Axel Honneth: "Die Idee des Sozialismus"

Die Rückkehr zur Freiheit

Von Michael Opitz  · 05.10.2015
Was ist aus den Idealen der Französischen Revolution geworden - aus Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit? In seinem Buch "Die Idee des Sozialismus" plädiert Axel Honneth dafür, sozialistische Vorstellungen neu zu beleben.
Als 1848 das von Karl Marx und Friedrich Engels verfasste "Kommunistische Manifest" erschien, mussten den Sozialismus nur die fürchten, die an Gespenster glaubten. Erst nach der siegreichen russischen Oktoberrevolution von 1917 fing er tatsächlich an, die Herrschenden zu ängstigen. Doch in seiner realsozialistischen ostdeutschen Variante verkam die sozialistische Idee zu einer Karikatur, sodass das Experiment 1989 vom Volk beendet wurde. Seither kräht kein Hahn mehr nach dem Sozialismus. Doch obwohl sich das kapitalistische Wirtschaftssystem – so Axel Honneth in seinem Buch "Die Idee des Sozialismus" – durchgesetzt hat, sind die Menschen dennoch empört über die "entfesselte Marktökonomie des Kapitalismus".
Rückkehr zum Traum von 1789
Axel Honneth plädiert nun in seinem Buch "Die Idee des Sozialismus" für eine Neubelebung des von der Französischen Revolution von 1789 geweckten Traums von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Für Unruhe in den Schaltstellen der Macht wird es aber eher nicht sorgen. Honneth unterbreitet zwar Vorschläge, wie es gelingen könnte, die sozialistische Idee wieder zu beleben, aber er ist auch Realist. Auf die Propagierung eines gesellschaftlichen Umsturzes laufen seine Vorschläge nicht hinaus. Durchsetzen könnte sich die sozialistische Idee nach Honneth erst in einer "demokratischen Öffentlichkeit".
Weltweit müsste es das Anliegen der Bürgerinnen und Bürger sein, die bestehenden "Blockaden bei der Verwirklichung eines zwanglosen Füreinanders in allen Gesellschaftssphären" abzubauen. Kunstvoll müssten alle Mitglieder im ökonomischen Bereich, in den persönlichen Beziehungen und in der demokratischen Willensbildung ungehindert ihre Bedürfnisse und Interessen artikulieren dürfen. Es müsste gelingen, dass sich diese drei Sphären der sozialen Freiheit zwanglos gegenseitig tragen und unterstützen. Nicht das Gegeneinander dürfte tragende Gesellschaftsidee sein, sondern ein die Interessen des Anderen mitreflektierendes Füreinander.
Die Bürde der sozialistischen Bewegung
Bevor Honneth im letzten seines insgesamt vier Kapitel umfassenden Buches auf mögliche "Wege der Erneuerung" zu sprechen kommt, beschreibt er zunächst die ursprüngliche Idee des Sozialismus, um dann den Gründen für das Scheitern dieser Idee nachzugehen. Schließlich wendet er sich konzeptuellen Ideen zu, erkundet, wie sich die veralteten sozialistischen Ideen wieder beleben ließen. Honneth geht es nicht um strategische Fragen der Tagespolitik, ihn interessiert vielmehr, wie das ursprüngliche Anliegen des Sozialismus reformuliert werden kann, damit er "zur Quelle politisch-ethischer Orientierungen werden könnte."
Für einen Kardinalfehler der Theoretiker des Sozialismus hält Honneth, dass sie sich nur für den Freiheitsbegriff im ökonomischen Bereich, nicht aber für den politischen Freiheitsbegriff interessierten. Bedeutung hatte für sie die Freiheitsidee allein in der Befreiung von den ökonomischen Fesseln. Aber wie sich die Individuen nach der ökonomischen Befreiung mit ihren subjektiven Vorstellungen in den gesellschaftlichen Aufbau einbringen könnten, wurde vernachlässigt. An dieser Bürde hatte die sozialistische Bewegung schwer zu tragen.
Honneth hat mit diesem spannenden, die Diskussion über den Sozialismus anregenden Buch eine Lunte gelegt. Man darf gespannt sein, welches theoretische Feuer sich daraus entwickelt.

Axel Honneth: "Die Idee des Sozialismus"
Suhrkamp Verlag, Berlin 2015
168 Seiten. 22,95 Euro

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