Banker nicht pauschal kriminalisieren

Moderation: Christopher Ricke · 23.07.2012
Der Vizepräsident der Privathochschule Frankfurt School of Finance, Hartmut Kliemt, warnt davor, Bankern kriminelle Handlungen zu unterstellen. Man müsse "zwischen risikoreichen Geschäften und kriminellen Handlungen" unterscheiden. Das in einen Satz zu bringen, sei ungehörig.
Christopher Ricke: Siegmar Gabriel, der SPD-Chef, mag es gerne populär. Jetzt wirft er den Banken Erpressung und Abzocke vor, will Banker gar ins Gefängnis werfen, wenn Kurse manipuliert werden. Er sagt über kriminelle Banker, die sind mindestens so verurteilungswürdig wie Schwarzfahrer.

Zitat Gabriel: "Es kann nicht sein, dass kein einziger Banker hinter Gittern sitzt, weiter Kurse manipuliert werden und hochriskante Geschäfte getätigt werden, und kleine Leute selbst fürs Schwarzfahren ins Gefängnis kommen".

Ich spreche jetzt mit Hartmut Kliemt. Er ist Professor für Philosophie und Ökonomie an der Frankfurt School of Finance and Management. Guten Morgen, Herr Kliemt!

Hartmut Kliemt: Guten Morgen!

Ricke: Das Donnergrollen bei der SPD haben wir gehört - haben jetzt alle Banker, ins Gefängnis zu müssen?

Kliemt: Ich hoffe nicht. Ich hoffe auch, dass man insgesamt unterscheidet zwischen risikoreichen Geschäften und kriminellen Handlungen. Das in einen Satz zu bringen und miteinander zu vermischen, finde ich ungehörig.

Ricke: Aber auch die risikoreichen Geschäfte sind ja doch in den letzten Wochen, Monaten, ja Jahren heftig kritisiert worden. Dieses System von Gier und Belohnung. Stattdessen, so heißt es doch, brauchen wir Verantwortung und Vertrauen. Diese sehr schöne, gebildete Diskussion, diese sehr appellative Diskussion, hat die schon was gebracht?

Kliemt: Also, ich glaube, dass diese ganze Diskussion um Gier wenig bringt, und zwar deswegen, weil uns diese Vorverurteilung, die schon in dem Begriff liegt, davon ablenkt, die wahren Probleme genauer anzugucken.

Natürlich gibt es Strukturprobleme, etwa bei dem Entlohnungssystem für Personen, die im Bankbereich eben Geschäfte tätigen. Da gibt es überhaupt keine Zweifel drüber. Aber wir müssen diese Probleme behandeln und nicht über Gier lamentieren. Ich meine, jeder Mensch folgt seinen Anreizen, und wir sagen bei Personen, die weniger verdienen, dann auch nicht, die sind gierig. Aber die sind vielleicht genauso bestrebt, ihre eigene Situation zu verbessern.

Ricke: Aber dennoch ist es doch den Bankern in den letzten Jahren sehr erfolgreich gelungen, unglaublich unbeliebt zu werden. Nach einer letzten Statistik, nach einer letzten Umfrage sind Banker noch unbeliebter als Journalisten und Politiker.

Kliemt: Na ja, ich glaube, man muss da etwas vorsichtig sein. Das stimmt natürlich, aber da kommen viele Sachen zusammen. Zum einen, das alte Ressentiment dagegen, dass Geld eben keine Jungen kreieren kann. Das hatten die Marxisten, das haben christliche Kreise gehabt, das Geld eben, das darf als solches keine Produktivität haben.

Das ist, denke ich, ein Punkt, der generelle Vorbehalt gegen die Geldwirtschaft, der sich hier auch ausdrückt. Zum zweiten sollten wir nicht vergessen, dass die Banker in einer ähnlichen Situation in vielen Hinsichten zu sein scheinen wie die Ärzte. Viele Leute vertrauen der Ärzteschaft im Allgemeinen nicht mehr. Im Allgemeinen nicht mehr. Aber fast jeder sagt, dass er persönlich ja einen ganz vertrauensvollen Arzt hat.

Also 80 Prozent glauben, die Ärzte sind nicht in Ordnung, und die gleichen 80 Prozent sind wahrscheinlich der Meinung, ihr persönlicher Arzt ist ganz prima. Also, ich glaube, das ist sehr vielschichtig, das Problem, und wird auch etwas hochgejazzt, na ja, von der Presse. Man sollte die nicht immer schuldig machen, aber das ist eben ein willkommener Skandal.

