Bäume als Kohlendioxidspeicher

Moderation: Holger Hettinger · 28.07.2008
Der Greifswalder Biochemiker Fritz Scholz hat einen Weg gefunden, wie man möglichst preisgünstig Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden und einlagern kann. Er schlägt vor, möglichst schnell wachsende Bäume in großer Zahl zu pflanzen. Diese nehmen dann das C02 auf, werden ab einem bestimmten Alter geschlagen und das Holz luftdicht abgeschlossen gelagert. So werde CO2 für lange Zeit gebunden.
Holger Hettinger: Und genau darüber wollen wir nun reden mit dem Erfinder dieses Verfahrens. Fritz Scholz ist Professor für analytische Chemie und Umweltchemie am Institut für Biochemie der Universität Greifswald. Schönen guten Tag.

Fritz Scholz: Guten Tag.

Hettinger: Herr Scholz, erklären Sie doch mal ganz kurz einer Biologieniete wie mir: Wieso wird CO2 gespart, wenn man Bäume anpflanzt, die man dann schlägt und irgendwo einlagert?

Scholz: Ja, in den grünen Blättern der Bäume läuft die Photosynthese ab und dabei wird CO2 aufgenommen. Dieses CO2 wird reduziert im chemischen Sinne und daraus wird Holz gebildet, hauptsächlich Zellulose und Lignin. Und dadurch kommt es zustande, dass aus 1,8 Tonnen Kohlendioxid eine Tonne Holz wird, das heißt, das ist ein sehr günstiges Verhältnis und macht aus viel Kohlendioxid eine relativ kleinere Menge Holz.

Hettinger: Nun sagen Sie in diesem Verfahren, man nimmt schnell wachsende Bäume, damit dieser CO2-Spareffekt rasch eintritt und schlägt die dann jung. Wieso ausgerechnet junge Bäume? Warum entziehen die der Atmosphäre mehr CO2?

Scholz: Natürlich ist das so, dass bei jedem Baum eine Wachstumskurve auftritt. Das heißt, er wird zunächst in den ersten Jahren relativ wenig CO2 aufnehmen und dann, wenn das Wachstum sehr stark ist, sehr viel CO2. Wir schlagen aber keinesfalls vor, dass diese Bäume geschlagen werden, sondern es ist möglich, dieses Holz periodisch zu ernten, das heißt, die Äste praktisch abschneiden und auf diese Weise eine sehr große Holzmenge gewinnen, in der dieses CO2 festgelegt ist.

Hettinger: Aber wenn diese Bäume verrotten, dann wird doch dieses CO2 wieder freigesetzt.

Scholz: Genau, das ist das Problem, das man bisher natürlich hatte, dass das Kohlendioxid beim Verrotten oder beim Verbrennen des Holzes wieder freigesetzt wird. Nur wenn man dieses Holz anaerob, das heißt unter Luftausschluss, ablagert, dann wird man dieses Holz für tausende von Jahre, ja im Prinzip für Millionen Jahre, festlegen.

Das ist sehr einfach möglich in Tagebauen, wo man sich beispielsweise bei dem Braunkohlentagebau das so vorstellen muss, dass auf der einen Seite die Braunkohle abgebaut wird, auf der anderen Seite wird der Abraum wieder abgelagert und man wüsste weiter nichts tun, als dieses geerntete Holz in der untersten Schicht einlagern, mit Abraum bedecken und dann sind alle Bedingungen erfüllt, damit dieses Holz auf praktisch wirklich unbegrenzte Zeit dort festgelegt ist.

Hettinger: Und es genügt wirklich, da ein bisschen Abraum, also Sand, Geröll, Schotter, da drauf zu tun, damit dieser Prozess unter Sauerstoffausschluss funktioniert?

Scholz: Ja, die Tiefen solcher Tagebaue sind ja relativ groß. Man muss mindestens mit 50 Meter, 100 Meter, vielleicht sogar mehreren 100 Metern rechnen und unter diesen Bedingungen stellen sich sehr, sehr schnell anaerobe Verhältnisse ein, der Sauerstoff wird vollständig verbraucht ganz schnell und dann bleibt das Holz unendlich lange erhalten.

Hettinger: Um jetzt den nennenswerten Maßstab CO2 durch diese Bäume zu binden, benötigt man ja ausgedehnte Anbauflächen und die sind ja rar und teuer in Deutschland. Wo sollen die herkommen?

Scholz: Ja, selbst Deutschland hat natürlich sehr große Brachlandflächen. Wir haben eine Millionen Hektar Brachland in Deutschland. Das würde schon alleine ausreichen, um etwa 18 bis 36 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich zu binden. Das ist eine sehr, sehr große Menge.

