Balkankrieg

"Wir können vergeben, aber nicht vergessen"

Grabsteine der Potocari Gedenkstätte für den Völkermord in Srebrenica. Rund 8.000 männliche Muslime wurden im Juli.1995 in Srebrenica von bosnisch-serbischen Truppen ermordet, obwohl die Stadt UN-Schutzzone war.
Gedenkstätte für den Völkermord in Srebrenica © picture alliance / dpa / Foto: Thomas Brey
Von Wolfgang Martin Hamdorf · 14.04.2014
Der Film "Krugovi" beruht auf einer wahren Begebenheit: 1993 wurde ein serbischer Soldat getötet, weil er einen bosnischen Nachbarn gerettet hatte. An der Koproduktion sind vier Länder beteiligt: Deutschland, Kroatien, Serbien und Slowenien.
Die Kleinstadt Trebinje in den kargen Bergen Südbosniens. Im Jahre 1993 tobt der zweite Balkankrieg zwischen Serben, Bosniern und Kroaten. Markos, ein junger Serbe ist auf Heimaturlaub. Er sieht wie seine Kameraden den Bosnier Haris, den Betreiber des örtlichen Kiosks zusammenschlagen
Filmsequenz - Scheiben klirren
"Komm raus du Arschloch! Beweg dich."
"Scheißmoslem. Komm her..."
"Raus mit ihm, raus mit ihm, hol die Drecksau aus seinem Loch raus. Los mach schon."
"Was ist, machst du jetzt immer noch das Maul auf?"
"Scheißmoslem, fick dich, Scheißmoslem..."
"Steh auf!" „Deine Leute bringen uns um und du willst uns verarschen, du mieses Schwein."
Ein Netz kollektiver Erinnerung
Marko kann Haris zwar retten, wird aber selbst von den serbischen Soldaten zu Tode geprügelt. Das zeigt der Film aber erst zum Schluss, auch wenn der Zuschauer über die Gespräche und der Protagonisten von Markos Tod weiß. Durch die elliptische Erzählform rekonstruiert Regisseur Srdan Golubovic auch ein Netz kollektiver Erinnerung, alle handelnden Figuren sind über den Mord miteinander verbunden.
Srdan Golubovic: "Der Film zeigt, dass wir vergeben können aber nicht vergessen. Deswegen zeigen wir erst am Ende des Films, wie die Hauptfigur ermordet wird. In der letzten Einstellung liegt er auf dem Boden, wie ein Stein, der auf die Wasseroberfläche fällt, und alle Beteiligten kreisen um ihn herum, sind mit seinem Schicksal verbunden."
"Krugovi" zeigt die mittelbar und unmittelbar Beteiligten zwölf Jahre nach dem Mord: Markos Vater Ranko rekonstruiert in mühsamer Kleinarbeit eine kleine Kirche auf dem Berg. Angesichts des kollektiven Schweigens über den Tod seines Sohnes ist auch er schweigsam geworden, fragt sich nach dem Sinn von Markos Zivilcourage:
Filmsequenz - Markos Vater Ranko
"Wirft man einen Stein ins Wasser, dann entsteht etwas. Es bilden sich Kreise. Und sie breiten sich aus. Das ist schön. Aber mich bedrückt etwas. Ich habe das Gefühl, er ist einfach versunken. Das macht mir Angst. Dass einer etwas Gutes tut und es keinen interessiert."
Der Vater ein Mörder
Im Dorf wird wenig über die Ereignisse von damals gesprochen. Ein junger Mann sucht vergeblich Arbeit beim Rankos Kirchenbau. Er weiß nicht, dass sein Vater einer der Mörder war.
Filmsequenz - Mutter und Sohn
"Was ist?"
"Bei ihm darfst du nicht arbeiten!"
"Warum nicht?"
"Darum!"
Am Ende werden der Vater des Opfers und der Sohn eines Täters Freunde. Der Film zeigt aber auch die Mechanismen von Schweigen und Verdrängen. Er erzählt von Tätern und Mitläufern, aber auch von den Schuldgefühlen derer, die weggeschaut haben: Markos bester Freund wird zwölf Jahre später zufällig mit der Vergangenheit konfrontiert, als er den Anführer der Mörder nach einem Verkehrsunfall operieren muss.
Filmsequenz - im Krankenhaus
"Ich hatte tatsächlich gehofft, dass jemand wie du sich ändern kann und sei ´s erst, wenn er stirbt. Aber Abschaum bleibt Abschaum!"
"Und Feigling bleibt Feigling. Sag mal, warum hast du eigentlich nichts getan, um deinem Freund zu helfen? Das macht dich fertig. Nicht ich bin dein Problem, sondern du selbst. Du willst sehen, dass ich Reue zeige, damit du dich besser fühlst."
Haris, der muslimische Kioskbetreiber ist nach Halle gezogen. Er ist dort mit einer Deutschen verheiratet und hat zwei Töchter. Als Markos ehemalige Freundin vor ihrem gewalttätigen Ehemann Schutz sucht, setzt er nicht nur den Frieden seiner Familie aufs Spiel, um ihr zu helfen. Wie in einer griechischen Tragödie sieht er sich plötzlich wieder mit der brutalen Gewalt konfrontiert, vor der er eigentlich nach Deutschland geflohen ist. Zwölf Jahre nachdem Marko ihn gerettet hat, riskiert er selbst sein Leben, um der jungen Frau zur Flucht zu verhelfen.
Wahre Begebenheit
Die Handlung des Films beruht auf einer wahren Begebenheit. Im Januar 1993 wurde auf dem Marktplatz von Trebinje ein serbischer Soldat von seinen Kameraden umgebracht, weil er einen bosnischen Nachbarn vor ihnen gerettet hatte. Der 43 jährige Regisseur Srdan Golubovic widmet seine Arbeit all denen, die sich im Krieg trotz Lebensgefahr für die Menschlichkeit einsetzten.
Srdan Golubovic: "Es geht in diesem Film darum, wie die Vergangenheit unser jetziges Leben, aber auch unsere Zukunft beeinflussen kann. Zwanzig Jahre danach spüren wir immer noch die Schatten des Krieges. Das gilt für unsere gesamte Generation im ehemaligen Jugoslawien. Der Krieg hat unser ganzes Leben beeinflusst und wir brauchen immer noch Zeit um uns davon zu befreien."
In eng miteinander verwobenen parallelen Episoden gelingt es dem Film, eine dichte psychologische Spannung von Anfang bis Ende aufrechtzuerhalten. Auch wenn die Protagonisten in Belgrad oder Halle leben, sind sie immer wieder mit der Erinnerung an imposante karge südbosnische Gebirgslandschaft konfrontiert. Am Ende hat Markos Tat und sein Tod die Protagonisten verändert. Krugovi erzählt von der Aufarbeitung belastender Erinnerungen ist aber auch ein brillanter Film über Mut zur Menschlichkeit und Zivilcourage.
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