unnahbare Schönheit, auf das ewige Yes-Saint-Laurent-Model?
"Man versucht immer, mich als eine Frau zu sehen, die Teil der bourgeoisen Ordnung ist! Aber dieses bürgerliche Bild ist nicht die Wirklichkeit. Nicht meine Wirklichkeit. Manchmal kommt es mir so vor, als ob man im Leben immerzu auf eine Koppel geführt wird. Auf Koppeln mit Zäunen."

"Eine permanente Selbstbefragung"

Bekannt wird Catherine 1964, als 20-Jährige in Jacques Demys Musical "Die Regenschirme von Cherbourg". Im gleichen Jahr spielt sie in einer konventionellen Komödie eine wunderschöne Frau, die Männer jagt. Doch bevor sie aufs Fach der verführerischen Frau festgelegt werden kann, beginnt Deneuve durch die Wahl ihrer Rollen gegen ihre Schönheit anzuspielen.
Als verängstigte neurotische Mörderin in Roman Polanskis "Ekel", als sich prostituierende Hausfrau in Luis Bunuels "Belle de Jour". Sie sucht sich Regisseure, die sie herausfordern, so wie Lars von Trier. Und mit zunehmendem Alter nimmt sie sich auf der Leinwand in Komödien wie "Das Schmuckstück" gerne selbst auf die Schippe. Sie selbst sieht in diesem Parcous durch sechs Jahrzehnte Filmgeschichte durchaus einen roten Faden.
"Insgesamt ergeben meine Rollen durchaus eine Suche. Eine permanente Selbstbefragung. Die Suche nach dem Gegenteil der Konvention. Es geht um die Suche nach dem Moment, in dem man das Gefühl hat, wirklich gelebt zu haben."
1980 dreht Catherine Deneuve einen ihrer bis heute bekanntesten Filme: Franois Truffauts "Die letzte Metro". Sie spielt eine Theaterleiterin, die ihren Mann, einen Juden, vor den Deutschen versteckt. Nach den Dreharbeiten sagte Truffaut, Deneuve sei als Schauspielerin wie eine Vase, in die man jede Blume stecken könne. Ein seltsames Kompliment.
"Truffaut hat das gesagt, weil es für ihn Schauspielerinnen und Schauspieler gibt, die dem Betrachter auf der Leinwand keinerlei Ausdruck aufzwingen. Hitchcock hat es anders ausgedrückt: 'Ich mag keine Schauspielerinnen, die den Sex im Gesicht haben.' Es geht um die Idee, dass der Zuschauer in ein Gesicht mehr von sich hineinlegen kann, dass er angesichts dieses Gesichts sein eigens Phantasma entwickeln kann."
Catherine Deneuve hat immer versucht, ihr Privatleben vor der Öffentlichkeit zu schützen. Das ist nicht so einfach, auch, wenn man mit Marcello Mastoianni eine Affäre und ein Kind hat. Gerne spricht Deneuve aber über ihre Leidenschaften: ihren Garten und das Lesen. Und über ihr Lebensmotto: "Dem tapferen Herzen ist nichts unmöglich."
"Ich bin ein melancholischer Mensch, aber mein Herz ist tapfer. Der Satz kam in einem Comic vor, das ich als Kind gelesen habe. Seit dem geht er mir nicht mehr aus dem Kopf. Es ist ein optimistisches Motto, aber eben nicht von exzessivem Optimismus. Nichts unmöglich - das heißt nicht, dass man es in jedem Fall schafft. Es heißt nur, dass man es versucht."
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