BayernLB

Grüne: CSU-Aufsichtsräte gehören mit auf die Anklagebank

Sepp Dürr im Gespräch mit Christopher Ricke · 27.01.2014
Im Prozess um die ehemaligen Vorstände der BayernLB fehlen nach Ansicht des Grünen-Politikers Sepp Dürr die ehemaligen Aufsichtsratsmitglieder auf der Anklagebank. Diese hätten "alle ihre Pflichten" als Kontrollorgan verletzt.
Christopher Ricke: Jetzt geht es um einen großen Prozess, der heute beginnt, ein Verfahren um einen Milliardenskandal: Ab heute steht die ehemalige Führung der bayerischen Landesbank vor Gericht. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft: Untreue, beim Kauf der Hypo Alpa Adria Bank in Österreich sollen Millionen verschleudert worden sein. Das ist nur einer von mehreren Prozessen um die BayernLB, es gibt auch noch einen Schadensersatzprozess, ein Zivilprozess, ein Schmiergeldprozess, eine Schadensersatzklage.
Ich spreche jetzt mit dem Grünen-Politiker Sepp Dürr, der in den letzten Jahren in diversen Untersuchungsausschüssen zu dem Thema saß. Guten Morgen, Herr Dürr!
Sepp Dürr: Guten Morgen!
Ricke: Was kann denn das Gericht jetzt rauskriegen, was die Untersuchungsausschüsse noch nicht herausgefunden haben?
Dürr: Ja, was sie zum Beispiel rausfinden können, ist: Wem galten denn diese Zahlungen, die die Staatsanwaltschaft auch moniert, nämlich diese 74 Millionen zusätzlich? Weil für die sogenannte Mitarbeiterprivatstiftung – wir wissen bis heute nicht, wer sich dahinter verbirgt. Auch das können Schmiergeldzahlungen gewesen sein.
Ricke: Für einen Oppositionspolitiker wie Sie ist natürlich das Thema BayernLB, das Versagen der politischen Kontrolle, die Zockerei mit öffentlichen Geldern ein gefundenes Fressen. Ist das noch ein Wahlkampfschlager, der ein paar Monate trägt?
Dürr: Er hat leider schon bisher nicht so wahnsinnig getragen, weil offensichtlich die bayrischen Wählerinnen und Wähler nicht so dramatisch besorgt sind. Wenn die CSU mal zehn Milliarden zum Fenster raushaut, dann stört sie das nicht, so lange es uns insgesamt gut geht. Aber trotzdem ist es unsere Aufgabe und es war uns auch eine Freude, nachzuweisen, dass die CSU in solchen Fällen einfach nicht mit Geld umgehen kann.
Ricke: Da sind wir ja mitten in der Parteipolitik, aber es steht ja nicht die Partei CSU vor Gericht, sondern Bankvorstände.
CSU-Politiker haben sich "grober Pflichtverletzungen schuldig gemacht"
Dürr: Ja, da haben Sie recht. Das ist auch das, was wir mit kritisieren, dass man so tut, als ob die Aufsichtsräte – und das waren eben alles hochrangige CSU-Politiker – einfach nichts damit zu tun hätten. Die waren mit involviert in diesen Fall und haben sich zumindest grober Pflichtverletzungen schuldig gemacht, von Faltlhauser über Huber, Beckstein bis zu einigen amtierenden Politikerinnen und Politikern.
Ricke: Welche amtierenden Politiker haben Sie denn da im Blick?
Dürr: Zum Beispiel der Innenminister Herrmann war noch mit im Verwaltungsrat, dann war zeitweise auch die Frau Müller mit drin. Also es geht nicht nur um den Kauf dieser Bank, sondern auch um die Führung der HGAA durch die BayernLB, die auch katastrophal war.
Ricke: Herr Dürr, wenn Sie jetzt aus dem Grünen-Blickwinkel so auf die CSU schießen – behindert diese parteipolitische Polemik nicht eigentlich die Aufklärung?
Dürr: Na, wir haben ja im Untersuchungsausschuss absolut einhellig festgestellt - wir haben ja untersucht, was die CSU-Politiker in diesem Gremium gemacht haben in der Aufsicht, und da haben wir einhellig festgestellt: Die haben alle ihre Pflichten verletzt. Die Frage war nur: Haben sie sie fahrlässig oder grob fahrlässig verletzt? Und da waren wir uns nicht einig – bis auf Faltlhauser und den ehemaligen Sparkassenpräsidenten, ebenfalls ein ehemaliger CSU-Landrat, die ja auch zivilrechtlich verklagt wurden, nicht nur die Vorstände. Das heißt, auch die CSU sieht da ein grobes oder großes Versagen ihrer ehemaligen oder aktuellen Spitzenpolitiker.
Ricke: Diese große Uneinigkeit, die gibt es ja überall, die gibt es ja auch ...
Dürr: Nein, die war da nicht. Wir waren uns ja einig, dass sie Pflicht verletzt haben.
Ricke: Diese Einigkeit, die fehlt eben auch bei Gericht. Das ist ja auch ein interessanter Vorgang. Das Gericht wollte ja ganz bestimmte Teile der Anklage erst gar nicht zulassen, weil sie sie doch ein bisschen an den Haaren herbeigezogen gesehen hat. Dann musste es bewiesen werden. Jetzt kommt es zu diesem Verfahren. Was ist das?
Dürr: Ja, der große Vorteil aus meiner Sicht ist, dass, selbst wenn die Vorstände jetzt nur teilweise für schuldig befunden werden, wird noch mal deutlich, wie eng die in Tateinheit mit dem Verwaltungsrat, also mit der politischen Aufsicht gehandelt haben, und dass die politische Aufsicht auch erhebliche Schuld dafür trägt, dass jetzt acht Milliarden vermutlich weg sind. Also das ist ja nicht nur so, dass man da die Vorstände hat machen lassen, sondern man hat sie gegen jegliche Pflicht und gegen jede kaufmännische Vernunft machen lassen, und man hat ganz spezifische Pflichten als Verwaltungsrat, die man missachtet hat.
Ricke: Es gibt ja viele Zahlen, Sie haben allein einmal von zehn Milliarden jetzt gesprochen, dann einmal von acht. Bei unserem Korrespondenten waren es weniger, in den Nachrichtenagenturen sind es unter vier mit einigem Risiko. Ist denn dieser Schaden insgesamt überhaupt vernünftig zu bemessen?
Dürr: Na, das ist schwierig, und zwar: Bei der HGAA kann man es noch einigermaßen sagen, also 3,7 Milliarden sind insgesamt deshalb weg, weil die Bank mal so eingeschätzt wurde. Dann haben wir aber noch 4,2 Milliarden Darlehen in Österreich. Das sind acht Milliarden. Ich habe jetzt auf zehn Milliarden oder mehr aufgerundet, weil es um die politische Frage ging, und da hat ja die Landesbank nicht nur beim Kauf der HGAA große Fehler gemacht, sondern die haben ja vorher schon bei sogenannten Wertpapieren, die völlig wertlos waren, und bei anderen Immobiliengeschäften in den USA einen Haufen Geld verschleudert.
Deswegen habe ich zehn Milliarden gesagt, weil zehn Milliarden auch als Zuschuss des Staates an die Landesbank geflossen sind. Also diese zehn Milliarden sind mindestens insgesamt schon weg.