Wenn man die Absicht hätte, das gesamte CO2, was jedes Jahr zusätzlich in der Atmosphäre verbleibt, zu binden, dann bräuchte man eine Fläche weltweit, die etwa einem Drittel der Fläche Brasiliens entspricht oder der zehnfachen Fläche Deutschlands. Das klingt erstmal sehr viel, wenn Sie das aber über den ganzen Erdball verteilen, ist das natürlich durchaus eine realistische Größe. Das wäre für das gesamte CO2, diese 15 Gigatonnen, die im Jahr also immer zusätzlich noch in der Atmosphäre bleiben. Aber uns wäre schon sehr, sehr geholfen, wenn man natürlich erst mal klein anfängt und kleinere Mengen bindet.

Hettinger: Das klingt eigentlich als Rechenmodel ganz verlockend, geradezu zwingend. Aber wenn ich mir das jetzt so in der Praxis vorstelle da erscheint doch das ein oder andere Aber. Also, diese geschlagenen Bäume, die sollen in Tagebauten, in Bergwerken eingelagert werden. Jetzt müssen ja diese Bäume erstmal zu den Bergwerken transportiert werden. Das kostet Energie, verursacht irgendwo auch CO2. Frisst das diesen CO2 Spareffekt nicht auf?

Scholz: Nein, keinesfalls. Das haben wir natürlich alles durchgerechnet. Man käme in Deutschland auf Preise von etwa 25 bis 50 Euro pro Tonne CO2. Das schließt alles ein. Baumanpflanzung, Baumpflege, Ernte, Transport, Einlagerung. Und wenn Sie also in andere Länder gehen würden, in tropische Länder, wo natürlich auch die Arbeitskosten wesentlich geringer sind, dann kann man sehr leicht ausrechnen, dass die Kosten so vielleicht bei fünf bis zehn Euro pro Tonne CO2 liegen. Das ist natürlich überhaupt gar kein Vergleich mit den Kosten, die da zum Beispiel in Ketzin anfallen. Sie wissen, da rechnet man mit etwa fast 600 Euro pro Tonne CO2. Und ...

Hettinger: Da habe ich einige andere Zahlen. Also, Ketzin ist ja einfach nur so ein Pilotprojekt, da versucht man mal, probiert mal, geht das überhaupt und wenn das ganze in Großtechnologie, also in großem Rahmen, durchgeführt wird, dann wird es ja auch billiger, oder?

Scholz: Ja, es wird sicher preiswerter werden. Aber nicht so preiswert, niemals so preiswert, wie der Vorschlag von uns. Und ich möchte zu dem Verpressen des CO2s noch eine Anmerkung machen: Das ist ein Prozess mit sehr, sehr vielen unkalkulierbaren Risiken. Sie haben selbst gesagt, Ketzin ist erstmal ein Pilotprojekt, allgemein wird von allen ernstzunehmenden Wissenschaftlern eingeschätzt, dass die Gefahren, die damit verbunden sind, sehr groß sind, für heute überhaupt noch nicht überschaubar sind, das heißt, worauf man sich dort einlässt, ist meines Erachtens nicht akzeptabel.

Wir wissen auch heute schon, dass dieses CO2 dort unten nicht bleiben wird. Man muss damit rechnen, dass jährlich fünf bis zehn Prozent wieder zurück in die Atmosphäre kommen. Na, was haben Sie damit erreicht? Mit sehr, sehr viel Kosten haben Sie dann CO2 verpresst und Sie bekommen es wieder. Selbst wenn nichts passiert, ist der Effekt kalkulierbar sehr gering.

Hettinger: Ich habe jetzt auch noch mal nachgeschaut, weil es hat mich natürlich auch interessiert, wie funktioniert das mit dieser Verpressung. Und da gibt es jetzt Zahlen beispielsweise, die IPCC, das ist dieser zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderung, also schon eine relativ offizielle Institution, die hat gesagt, die Sicherheit einer sorgfältig ausgesuchten und ordnungsgemäß verwalteten Lagerstätte beträgt wahrscheinlich über 99 Prozent über 1000 Jahre. Also das klingt doch sehr, sehr sicher.

Scholz: Ja, das ist sehr optimistisch. Aber Sie können mir glauben, es gibt sehr viele wirklich ernstzunehmende Wissenschaftler, die das Risiko wesentlich größer einschätzen. Das ist einfach im Moment wirklich noch nicht abschätzbar. Und man lässt sich dort auf einen Weg ein zurzeit, der sehr risikoreich ist.

Vergleichen Sie es einfach mit beerdigtem Holz, mit vergrabenem Holz in der Tiefe. Das ist absolut sicher. Da gehen überhaupt gar keine Gefahren von aus, über tausende, ja vielleicht sogar Millionen Jahre. Und, das finde ich, ist auch ein großer Vorteil unseres Vorschlages, Sie haben praktisch eine Sparbüchse dort. Dieses Holz, was dort vergraben wird, ist aufgespart für Zukunftsgenerationen. Vielleicht ist es in 100, 200 Jahren möglich, dieses Holz wesentlich effektiver zu nutzen, als zur Energiegewinnung und dann kann man diesen Rohstoff wieder nutzen. Das heißt, das ist also eine ökologisch wirklich in jeder Beziehung sehr sichere und positive Variante.
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