Bahnchef Mehdorn gibt auf - weist aber alle Vorwürfe zurück

Von Martin Steinhage, Hauptstadtstudio Deutschlandradio · 30.03.2009
Hartmut Mehdorn ist sich bis zum Schluss treu geblieben: Statt, wie vom Kanzleramt gewünscht, bei der heutigen Bilanzpressekonferenz der Bahn ohne Umschweife seinen Hut zu nehmen, bot der 66-Jährige lediglich seinen Rücktritt an. Was den Regierungssprecher buchstäblich sprachlos machte, hatte der doch nur einen Sprechzettel vorbereitet, auf dem die Merkel-Regierung den Abgang Mehdorns begrüßte.
Als dann des Bahnchefs letzte Widerborstigkeit bekannt wurde, war die Bundesregierung ein allerletztes Mal in Sachen Bahn auf dem falschen Fuß erwischt worden. Was aber nichts mehr daran ändert, dass die Ära Mehdorn zu Ende ist.

Gescheitert ist der gebürtige Berliner letztendlich an der Schnüffelaffäre bei der Bahn - an dem Vorwurf, das Unternehmen habe über Jahre hinweg Mitarbeiterdaten abgeglichen und Zigtausende E-Mails kontrolliert. Ob und inwieweit die Bahn-Verantwortlichen hier tatsächlich gegen Gesetze verstoßen haben, ist indes noch unklar. Mehdorn jedenfalls wollte auch heute allenfalls kleine Sünden seiner Mitarbeiter einräumen. Mit seinem Rückzug wolle er lediglich die Aufklärung der Vorgänge erleichtern.

Schiffbruch erlitten hat Mehdorn freilich auch durch sein Image, das er sich über lange Jahre geradezu lustvoll erkämpft hat: Uneinsichtig, stur und rücksichtslos - Eigenschaften, auf die er vermutlich stolz ist. Nur sind diese Attribute denkbar ungeeignet, um von der Spitze aus glaubwürdig gegen mögliche Missstände im eigenen Unternehmen vorzugehen. Einmal ganz abgesehen von der Frage einer eigenen Verstrickung, die ohne seinen Abgang weiter wie ein Damoklesschwert über Mehdorn geschwebt hätte.

Bundeskanzlerin Merkel hat also gerade noch rechtzeitig die Notbremse gezogen. Hätte die Regierungschefin Mehdorn an der Spitze der Bahn weitermachen lassen, wäre die große Koalition selbst aufs Abstellgleis geraten - soll heißen: Schon um Schaden von sich selbst abzuwenden, musste Angela Merkel zum Rückzug drängen. Die Datenaffäre des Staatskonzerns - sowie die berechtigte Sorge, dass da noch mehr nachkommt - hätten für die Kanzlerin wie für das gesamte schwarz-rote Bündnis eine schwere Hypothek im Wahlkampf werden können.

In seiner fast eine Dekade währenden Zeit als Bahnchef war Hartmut Mehdorn freilich alles andere als eine "Niete in Nadelstreifen" - hat er doch eine Menge geleistet: Unter seiner Führung ist aus dem verschnarchten und hoch defizitären Staatsbetrieb ein modernes und profitables Unternehmen geworden. Die wieder einmal guten Zahlen, die Mehdorn zum Abschied vorgelegt hat, hätten ihm unter anderen Umständen viel Lob eingebracht.

Dass Mehdorn sein Hauptziel nicht erreichen konnte - nämlich die Bahn an die Börse zu bringen -, daran trug der Vorstandsvorsitzende die geringste Schuld. Er hat seinen Laden attraktiv gemacht für Investoren, doch die Umstände standen bis zuletzt gegen einen Börsengang.

Unabhängig von der Frage, ob Mehdorn selbst nun Schuld im juristischen Sinne auf sich geladen hat: Vor dem Hintergrund seiner unstrittigen Verdienste umweht sein unrühmlicher Abgang doch eine gewisse Tragik.