Bastian Pastewka entdeckt altes Krimihörspiel

Detektiv Paul Temple, der Scotch und die Frauen

Bastian Pastewka bei der Entertainment Night, der Verleihung der Video Champions, 2014 in München.
Der Comedian Bastian Pastewka © imago/APress
Von Tobias Lehmkuhl · 05.01.2015
Francis Durbridges Hörspiele um den Privatdetektiv Paul Temple waren in den 50er-Jahren Straßenfeger. "Der Fall Gregory" von 1949 galt als verschollen, jetzt hat ihn der Comedian Bastian Pastewka liebevoll rekonstruiert und ist selbst in die Rolle des Paul Temple geschlüpft.
"Bastian hat mir gesagt, es geht um die gute Sache - Und wann kommt die? - (Pastewka): Freunde, Freunde, Freunde! Früher waren Durbridge-Hörspiele zehn Folgen lang und dauerten mindestens sechs Stunden. In jeder Folge gab es 40 Schauspieler und das Kölner Tanz- und Unterhaltungsorchester. Doch das ist 70 Jahre her. Inzwischen gibt es Fernsehen und dieses Internet, von dem man jetzt soviel liest. Da ist das Genre Hörspiel längst hintenüber gefallen. Wir können also froh sein, wenn der Sender überhaupt noch Geld für vier Top-Schauspieler und Kai-Magnus ausgeben kann - Ist auch wieder wahr. - Und deswegen hast Du, liebe Janina, vollkommen Recht: es ist eine gute Sache."
Früher, auch das ein Unterschied, ist Paul Temple nicht vor seine Mitstreiter getreten und hat ihnen Vorträge über die Schönheit und Notwendigkeit des Genres Hörspiel gehalten. Aber wahrscheinlich waren die Schauspieler damals auch willfähriger als es Janina, Inga und Kai-Magnus heute sind. Man musste sie nicht, wie Bastian Pastewka es als Hautdarsteller mit seinen Kollegen immer wieder zu tun gezwungen ist, auf Linie bringen und sich dabei auch noch von ihnen verlachen lassen.
Pastewka: "Moment, Moment, Moment, jetzt nochmal für alle: Paul Temple und der Fall Gregory entstand 1949 und daher ermittelt Paul Temple auch in dieser Zeit. Seine Frau Steve ist auf seiner Seite, bekocht ihn und stellt keine Fragen. Eine schöne Tradition. - Ja, Schatz. - Diener Charles ist lustig, Sir Graham Alkoholiker und ansonsten gibt es bis zu zehn übliche Verdächtige mit Namen wie Palmer, Harper, Clayton, Doyle und Roberts. Der Schurke schickt seltsame Botschaften, es gibt einen schummerigen Nachtklub mit einem schmierigen Besitzer - deswegen wurdest Du, Kai-Magnus ausgesucht - Ich bin der Beschenkte. - Aber niemals, ich betone niemals ist Gregory eine Frau. Die Frauen sind gang einfach Frauen! - Ich wiederhole: Es gibt viel Traurigkeit in deinem Leben, Bastian. - Sag das bitte nicht dauernd."
Privatdetektiv mit guten Nerven
So sind denn auch die Grundzüge von "Paul Temple und der Fall Gregory" ganz gut umrissen: Vier oder fünf Mädchen werden entführt und umgebracht - der Rezensent hat da zugegebenermaßen irgendwann den Überblick verloren - es gibt mindestens doppelt so viele Verdächtige, auf Temple selbst wird ein Mordanschlag verübt, aber all das ist bekanntermaßen kein Grund für einen guten Briten, die Nerven zu verlieren oder gar in Eile zu geraten. Vielmehr gondelt Temple gemütlich mit einem Glas Scotch in der Hand durch die Kulissen, beziehungsweise lässt sich von seiner Frau durch selbige chauffieren. Dass es ganz ohne Action auch 1949 nicht ging, wusste Durbridge freilich ebenfalls:
"Steve, um Gottes Willen, pass auf! - Aber was ist denn los? - Er versucht vorbeizufahren! - Aber er kann doch hier nicht vorbei! - Bei Morpheus, er macht es absichtlich, er drängt uns zur Seite, halt an Steve, um Himmels Willen, lass dich nicht an den Rand drängen, Steve! - Ich kann ihn nicht mehr halten, Paul - Steve! Oh mein Gott! - Ah!!!"
Regisseur Leonhard Koppelmann, der ebenso wie Bastian Pastewka ein Kenner und Liebhaber des Fünfziger-Jahre-Krimis sein muss, setzt in diesem Hörspiel ausschließlich Musik jener scheinbar längst vergangenen Zeit ein. Auch folgen die Schauspieler - wenn sie sich nicht gerade darüber beschweren, dass jeder von ihnen so viele unterschiedliche Rollen übernehmen muss - offenbar exakt dem originalen Hörspielmanuskript, ja geradezu akribisch versuchen alle Beteiligten den Ton und den Gestus jener Zeit wiederaufleben zu lassen. Das klingt zwar immer auch eine Spur ironisch, aber gleichzeitig wird einem doch ganz warm ums Herz: Bessere Zeiten müssen das gewesen sein.
Der britische Kriminalschriftsteller und Drehbuchautor Francis H. Durbridge am 21. Januar 1959 in seinem Haus in Walton-on-Thames.
Der britische Kriminalschriftsteller und Drehbuchautor Francis H. Durbridge am 21. Januar 1959 in seinem Haus in Walton-on-Thames.© picture-alliance / dpa
Ironisch und herzerwärmend
"Guten Abend, Dr. Wiseman, Mr. Davis. - Oh, hello Temple. - Guten Abend, Mr. Temple. - Hello Mr. Davis - Guten Abend, Mrs. Temple - Hello Dr. Wiseman. - Guten Abend, Mrs. Temple. - Das ist ja eine unerwartete Freude." (lachen)
Herrlich nicht nur, wie hier ausführlich in dem unübersetzten "Hello" geschwelgt wird, hinreißend auch, wie Temple den Verdächtigen immer wieder ins Wort fällt und sie nachdrücklich zum Weitersprechen auffordert, wenn sie längst dazu bereit oder auch schon mitten im Geständnis sind. Unvergleichlich überdies Pastewkas Kunst, sein Lachen bis in den kleinsten Gickser hinein zu modulieren.
"Soll das heißen, dass du mir keinen Brief geschickt hast? - Hihihi - Mr. Temple, was soll das bedeuten? - Haha, es könnte bedeuten, dass Mr. Gregory gewusst hat, dass sie sich im Ritz treffen wollten und es für besser hielt, wenn sie sich im Royal Astoria trafen."
Ja, das Hörspiel an sich und insbesondere dieses ist wirklich eine gute Sache. Vor allem ist es ein großer Spaß, oder besser: eine äußerst spielerische Angelegenheit, die man ob ihrer steifen Vorlage nicht erwartet hätte. Man wünschte sich zehn Folgen davon, aber bitte nicht mit 40, sondern mit genau diesen vier Schauspielern.

Francis Durbridge: Bastian Pastewka und Komplizen in Paul Temple und der Fall Gregory
Regie: Leonhard Koppelmann. Sprecher: Bastian Pastewka, Janina Sachau, Kai Magnus Sting u. a.
Der Hörverlag, Hamburg 2014
2 CDs, ca. 107 Min., 10,99 Euro

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