Dürr sieht "in Deutschland keinen Bedarf für Landesbanken"
Ricke: Nicht nur bei der Bayrischen Landesbank hat es heftig gekracht, ist viel Geld verloren, gerade in der Finanzkrise ist immer die Frage nach dem Geschäftsmodell der Landesbanken aufgekommen, wir kennen die Probleme aus anderen Bundesländern. Haben Sie sich denn in Ihrer politischen Diskussion auch mal grundsätzlich mit der Zukunft der Landesbanken beziehungsweise mit der Zukunft der BayernLB beschäftigt, ob es so was noch braucht?
Dürr: Warum ist man überhaupt auf so eine Schnapsidee gekommen, diese Bayrische Landesbank so aufzublähen und auf dieses Volumen aufzublähen, was ja nicht nur für den Größenwahn von Stoiber typisch war, sondern das hatte den Grund auch darin, dass eine Bank, die niemand gebraucht hat, versucht hat, durch Größenwachstum ihre Wichtigkeit nachzuweisen. Das heißt, es war dermaßen absurd insofern, als der bayrische Landeshaushalt damals noch keine 40 Milliarden betragen hat, das Volumen der Bank aber 400 Milliarden, und der Freistaat hat dafür gebürgt. Das heißt, wir haben für zehn Mal so große Summen gebürgt, wie wir im Landesetat überhaupt hatten, und das ist einfach wahnsinnig. Und man hat das gemacht, weil man zu Hause nicht gebraucht wurde, weil es in Deutschland keinen Bedarf für Landesbanken gibt.
Ricke: Der Grünen-Politiker Sepp Dürr, der in den letzten Jahren in diversen Untersuchungsausschüssen zum Thema BayernLB saß. Vielen Dank, Herr Dürr!
Dürr: Bitte sehr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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