Bahnstreik

Die Schuld der Politik

Ein DB-Mitarbeiter steht an einem leeren Bahngleis im Hauptbahnhof in Stuttgart - als Folge des GDL-Streiks.
Ein DB-Mitarbeiter steht an einem leeren Bahngleis im Hauptbahnhof in Stuttgart - als Folge des GDL-Streiks. © dpa / picture alliance / Wolfram Kastl
Von Theo Geers · 19.05.2015
Die GDL – die Buhmänner der Nation? Kommentator Theo Geers sieht das anders: Bei der Lokführergewerkschaft geht es schlicht um Sein oder Nichtsein. Und dass die Situation derart verfahren sei, sei auch Schuld der Politik, die den Streit aus lauter Hilflosigkeit auch noch befeuere.
Auch Politiker kann schon mal das Gefühl der Hilflosigkeit beschleichen. Aber so hilflos wie beim Tarifkonflikt zwischen der GDL und der Bahn sieht man Politiker selten. Gewählt um zu entscheiden und zu gestalten sind den Entscheidern und Gestaltern beim Lokführerstreik die Hände gebunden. Die Tarifautonomie gebietet Zurückhaltung und im engen Rahmen dessen, was überhaupt zulässig ist, treibt die Hilflosigkeit nun höchst zweifelhafte Blüten.
Erst bringt diese Koalition ein Tarifeinheitsgesetz auf den Weg, von dem niemand sicher sagen kann, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist oder nicht. Nun setzen Koalitionspolitiker noch eins drauf und rufen unter dem Eindruck von Streiks bei der Bahn nach Schlichtung, nach Fristen für die Ankündigung von Streiks oder gar nach verpflichtenden Schlichtungsverfahren. All dies könne eingeführt werden in besonders sensiblen Bereichen der Daseinsvorsorge und der Infrastruktur, also auch bei der Bahn.
Käme es so, würde jede Gewerkschaft in ihren Möglichkeiten massiv beschnitten, Forderungen notfalls auch per Streik durchzusetzen. Schon das zeigt, auf welchem dünnen verfassungsrechtlichen Eis sich solche Vorschläge bewegen.
Die Logik der Privatisierungen
Aber auch politisch ist vieles von dem nur der verzweifelte Versuch, Geister, die einst gerufen wurden, als Bahn oder Post privatisiert wurden, wieder in die Flasche zurückbekommen. Geschichte jedoch lässt sich nicht rückabwickeln. Post oder Bahn sind einst von der Politik aus guten Gründen privatisiert worden. Dazu gehörte dann auch, dass beamtete Lokführer zum Auslaufmodell wurden und neue Lokführer seitdem Angestellte sind. Die aber dürfen streiken. Sie dürfen auch eine eigene Gewerkschaft gründen oder, wie es mit der GDL passierte, wieder beleben. Das alles gehört zur Logik von Privatisierungen dazu.
Dementsprechend kann nun einer Gewerkschaft wie der GDL nicht ihre Existenzgrundlage geraubt werden. Genau das betreibt aber die Große Koalition mit dem Tarifeinheitsgesetz oder nimmt es zumindest billigend in Kauf, wenn in einem Unternehmen künftig nur noch der Tarifvertrag der mitgliederstärksten Gewerkschaft gelten soll. Damit gießt die Koalition im aktuellen Konflikt bei der Bahn nur Öl ins Feuer. Denn so wie das Gesetz gestrickt ist, wird es das Aus für kleine Spartengewerkschaften wie die GDL herbeiführen.
Für die GDL geht es schlicht um Sein oder Nichtsein, hier liegt der Grund für die kompromisslose Haltung gegenüber der Bahn. Am Freitag nun will die Große Koalition eben dieses Tarifeinheitsgesetz durch den Bundestag bringen. Es klingt vermessen, aber wenn die Politik wirklich einen Beitrag leisten wollte zur Entschärfung des Tarifkonflikts bei der Bahn, dann wäre es wohl das Beste, dieses Gesetz nicht zu verabschieden, statt dessen Wettbewerb um die besten Tarifverträge zwischen Gewerkschaften zuzulassen und - auch wenn sie nerven - Streiks ab und an auch einfach mal abzuwettern.
Mehr zum Thema