Band um Markus Berges

Erfinden Erdmöbel das Weihnachtslied neu?

Die Kölner Band Erdmöbel bei einem Konzert in Jena im Jahr 2014 - im Bild: Sänger Markus Berges.
Erdmöbel-Sänger Markus Berges bei einem Konzert in Jena © imago/VIADATA
Von Tobias Ruhland · 07.12.2015
Es ist eine kleine Tradition: Die Band Erdmöbel veröffentlicht jedes Jahr einen Weihnachtssong der etwas anderen Art. Die Lieder erzählen etwas von Feiertagsstress statt Besinnlichkeit - und auf den Konzerten wird Polonaise getanzt.
Darf man das? Kann man das machen? Die halbe Fahrt von Köln nach München zum Tourneeauftakt haben Erdmöbel diskutiert, ob sie beim "Ding Ding Dong"-Weihnachtssong eine Polonaise durchs Publikum wagen sollen. Sie haben es dann einfach gemacht, und der Publikums-Chor wollte gar nicht mehr aufhören zu singen. Am Ende dauerte der Song dann länger als eine Viertelstunde.
Ekki Maas (Ekimas): "Das Problem bei Weihnachten ist ja, dass viele Leute Angst davor haben, weil die Erwartungen so hoch sind, dass Weihnachten eben auch regelmäßig schief geht. Wir versuchen den Ernst so ein bisschen rauszunehmen. Wir holen uns die Feierlichkeit wieder, ohne dass da jetzt ein bestimmter spiritueller Sinn dahinter steht. Ich glaube, Weihnachten macht einfach nur Spaß, wenn man es richtig macht. Dazu kann man auch vielleicht ein paar Hilfsmittel benutzen."
Ein bisschen mehr Karneval an Weihnachten
Eine Polonaise zum Beispiel. Und Ekimas, der Bassist von Erdmöbel, war am Ende selbst ganz überrascht, wie gut das funktioniert hat. Sein Outfit während des Konzerts: goldene Glitzerjacke und eine Bundeswehrtarnfleckhose. Das entspricht dem Weihnachtsliedansatz der Band ziemlich gut: irgendwo zwischen Karneval und Christbaum. Passend dazu die silbernen Glitzerturnschuhe von Gitarrist und Sänger Markus Berges:
"Wir machen ja so eine Art Weihnachtsparty. Das ist so viel Weihnachtsparty wie Anti-Weihnachtsparty. Weihnachten, finde ich, in Deutschland kann das eben noch so vertragen, ein bisschen karnevalisiert zu werden."
Ekimas: "Wir haben geschaut: Was machen die Amerikaner und die Engländer? An Weihnachten machen die Party mit wilder Musik, und das kommt hier in Deutschland einfach zu kurz."
Berges: "Es ist immer so besinnlich. Du hörst die Kinderchöre und die Schalmeien."
Ekimas: "Da kann sich eigentlich ein normaler Mensch gar nicht drin wiederfinden."
"Haben Erdmöbel das Weihnachtslied neu erfunden? - Ja klar."
Erdmöbel schenken dem Nikolaus seine eigene Mitgröhl-Polka, sie hüpfen aber nicht nur zwischen Besinnlichkeit und Unsinn hin und her, sondern auch zwischen Dur und Moll, zwischen Euphorie und Melancholie, wie etwa bei "Fräulein Frost" mit den bandtypischen bildrätselartigen, uneindeutigen Texten.
"Haben Erdmöbel das Weihnachtslied neu erfunden? – Ja, klar. Sie haben mich zum Singen gebracht. Ich war ganz irritiert. Irgendwie ein gutes Gemeinschaftsgefühl. – Das tut ganz gut in der Vorweihnachtszeit, wo die anderen Weihnachtslieder doch sehr süß ankommen."
"Kann man sagen: Erdmöbel Weihnachtslieder 100 Prozent kitschfrei?"
Ekimas: "Nee, glaub ich nicht. Wir spielen auch mit diesen Sachen, die kitschig sind. Also "Jesulein" kommt manchmal vor. Das ist zwar dann lustig, aber ich glaube schon, dass die Leute trotzdem sich nicht gegen diese Gefühle wehren können, die dann einfach aufkommen, wenn vom Jesulein die Rede ist."
"Was sind das denn für Gefühle?"
"Das ist schwer zu sagen. Das hat jeder. Weihnachten ist das Fest, auf das man am meisten geprägt ist. Man kann sich am wenigsten dagegen wehren. Es kann niemand sagen: Ach, Weihnachten, da mache ich mal einen ganz normalen Abend. Tatsächlich ist das so, dass man darauf so geprägt ist."
Erdmöbel über Alpenmusik auf dem Hackbrett
Und wie steht es um die Gefühle der Erdmöbel-Musiker? Können sie sich dagegen wehren, wenn sie auf dem Hackbrett, einem ur-typischen bayerischen Saiteninstrument, ein ur-altes alpenländisches Weihnachtslied vorgespielt bekommen? Ein Stück namens "Es wird scho glei dumpa."
Ekimas: "Da kann ich schon dumpa nicht verstehen. Heißt das dunkel?" "Ja!"
[Hackbrettmusik]
Ekimas: "Wenn ich das Hackbrett schon höre, dann denke ich an Schnee und an Russland und an Bayern und die Karpaten. Überall wo Schnee liegt."
Sehr schön! Das bayerische Hackbrett vermag es, weihnachtliche Ur-Gefühle sogar bei den Rheinländern von Erdmöbel zu wecken. Und ja, es gibt sie auch für Erdmöbel – die Jahrhunderte alten, aber nach wie vor ziemlich perfekten Weihnachtslieder.
Erdmöbel singen "Maria durch ein Dornwald ging":
"Maria durch ein Dornwald ging ... Das ist wirklich echt schön. Tatsächlich. Mit den meisten anderen Liedern kann ich nicht viel anfangen. Das ist abgenudelt. Das läuft immer im Kaufhaus. Während Marian durch ein Dornwald ging, das ist ein Lied, das haben wir früher immer gesungen. Das ist sehr schön Moll."
Beim klassischen Liebeslied kommt am Ende die größte Weihnachtsstimmung auf
Natürlich spielten Erdmöbel auch ihr "Last Christmas"-Cover beim Konzert in München. Und auch das Stück "Goldener Stern", für das es sogar Anfragen von Kirchengemeinden gibt: Sie wollen es in ihre Weihnachts-Gottesdienste einbauen.
Am Ende lagen sich Menschen mit Nikolausmützen in den Armen und wollten gar nicht mehr aufhören, den Refrain zu singen. "Nah bei Dir". Die besinnlichsten und weihnachtsstimmungsvollsten Momente dieses Abends. Ausgerechnet bei diesem Song, der eben kein offizieller Weihnachtssong ist, sondern ein klassisches Liebeslied, "Close to you", berühmt geworden in der Version der Carpenters, gecovert von Erdmöbel.
"Hört Ihr Euch das dann auch an Weihnachten an? Sind das Eure neuen Weihnachtslieder?" – "Die kennen wir schon länger und hören sie immer. Das ganze Jahr. Ob Weihnachten oder nicht. Ich meine, ob das was mit dem Fest selber was zu tun hat...ich meine, jede Musik hat vielleicht damit zu tun, oder?" – "Fühlen Sie sich jetzt besinnlicher nach dem Konzert?" – "Besinnlich? Nein. Aber beseelt."