"Baaz" - die neue CD von Kofelgschroa

Musik als Rückzugsort

Die Mitglieder der Band "Kofelgschroa" stehen und hocken in einer alten Bushaltestelle
Mischen elektronische Sounds, Krautrock und bayerische Volkslieder: die Musiker der Band "Kofelgschroa" © Jonas Kraus / Trikont
Von Georg Gruber · 07.10.2016
Kofelgschroa, die vier Musiker aus Oberammergau, sind schon lange kein Insidertipp mehr. Mittlerweile haben sie eine Fangemeinde jenseits der bayerischen Landesgrenzen. Dabei spielen sie Volksmusik – im weitesten Sinne. Heute erscheint ihr drittes Album "Baaz".
Das Hotel Kovèl liegt mitten in Oberammergau. Ein historisches Gebäude, vor rund 100 Jahren war es das Gästehaus des Schriftstellers Josef Ruederer, dann lange vom Abriss bedroht. Die vier Musiker von Kofelgschroa konnten es von der Gemeinde mieten und eröffneten vor einem Jahr ihr eigenes kleines Kulturzentrum. Matthias Meichelböck:
"Die Gäste können halt unterschiedlichster Art sein, das können einfach Gäste sein oder von uns bekannte Musiker, die da herkommen können und eingeladen sind natürlich da eine Musik zu machen und sich aufzuhalten, für ein Wochenende oder bloß für eine Nacht."
50 bis 60 Gäste haben hier schon übernachtet, sagt er. Maxi Pongratz geht voraus, die Treppe hoch. Unterm Dach ist das einzige Zimmer des Hotels, spartanisch eingerichtet, gerade genug Platz für zwei Betten.
Maxi: "Das ist jetzt die Suite, weiße Wand, weiß gestrichen, ein schöner Ofen, grad recht für so einen kleinen Raum."
Matthias: "Schöner Holzboden, ja so im Altbaustil so ein bisschen, wie auf alt gemacht."
Maxi: "Das ist der Balkon, auf den Maxbräu gerichtet und auf den Kofel, hier kann man es aushalten."
Im ersten Stock haben sie ihren Proberaum – und Platz für die Instrumente. Auf Baaz, der neuen CD, ist erstmals eine elektronische Orgel zu hören:
Maxi: "Und das ist unsere Errungenschaft, das ist eine Philipps Orgel, Baujahr weiß ich jetzt nicht mehr, Matthias?"
Matthias: "63"
Maxi: "63, das ist eigentlich eine Hausorgel."
Matthias: "Heim"
Maxi: "Eine Heimorgel, ist ein Unterschied, ist aus der Zeit der Unterhaltungsmusik, also der Hausmusik entstanden."
Etwas ramponiert schaut sie aus, mit vielen Schaltern und Reglern.
"Das ist jetzt kein Designerstück, sondern das passt deswegen so gut zu uns, weil das auch ein bisschen was Kleinbürgerliches hat und nix protziges, die kann man sich leisten, und das hört man auch im Klang."
Die CD haben sie im Sommer in der Lobby des Hotels aufgenommen. Baaz, das titelgebende Stück, ist das auffälligste, klingt durch die Orgel schon anders, als man es von Kofelgschroa gewohnt ist – ohne vollständig aus dem Klangkosmos rauszufallen:
Matthias: "Es tut einfach gut im Ohr und einem selber mal was anderes zu machen, als das, was man immer spielt."
Maxi: "Weil Du bist immer so in der Volksmusikbesetzung drin, wenn du dich vor ein Keyboard setzt dann bin ich viel freier, als wie wenn ich Akkordeon spiele, weil Akkorden hab ich gelernt, oder man hat gelernt, wie man so in einer Tanzmusik zusammen spielt, aber wenn man gleich eine Stereo-Rockbesetzung nimmt, dann geht man ganz anders an eine Lied dran."
Matthias: "Das ist wie so ein genetischer Code irgendwie, der wo in einer anderen Besetzung drinnen liegt, kommt eine andere Musik raus."
Maxi: "Ja."
Fast neun Minuten geht das so, mäandert vor sich hin, live kann das noch Stunden so weiter gehen. Baaz – der Titel ist Programm:
Matthias: "Baaz beschreibt so einen Dreck, so einen Schlamm, aber beschreibt auch eine Konsistenz, ein Kartoffelpürree ist auch von der Konsistenz her baazig."
Maxi: "Die halbe Welt ist Baaz, Baaz ist abschreckend und eine Lust. Wenn es regnet, jetzt wird's ja wieder regnerisch, wenn man sich Gummistiefel anzieht und einfach raus geht, erfährt man glaube ich am besten, dass Baaz auch irgendwie eine Befreiung sein kann."
Auf den anderen Stücken wird weniger experimentiert, der Anspruch der Band war ja auch nicht, sich neu zu erfinden, sondern sich weiter zu entwickeln. Und das ist geglückt. Produziert hat die CD – wie die vorhergehenden auch – Micha Acher von The Notwist. Und so ist der Sound Gott sei dank immer noch rau und authentisch, mit Kanten und nicht glatt poliert.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
"Kofelgschroa" sind bayrische Jungs Mitte 20. Ihre Fanschar wächst stetig.© Südkino/Movienet
In den Texten geht es um die Liebe, die wie ein Bach ist und das Leben, das wie ein Loop ist, mit ständigen Wiederholungen. Die Erschütterungen der Welt, durch Krieg, Terror, Attentate und Amokläufe, Erschütterungen, die auch in Oberammergau zu spüren sein müssten, klingen in den Stücken nirgends an. Ganz bewusst:
Matthias: "Ich glaube, dass wir auch allergisch darauf sind, unsere Sicht auf die Dinge irgendwie nauszuposaunen, ich möchte das für mich nicht und da geht es uns als Band so: Es ist gut, und ok, wenn es Leute gibt, die das musikalisch verarbeiten, aber ich glaube, mir sind nicht die, die uns das anmaßen, groß unsere Meinung kundzutun. Ich glaub, die Probleme sind so verworren und undurchsichtig, dass man das nicht mit einfachen Antworten beantworten kann."
Maxi: "Ja, und über das Banale zu singen gibt ja auch den Menschen viel mehr Liebe, oder was weiß ich, oder viel mehr Gutmütigkeit, als wie wenn man sagt: bam bam bam so ist es, so ist es richtig. Das ist ja viel schöner, wenn man Träumermusik macht, wenn man was zu sagen hat, sollte man was sagen, kindliche Themen liegen uns viel mehr, und ich glaube da können wir viel mehr machen."
Musik als Zuflucht, als Rückzugsort - unterwegs auf dem Planeten Kofelgschroa.
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