Ricke: Wie stellt es denn ein Banker an, dass seine Kunden ihm vertrauen?

Kliemt: Ja, das ist etwas, was mich immer wieder überrascht. Dass beispielsweise im direkten Kundengeschäft der Kunde zwar einerseits weiß, dass derjenige, der ihm gegenüber sitzt, typischerweise auch Anreize hat, ihm etwas zu verkaufen, was vielleicht gar nicht im Interesse des Kunden, sondern der Bank ist ...

Ricke: Weiß das der - Entschuldigung. Weiß das der Kunde wirklich?

Kliemt: Ich glaube, die meisten Leute wissen das. Die wollen das nicht sich explizit bewusst machen, aber eigentlich wissen die meisten Leute das. Natürlich, ich bin dafür, dass all diese Dinge offengelegt werden, und da gibt es ja auch neue Regeln zu. Aber es ist doch komisch, dass kaum jemand zu einem unabhängigen Berater geht, der unabhängig von der Bank ihn in Finanzangelegenheiten berät.

Ricke: Was muss also passieren? Die Kunden müssen sich schlauer machen? Oder die Banker müssen offener werden?

Kliemt: Ja, ich glaube, zunächst mal müssen wir die Konkurrenzbedingungen in diesem Geschäft etwas verbessern, sodass Personen mehr Anreize haben, ihre Interessen offenzulegen, das ist das eine, und - ich meine, das ist ein schwieriges Problem, sehr schnell an den Stellschrauben zu drehen, heißt auch meistens, dass man auch etwas zerstören kann. Weil man immer nur in eine Richtung dann schaut.

Aber ich glaube, generell brauchen wir eben, zum Beispiel in diesem Spezialproblem, mehr unabhängige Bankberater, so wie es übrigens - der Vergleich zur Ärzteschaft ist da sehr nützlich - so wie es auch mittlerweile ja Kliniken gibt, die nur Diagnose machen und an der Therapie nicht verdienen. Also auch da wird eben verhindert durch die Anreizstruktur, dass man zu viel therapiert.

Ricke: Bei den Banken gibt es einen gehörigen Umbau, die Landesbanken müssen sich schon lange fragen lassen, ob ihr Geschäftsmodell noch trägt. Das heißt am Ende, beim einzelnen Banker angekommen, dass es auch einen spürbaren Jobverlust bei den europäischen Banken gibt. Wie groß und wie gerechtfertigt ist denn die Angst vor Arbeitslosigkeit in dieser Szene?

Kliemt: Also ich glaube, dass die, verglichen mit dem, was vorher der Fall war, im Augenblick zumindest, berechtigt ist, die Sorge um die Arbeitsplätze. Das ist natürlich eine empirische Frage, das müsste man genauer wissen, aber das, was ich aus der, in Anführungsstrichen, "Szene" höre, ist: Alle sitzen, in Anführungsstrichen, "auf dem Zaun", keiner von den Kunden ist wirklich im Moment, angesichts der großen Unsicherheit, bereit, aktiv zu werden, und deswegen besteht viel weniger Bedarf an der klassischen Investmentberatungstätigkeit und solchen Dingen. Wir reden hier allerdings über eine relativ kleine Schicht von Bankern. Nicht denen, die da eben direkt im Verkaufsgespräch an der Kasse, in der Bank sitzen, für den normalen, kleineren Kunden.

Trotzdem - die Chancen sind da schlechter geworden. Der Arbeitsmarkt wird schlechter. Und man muss eben sagen, vermutlich ist das Arbeitsplatzrisiko für Personen in diesem Bereich immer noch geringer als in der allgemeinen Bevölkerung oder in anderen qualifizierten Berufen, aber es ist eindeutig steigend, außer vielleicht in dem Bereich, wo man lange Zeit jetzt die neuen Regularien umsetzen musste und die Risiken berechnen musste. Da wurden neue Stellen geschaffen, aber auch die sind nicht mehr so gut bezahlt wie früher.

Ricke: Hartmut Kliemt, er ist Professor für Philosophie und Ökonomik an der Frankfurt School of Finance and Management, vielen Dank, Herr Kliemt!

Kliemt: Vielen Dank auch, auf Wiedersehen!


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