Balbina Jagielska

Eine Frau wie eine Fabelfigur

Die Sängerin Balbina im Foyer des Deutschlandfunks
Die Sängerin Balbina: Zur Show gehört ein ausgefeiltes Outfit - und Nervosität. © Deutschlandradio / Ellen Wilke
Von Jutta Petermann  · 11.05.2015
Mit Herbert Grönemeyer geht sie auf Tour, und auch sonst wird viel über sie gesprochen: Die Berliner Popmusikerin Balbina steht für Deutsch-Pop mit poetischen Texten, einen ungewöhnlich intonierten Gesang und für eine außergewöhnliche Optik.
"Ist es dir zu laut Balbina, sollen wir ein bisschen leiser spielen (lacht)? Mir ist grundsätzlich eure Musik immer zu laut und meine Stimme immer zu leise, probieren wir mal die Stimme lauter zu machen."
Gelöste Stimmung im dunklen, engen Studio. Es ist vollgestopft mit einem braunen, abgewetzten Piano, zwei Synthezisern, einem Schlagzeug, verschiedenen Instrumente-Kästen, Kabeln und Laptops.

Der Raum befindet sich im verlassenen Funkhaus in der Nalepastraße in Berlin-Oberschöneweide. Bis 1990 war hier der Rundfunk der DDR zuhause, heute sind die alten Studios Probenräume oder Ateliers. Nico Rebscher, mit kurzer aschblonder Stoppelfrisur und Stoppelbart, sitzt an einem der Syntheziser, mit dem rechten Fuß spielt er zusätzlich auf einer elektronischen Orgel, die auf dem mit alten Teppichen gedämmten Boden liegt. Gemeinsam mit Rebscher komponiert Balbina ihre Songs, jetzt ist er der musikalische Kopf für ihre Tour. Beiläufig erwähnt er den letzten Probentag am 11. Mai.
"Ich sach' immer Samstag dabei ist es Montag, der elfte, Oh Gott, der Elfte (kreisch,lachen) – der Elfte ist einen Tag vorm Zwölften. Ich hab' echt stoßweise so krasse Angst davor. Das Ding ist, man weiß das. Aber eine Woche vorher ist es dann so, es findet halt wirklich statt. Und du probst hier und dann probst du nicht mehr und bist auf der Bühne."
Balbina, Multinstrumentalist Nico, sein Bruder Tobi an der Gitarre und Schlagzeuger Benedict proben nur drei Tage. Es ist kaum mehr Zeit, die letzten Wochen waren extrem eng getaktet, vor allem ein Unfall im letzten Dezember hat den Zeitplan zur Tour hin um sechs Wochen verkürzt.
"Ich war beim Videodreh, komischerweise hatte das nicht mit dem Dreh zu tun, in der Küche hat sich 'nen Schrank gelöst, wo ein Herd drauf stand, der hat mich im Gesicht getroffen, dreifacher Nasenbruch, das Knie tut noch ein bisschen weh, aber das ist die kleinere Baustelle."
...erzählt Balbina Ende Januar auf der Berliner Fashion Week. Sie singt trotzdem schon wieder, die Blutergüsse unter den Augen dick überschminkt.
"Ich heiße euch herzlich willkommen bei der wunderschönen Fashion Show von meinem guten Freund Julian Ziegerli, ich hoffe euch gefällt's, ich spiel euch noch ein kleines Lied das Kuckuck heißt, und dabei könnt ihr noch mal die schönen Sachen, die er gemacht euch angucken."
Lange hat sie in einer Modekette Klamotten verkauft
Kuckuck, ein Lied über die äußere Hülle von Menschen und was dahinter ist – und ob überhaupt was dahinter ist. Auf einer Fashion Show hat das seine eigene Ironie. Ein Termin, den sich Balbina trotz ihrer Blessuren nicht entgehen lässt. Mit dem Designer Julian Ziegerli hat sie lange Zeit Klamotten verkauft im Laden einer großen Modekette. Ein Brot-Job, der ihr das Geld für Miete und sonstige Ausgaben einbringt. Was übrig bleibt, steckt sie in ihre Musik und Videos. Von der Plattenfirma hat sich Balbina inzwischen ein kleines Budget erkämpft, über das sie frei verfügen kann. Alle szenischen Ideen für die Videos stammen von ihr, sie sucht die Drehorte aus, stellt ihr Team selbst zusammen. Es ist März, ein Videoproduktionsstudio, zweiter Hinterhof in der Lausitzer Straße in Kreuzberg.

