Baiersdorf

Eine jüdische Gemeinde in Franken

Die Nachbildung eines neunarmigen Chanukkaleuchters schmückt die Wand in der Talmud-Tora-Realschule in Hamburg
Die Nachbildung eines neunarmigen Chanukkaleuchters. © dpa / picture alliance / Jens Ressing
Von Thomas Senne · 24.07.2015
Nicht nur in deutschen Einrichtungen finden sich Unterlagen zu Baiersdorfer Juden, sondern in der ganzen Welt: in New York und Jerusalem ebenso wie in Frankreich. Einst gab es dort eine Barocksynagoge, eine Talmudschule und ein Rabbinerhaus.
Baiersdorf ist eine kleine Kommune in Franken, die zwischen Nürnberg und Bamberg liegt. Dass Baiersdorf in der jüdischen Geschichte Bayerns einst eine wichtige Rolle gespielt hat, belegt jetzt eine Schrift, die der Baiersdorfer Heimatforscher Horst Gemeinhardt herausgegeben hat: das Resultat einer gründlichen Spurensuche, die der Autor vor Ort und in historischen Archiven unternommen hat. Thomas Senne hat sich mit dem Forscher unterhalten und ihn auf einer Tour durchs jüdische Baiersdorf begleitet.

Heute steht auf dem Areal eine architektonisch wenig ansprechende Sparkasse. Einst aber befanden sich hier eine Barocksynagoge, eine Talmudschule und ein Rabbinerhaus, schlug mitten im Ort das Herz der jüdischen Gemeinde von Baiersdorf. Nur der etwas versteckte Friedhof und diverse Gedenktafeln erinnern heute im Zentrum noch an die frühere Existenz und Bedeutung der längst erloschenen Kultusgemeinde von Baiersdorf.
Ein Landrabbinat seit 1611
"In Franken ist es natürlich schon einer der wichtigsten und zentralsten Orte. Sicher nicht von der Bedeutung wie das etwa Fürth wäre oder wie es die großen Judengemeinden in Würzburg und Bamberg oder dann – seit dem 19. Jahrhundert – in Nürnberg werden, aber mit den entsprechenden bescheideneren Verhältnissen muss man halt immer wieder drauf zurückkommen, dass das Landrabbinat in Baiersdorf seit 1611 existierte und zwar für das gesamte Markgrafentum Bayreuth."
... sagt Horst Gemeinhardt und erzählt, dass vom jüdischen Baiersdorf lange Zeit für viele fränkische Kommunen die rechtlich-religiöse Gewalt ausging.
Anlass für den Heimatforscher und Stadtführer, sich einmal genauer mit der jüdischen Geschichte dieses Ortes zu beschäftigen, die bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht. In seiner Publikation "Baiersdorfer Wurzelwerk" nimmt der Autor den Leser mit auf eine gut recherchierte Entdeckungsreise, stellt anhand zahlreicher Dokumente Rabbiner und Gelehrte vor oder erinnert an bedeutende Juden wie Glückel von Hameln.
Im deutschen Sprachraum war sie die erste Jüdin, die eine Autobiographie verfasst hat. Ihr Sohn, Moses Hameln, wurde im 18. Jahrhundert Baiersdorfer Landrabbiner und heiratete in der dortigen Synagoge die Tochter des Bayreuther Hoffaktors Samson Salomon., der das Gotteshaus gestiftet hatte:
"Ich will schlicht und einfach die Erinnerung wach halten, dass es hier also eine bedeutende jüdische Gemeinde gegeben hat, wo wichtige Leute jüdischer Herkunft gearbeitet haben, aus ihr hervorgegangen sind, aber dass es also auf weite Strecken auch ein vergleichsweise gutes Auskommen zwischen Juden und Christen gegeben hat... Übrigens mal ein kurzer Blick hier hinter: Sie sehen da ne schwarz-goldene Ehrentafel. Das ist ne Ehrentafel für die Gebrüder Gerngroß, die große Stifter in Nürnberg und in Baiersdorf waren, in Baiersdorf und in Nürnberg Ehrenbürger."
Der jüdischen Vergangenheit auf der Spur
Aber nicht nur in der Umgebung der "Judengasse", sondern vor allem auf dem israelitischen Friedhof, dem "Guten Ort", finden sich noch etliche Spuren der jüdischen Vergangenheit. Die Inschriften der alten Gräber werden jetzt von der Universität Bamberg näher untersucht. Die Ausrichtung der verwitterten Steine ist absolut ungewöhnlich: Sie weist nach Westen ...
"... also ganz unjüdisch, denn die sind ja sonst nach Osten, nach Jerusalem, ausgerichtet. In Baiersdorf waren sie ausgerichtet auf die Synagoge, genauer gesagt: auf das runde Ostfenster, das Misrach-Fenster der Synagoge."
Rund 100 Seiten ist die jetzt erschienene Broschüre zur jüdischen Geschichte Baiersdorfs stark. Erwähnt werden Stifterfamilien wie die Seligmann, die einen bis heute bestehenden, überkonfessionellen Kindergarten ins Leben riefen, erzählt wird aber auch von dem in den 1830er-Jahren einsetzenden Abwanderungsprozess und dem damit einhergehenden allmählichen Bedeutungsverlust der jüdischen Gemeinde; auch die Shoa wird nicht ausgeklammert: eine Schrift, der Horst Gemeinhardt gerne weitere folgen lassen möchte. Material dazu besitzt er jedenfalls genug.

Die Broschüre "Baiersdorfer Wurzelwerk: Spurensuche zur jüdischen Geschichte Baiersdorfs" von Horst Gemeinhardt kostet 11 Euro und kann bei der Stadt Baiersdorf unter der Telefonnummer 09133 /77 90 13 bestellt werden.

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