#Basta de Femicidios

Argentinierinnen stehen gegen Frauenmorde auf

Angehörige demonstrieren am 25.11.2003 mit Pappfiguren als Symbole für die getöteten Frauen in Ciudad Juarez. Die mexikanische Grenzstadt Ciudad Juárez erlangte international Berühmtheit - zwischen 993 und 2007 wurden hier 393 Frauen ermordet. "Welthauptstadt der Frauenmorde" ist deshalb das Image, das der Stadt weltweit anhängt.
Die Mexikanerinnen demonstrierten bereits 2003 gegen die Ermordung von Hunderten von Frauen. Die Argentinierinnen wollen es ihnen nun gleichtun. © picture alliance / dpa / epa Guadalupe Perez
Von Victoria Eglau · 03.06.2015
"Basta de Femicidios" – Schluss mit den Frauenmorden! Unter diesem Motto haben Argentinierinnen für heute zu Protesten gegen Gewalt an Frauen aufgerufen. Die Empörung über 277 von Männern ermordeten Frauen entlud sich auch in einer Kampagne auf Twitter und Facebook.
Der Mord an der 14-jährigen Chiara Páez war der Tropfen, der das Fass der Entrüstung zum Überlaufen brachte. Die Jugendliche aus der argentinischen Kleinstadt Rufino wurde Mitte Mai tot aufgefunden – verscharrt im Hinterhof des Hauses ihres Freundes, von dem sie schwanger gewesen war. Die öffentliche Empörung, die in Argentinien auf jeden Frauenmord folgt, mündete dieses Mal in eine fiebrige Kampagne in den sozialen Netzwerken. Ingrid Beck, Ko-Direktorin der Satirezeitschrift "Barcelona" und eine der Initiatorinnen:
"Ich glaube, wir fühlen uns alle auf den Plan gerufen, weil die ganze Gesellschaft verantwortlich ist für die Gewalt an Frauen, für den Machismo. Alle tragen Verantwortung: die Medien und ihre Art der Berichterstattung, die Justiz und die Sicherheitskräfte."
Sintflut von Videos und Fotos
Auf Twitter, Facebook und YouTube ergoss sich eine Sintflut von Videos und Fotos von Prominenten ebenso wie Unbekannten. Sie alle mit Plakaten in der Hand, auf denen der Slogan #Ni una menos – Nicht eine Frau weniger – zu lesen ist.
Sollte sich der virtuelle Aufstand heute auf die Straße übertragen, werden die Demonstrationen im ganzen Land wohl ein eindrucksvolles Zeichen gegen Frauenmorde setzen. Diese sind in Argentinien ein trauriges Dauerthema, ständig berichten die Medien über neue grausame Fälle: Mal landet ein ermordetes Mädchen auf einer Müllkippe, mal wird eine Frau von ihrem Freund auf offener Straße erstochen, mal übergießt ein Mann seine Partnerin mit Benzin und zündet sie an.
"Wir erleben in Argentinien eine erschreckende Situation. Im Durchschnitt wird alle 31 Stunden eine Frau von einem Mann ermordet."
... sagt die Oppositionspolitikerin Maria Luisa Storani. 277 Frauenmorde zählte im vergangenen Jahr die Nichtregierungsorganisation Casa del Encuentro auf Grundlage von Presseberichten. Die tatsächliche Zahl könnte höher liegen, doch offizielle Statistiken fehlen.
Frauenmorde werden als Femizide bezeichnet
Casa del Encuentro ist eine Anlaufstelle in Buenos Aires. Frauen, die Opfer männlicher Gewalt sind, finden hier psychologische und juristische Unterstützung. Carmen Villalba, Psychologin:
"Gewalt gegen Frauen gab es immer schon, aber wenn eine Frau getötet wurde, war von Mord aus Leidenschaft oder Eifersucht die Rede. Inzwischen setzt sich die Bezeichnung Femizid durch und das Problem wird sichtbarer. Immer häufiger geschehen Frauenmorde sogar in aller Öffentlichkeit."
Es ist nicht so, dass der argentinische Staat tatenlos zusehen würde. 2009 verabschiedete der Kongress ein Gesetz, dass Frauen in allen Lebensbereichen vor Gewalt schützen soll. Doch es hapert bei der Umsetzung und finanziellen Ausstattung. Carmen Villalba:
"Es herrscht große Ungleichheit beim Zugang der Gewaltopfer zum Justizsystem und zu praktischer Unterstützung. Frauenhäuser, Betreuung durch Psychologen und Juristen sowie finanzielle Hilfen fehlen überall. Aber in Buenos Aires ist die Situation weitaus besser als im Landesinneren von Argentinien."
Die Initiatoren der für heute einberufenen Demos haben denn auch ganz konkrete Forderungen an die Politik. Unter anderem: mehr Geld, um das Frauenschutz-Gesetz in ganz Argentinien angemessen umzusetzen, die statistische Erhebung von Femiziden und die Einführung schulischer Präventionsarbeit gegen Geschlechtergewalt.
"Hoffentlich wird sich der Protest nicht nur in Fotos niederschlagen, sondern auch in einer effizienteren Politik und einem anderen Umgang mit Frauen."
Mehr zum Thema