"Ja hier ist auch noch ein Loch... die in der Mitte sind wichtig... warte..."
Eli und Phillip, Balbinas rechte und linke Hand beim Dreh zum Song „Goldfisch", wickeln Alufolie um die Streben eines schwarzen Regenschirms. Das Video arbeitet mit Assoziationen zum Element Wasser. Vor einer hellblau gestrichenen Wand liegen drei Dutzend aufgespannte schwarze Regenschirme. In den Schirm, den Balbina im Video in der Hand hält, ist eine Lampe eingebaut. Kameramann Moritz braucht noch ein paar Infos.

"Was für Szenarien haben wir mit offenem Schirm? / Mit offenem, mit geschlossenem Schirm dann Schirm aufspannen. / Wenn der Schirm offen ist, leuchtet der dann??/Der leuchtet erst nicht und dann geht er plötzlich dann an. Wir haben halt die Gefahr, dass Du Dir nen krassen Gesichtsschatten machst, weil das Licht von da oben kommt...müssen wir gleich mal gucken..."
Balbina muss nochmal nachgeschminkt und frisiert werden, und ihr schlichtes, weißes zu den Seiten stark ausgestelltes Kostüm aus Neopren wirft Falten, wo sie die Designerin Susann Bosslau nicht haben will. Also rückt sie Balbina mit einer Art Bügeleisen, aus dem heißer Wasserdampf kommt, zu Leibe.
"Balbina kannst du mithalten, noch weiter über den Kopf wahrscheinlich, es könnte heiß werden, ja es ist heiß, Scheiß (lacht). Jetzt mach' schnell, nee nee wir müssen das anders machen. Ich leg dir noch was drunter.
Stundenlanges vorbereiten, rumzupfen und nachschminken, dann kann endlich gedreht werden. Balbina legt großen Wert darauf, ihre Texte auch visuell auszudrücken. Die Kostüme spielen dabei eine erhebliche Rolle. Susann entwirft sie, ihr Atelier ist ebenfalls in dem alten Rundfunkgebäude in der Nalepatsraße, nur einige Türen entfernt vom Probenraum.
"Es hat ja eigentlich begonnen unsere Zusammenarbeit mit dem Song 'Nichtstun', da gibt’s diese Textstelle 'Ich zähl die Polka-Dots auf meinem Glockenrock' - und ich glaub', das war der Startschuss generell für diesen Glockenrock. Ja, meine Vision war dann in dem Fall das ich sie so sehe wie eine Fabelfigur, in schönen silhouettenhaften Kleidern, die gerne ein bisschen japanisch aussehen, ich liebe Japan und das sieht man auch so ein bisschen in den Klamotten."
Susann greift nach einer weiten, hellblauen Neopren-Bluse mit Melonenhälften drauf.
"Ich hab' überlegt, für die Tour sollen wir ein paar Videooutfits mitnehmen, haben wir ja eh schon drin für Gigs, aber wäre es dir zu viel, wenn wir sagen du würdest einmal das Melonending anziehen, also nicht das komplette Ding, weil das wird zu warm. Ich glaub', ich will da 'ne Mischung machen mit Oberteil relativ heftig und 'ne recht normale Hose, weil ich befürchte, dass das 'nen bisschen warm wird einfach, vor allem die Shows im Juni draußen, ich tret‘ ja relativ früh auf, weil der Voract ja so gegen 19 Uhr ist.
Ach ja, die Konzerte.
Ihre Nervosität kann sich Balbina leider nicht beim Einpacken der Instrumente abreagieren, die jetzt nach Chemnitz transportiert werden müssen. Denn im Probenraum darf Balbina außer singen gar nichts machen oder gar anfassen.
"Nico meint immer ich roll die Kabel falsch ein, wie auch immer das gehen soll, ey."
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