Axel Hacke: "Die Tage, die ich mit Gott verbrachte"

Gespräche mit Gott am Altglascontainer

Axel Hacke. Geboren in Braunschweig, lebt seit 40 Jahren in München.
"Warum ist die Welt kein besserer Ort?", fragt Kolumnist Axel Hacke in seinem neusten Hörbuch. © Deutschlandradio / Nicolas Hansen
Von Georg Gruber · 19.09.2016
Axel Hacke ist einer der Großmeister der Kolumne. Seit rund 25 Jahren veröffentlicht er im Magazin der "Süddeutschen Zeitung" seine kleinen Alltagsbeobachtungen. In seinem neuen Hörbuch geht es nun nicht - wie so oft - um die kleinen Dinge im Leben, sondern: um Gott und die Welt.
Die Grundstruktur der Geschichte ist einfach: Ein Ich-Erzähler, der Axel Hacke selbst sein könnte, weil Autor von Beruf und Familienvater, begegnet einem alten Mann, der ihm das Leben rettet. Es ist niemand anderes als Gott selbst. Die beiden treffen sich nun fast täglich, streifen durch München und unterhalten sich - über den Zustand der Welt, über Gottes Schöpfung und was aus ihr geworden ist. Und so tauchen auf: ein kleiner Büroelefant, eine rauchende Schlange, Menschen in Schubladen, eine übergroße Wespe, ein wunderschöner Schmetterling.

Begegnung mit einem machtlosen Gott

Schon ganz am Anfang, vor dem ersten Treffen mit Gott, verschiebt sich die Realität, als der Erzähler im Zug bemerkt, wie ihm sein eigenes Spiegelbild im Fenster davon fährt:
"Als ich mir selbst entgeistert hinterher sah, wie ich mit dem schnelleren Zug in der Nacht entschwand, und als ich gleichzeitig auch sehr erstaunt bemerkte, dass ich im selben Augenblick hinter mir selbst in dem langsameren Zug zurückblieb - da blieb nichts übrig, als mir selbst noch einmal mit einer kurzen Handbewegung zuzuwinken."
Axel Hacke füllt die Rolle des verwunderten Ich-Erzählers perfekt aus, sehr plastisch und präzise macht er das, auch die Dialogszenen klingen souverän.
Interessant ist die Geschichte aber vor allem deswegen, weil es im Kern um die eine große Frage geht, die viele Menschen immer wieder beschäftigt: Warum die Welt kein besserer Ort ist?
"Tage später traf ich Gott am Altglascontainer. Wieder war, wie oft in letzter Zeit, ein Attentat geschehen. Bestien waren in Blut gewatet. Sie hatten aus keinem anderen Grund getötet, als diesem: dass sie unsere Art zu leben hassten. Der müde Zug um Gottes Augen war an diesem Tag noch müder geworden. Er warf Champagnerflasche um Champagnerflasche in den Behälter. Nicht dass ich dächte, er besaufe sich jeden Abend, sagte er, andererseits, ehrlich gesagt: Er tue es doch, ein bisschen jedenfalls. Champagnertrinken, überhaupt Lebensgenuss, Barbesuche, Tanz, Gesang, seien geradezu Pflicht geworden, eine Demonstration gegen die Barbarei - da wolle er nicht abseits stehen."
Coverbild des Buchs "Die Tage, die ich mit Gott verbrachte" von Axel Hacke; Antje Kunstmann Verlag 2016, zwei CDs, 122 Minuten, 16,95 Euro
 
In Axel Hackes neustem Buch begegnet der Ich-Erzähler einem alten Mann: Gott.© Antje Kunstmann Verlag
Axel Hackes Gott ist nicht allmächtig. Was er erschaffen hat, kann er nicht mehr rückgängig machen.
"Er habe das Böse geschaffen, weil er gedacht habe: Wie solle man das Gute erkennen, wenn es das Böse nicht gebe? Wie könne man den Tag begrüßen, wenn man die Nacht nicht habe? Wie sei es möglich, das Leben zu schätzen, wenn es keinen Tod gebe? Nicht falsch, oder? Aber es quäle ihn, er sehe, was er angerichtet habe, bis zum Urknall zurück reue es ihn."

"Ich beneide euch um das Leben, ich beneide euch um den Tod"

Und dann zeigt Gott dem Erzähler später noch, was die Welt im Innersten zusammenhält: "Das Große Egal", das so ähnlich aussieht wie ein großer Seestern.
"Der Kern der Welt ist die Gleichgültigkeit. Egal, was du tust, egal, was irgendjemand tut, egal, ob du lebst, egal, ob du stirbst, egal, ob die Meeresspiegel steigen und ganze Länder unter Wasser setzen, egal, ob die ganze Menschheit ausgelöscht wird - die Welt dreht sich weiter. Es gibt nichts, das dem Großen Egal nicht vollkommen wurscht wäre."
"Die Tage, die ich mit Gott verbrachte" ist eine unterhaltsame philosophische Abhandlung über den Sinn des Lebens, skurril und nicht ohne Pathos. Und Hacke wäre nicht Hacke, wenn er dieser eigentlich deprimierenden Begegnung mit einem machtlosen Gott nicht doch Positives abgewinnen könnte. Denn letztlich beneidet der unsterbliche Weltenerschaffer die Menschen:
"Ich beneide euch um das Leben, ich beneide euch um den Tod. Ich beneide euch darum, dass ihr euch zu bewähren habt, dass ihr nachdenken müsst. Dass das Leben für euch eine Kostbarkeit ist, die ihr ergreifen könnt, dass diese Leben für euch etwas Konkretes ist, das ihr zu eurem Leben machen könnt. Das ihr das Unglück kennt und deshalb erfahren könnt, was Glück ist. Dass ihr um die Beliebigkeit wisst, und deshalb über das Wichtige nachzudenken habt. Wie ich euch beneide, Mann!"

Axel Hacke: Die Tage, die ich mit Gott verbrachte
Antje Kunstmann Verlag 2016, zwei CDs, 122 Minuten, 16,95 Euro

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