Bahn-Streik der GDL

Zurück an den Verhandlungstisch!

Luftaufnahme mehrerer roter Regionalzüge der Deutschen Bahn.
Wegen des Lokführerstreiks bleiben viele Regionalzüge der Deutschen Bahn stehen, vor allem in Ostdeutschland. © dpa / Jens Wolf
Von Burkhard Birke  · 08.11.2014
Das Streikrecht und die Tarifpluralität sind hohe Güter, für die es sich auch zu kämpfen lohnt. Genau das tue die Gewerkschaft GdL mit all den für die Reisenden so unangenehmen Folgen, meint Burkhard Birke.
Schluss mit dem "bahnsinnigen" Schwarzen-Peter-Spiel und zurück an den Verhandlungstisch! Es ist höchste Zeit, dass die Vernunft wieder die Gemüter der Tarifpartner und der Politik regiert. Es wird Zeit, bei dieser Auseinandersetzung auch verbal abzurüsten und die Weichen für eine Tarifeinigung zu stellen.
Erste Zeichen der Ermutigung gibt es: Nach der gerichtlichen Bestätigung der Verhältnismäßigkeit des Ausstandes soll dieser nun verkürzt werden.
Sicher auch, weil die Verärgerung über die kleine Gewerkschaft der Lokführer, GdL, wächst, die Solidarität schrumpft. Erneut mehrere Tage Streik kosten die Reisenden Nerven und die Wirtschaft Millionen. Und gerade am 25. Jahrestag der Einheit die Idee eines grenzenlosen Bahnverkehrs in die und in der Hauptstadt durch ausfallende Züge zu torpedieren empfanden viele als Frechheit. Nun hatte die GdL ein kleines Einsehen.
Was wäre jedoch ein Streik, wenn er nicht wehtäte? Der Streik ist aus Gewerkschaftssicht die Ultima Ratio, Forderungen durchzusetzen. Die GdL kämpft für Tarifpluralität, will nicht nur für die zu 70 Prozent bei ihr organisierten Lokführer, sondern auch für die nur zu einem Drittel bei ihr beheimateten Zugbegleiter fünf Prozent höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen.
Die Bahn hat dies bisher strikt abgelehnt. Das Unternehmen will nur einen Tarifvertrag, und da erhält logischerweise die mitgliederstärkere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, EVG, bei den Zugbegleitern den Vorzug.
Vordergründig tobt ein Machtkampf zwischen Gewerkschaften
Es tobt vordergründig ein Machtkampf zwischen zwei Gewerkschaften, im Kern geht es jedoch um Tarifpluralität, um die Frage letztendlich, ob in einem Betrieb praktisch nur eine Gewerkschaft das Sagen hat oder ob mehrere zum Zuge kommen.
Ein höchstrichterlicher Spruch hat da keine Zweifel gelassen: An der Tarifpluralität darf nicht gerüttelt werden! Genau das will nun aber die Politik.
Ausgerechnet eine sozialdemokratische Arbeitsministerin schickt sich auch im Lichte der Pilotenstreiks an, die Tarifeinheit in Betrieben verbindlich vorzuschreiben. Ist das Klientelpolitik für die mächtigen DGB Gewerkschaften, die dann wohl allein das Sagen in den Betrieben hätten?
Haben wir nicht in einem Teil Deutschlands mit Einheitsgewerkschaften genug schlechte Erfahrungen gemacht? Wollen wir closed shops wie im England der Vor-Thatcher Zeit, wo nur Angehörige bestimmter Gewerkschaften in bestimmten Betrieben beschäftigt werden durften?
Es lohnt sich, für Tarifpluralität zu kämpfen
Nein! Tarifpluralität und das Streikrecht sind hohe Güter, für die es sich auch zu kämpfen lohnt. Genau das tut die GdL mit all den für uns alle so unangenehmen Folgen. Die GdL hat dabei – zumindest nach Auffassung der Gerichte – auch verhältnismäßig agiert. Bisher – möchte ich anfügen, denn allmählich nähern wir uns auf der ganzen Linie einer Grenze untragbarer Eskalation – übrigens auch in der Wortwahl.
Es ist höchste Zeit abzurüsten, verbal wie inhaltlich. Nach der Verkürzung des Streiks durch die GdL, sollte die Bahn ihrerseits Entgegenkommen zeigen und nicht von Vorneherein auf einem einzigen Tarifvertrag bestehen. Der könnte und sollte, muss aber nicht um jeden Preis am Ende von parallel mit EVG und GdL geführten Verhandlungen stehen.
Dazu braucht man Verhandlungsgeschick und Einfühlungsvermögen: Genau das fehlt offenbar beiden Tarifpartnern. Am Ende wird es deshalb wohl ein Schlichter richten müssen, sollen Bahn, Wirtschaft und Reisende nicht noch weiter geschädigt werden. Übrigens rächt es sich heute, dass man so auf Privatisierung gesetzt hat: Wären alle Lokführer noch Beamte, dürften sie nicht streiken.
Der Daseinsfürsorge wäre Rechnung getragen. Das freilich ist Schnee von gestern, der Streik ist die Realität von heute und da sei zum Trost nur gesagt: Mit 16 Streiktagen pro 1000 Beschäftigte im Schnitt der letzten Jahre liegen wir in Deutschland ganz weit hinten: In Frankreich und Spanien wird zehn Mal so häufig gestreikt. Ein zugegeben schwacher Trost, wenn Sie gerade in der Kälte am Bahnsteig stehen und der Zug nicht kommt.
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