Awa Ly: "Five and a Feather"

Die Schamanin des Global Folk

Die französische Sängerin Awa Ly singt am 19.7.2011 im Garten des Hotels Cavalieri Walforf Astoria in Rom.
Die französische Sängerin Awa Ly bei einem Auftritt in Rom © imago / ZUMA Press
Von Jutta Petermann · 28.02.2017
Ein Traum ist der Ursprung von "Five and a Feather": Das lässt uns Awa Ly über die Entstehung ihres neuen Albums wissen. Jutta Petermann hat mit der französisch-senegalesischen Sängerin über ihre globale Identität und die Mysterien rund um ihre Musik gesprochen.
Awa Ly: "Ich hab das wirklich geträumt. Ich bin im Traum aufgewacht von so einem dumpfen Klang, wie von einer Trommel und als ich dieser Musik folgte, sah ich dieses Wesen, das auf dem Wasser trieb, sie erinnerte mich an eine Schamanin. Rund um das Wasser schien ein enormer Mond und sie, die Schamanin hat zu mir gesprochen. Danach fühlte ich mich ganz erleichtert und irgendwie geheilt. Aber das ist mir nur einmal passiert und ich rauche nicht und trinke nicht (lacht)."
Ein recht origineller Schöpfungsmythos, den Awa Ly zu ihrem ersten englischsprachigen Album "Five and a Feather" serviert. Die magische Stimmung des Traums, die Klänge die Awa im Traum anwehen, fließen in ihre Musik ein. Folk, Jazz, Pop, Afro und World– mit zarter, wissender Hand webt sie einen universell-berührenden Sound.
Awa Ly gibt zu, sie fühlt sich hingezogen zum Übernatürlichen und zu symbolisch aufgeladenen Zahlen. Die Fünf steht für wesentliche Erscheinungen in der Welt wie die fünf Ozeane, die fünf Sinne, die fünf Notenlinien. Auch der Name Awa Ly besteht aus fünf Buchstaben. Und man lässt sich gerne hineinziehen in diese wohlklingende, mystische Welt.

Grundpfeiler für menschliche Kultur und Fortschritt

Schon im Albumtitel, der frei übersetzt "Fünf und eine Feder" heißt, scheint sie auf:
"Die Feder ist ganz wesentlich in vielen Zivilisationen in Afrika oder Nordamerika. Dort ist die Feder heilig und wurde zum Verzieren von Kostümen verwendet und zur Geisterbeschwörung. Und die Feder dient zum Beispiel dafür, wenn ich sage fünf und eine Feder, die fünf Finger einer Hand und die Feder, mit der diese Hand schreibt."
Aus der Feder, gehalten von den fünf Fingern der Hand, wird ein Schreibinstrument, der Grundpfeiler für menschliche Kultur und Fortschritt. Awa Ly selbst ist eine Art Quintessenz der Globalisierung mit ihrer senegalesischen Herkunft, ihrer Geburt und Jugend in Frankreich, dem Studium in den USA und dem Leben in ihrer Wahlheimat Rom. Ihr Album "Five and a Feather" ist zwar beim ersten Hören ein klassischer Singersongwriter-Aufschlag.

Moderne und Tradition im Einklang

Doch später entdeckt man einen weltumspannenden und modernen Zugang. Neben Steel-Gitarre und Trompeten erklingen die afrikanische Harfe Kora, oder die Senza, eine Art kleines afrikanisches Lamellenklavier. Die lieblichen Töne einer chinesische Violine, der Eru schwingen auf Elektronischen Sphärenklängen – ein sich wunderbar harmonisch anfühlendes Miteinander von Moderne und Tradition, von Ost und West, von Kommerz und Eigenart. Der Sound zur globalen Identität der 40-Jährigen:
"Viele Instrumente wurden auf eine weniger traditionelle Weise gespielt, als man es üblicherweise hört. Wie zum Beispiel die Kora und genauso die chinesische Violine. Ich hatte Glück, das die Musiker akzeptiert haben etwas anders zu spielen, das ist ganz natürlich und instinktiv dazu gekommen.
Doch Awa will ihre Hörer nicht mit Exotik oder Traumweltensound einlullen. Im Song "Here" holt sie sie in die harte Realität von heute. Geschrieben hat ihn die Tochter senegalesischer Migranten nach dem Schiffsunglück 2013 vor Lampedusa, bei dem rund 300 Flüchtlinge im Mittelmeer ertranken.

Wut auf die europäischen Institutionen

2016 starben nach offiziellen Zahlen mehr als 5000 Menschen im Mittelmeer. Awa Ly hat sich beim Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen informiert, seitdem ist sie noch wütender auf die europäischen Institutionen:
"Es sind 65 Millionen Menschen weltweit gezwungen ihre Heimat zu verlassen. Die meisten von ihnen finden Unterschlupf in Ländern, in denen Krieg herrscht oder die in Schwierigkeiten sind. In Europa kommt nur ein kleiner Tropfen an, nur sieben Prozent, das ist abscheulich, es fehlt der politische Wille, dass die Menschen hier in Sicherheit ankommen."
Awa Ly singt den Song "Here" gemeinsam mit Faada Freddy. Der Sänger, Rapper und Beatboxer lebt wechselweise in Dakar und Paris. Der 42-Jährige betrachtet das Migrationsproblem etwas nüchterner und zielt in seinem in Wolof gesungenen Gesangspart eher darauf, dass Afrikaner langfristig ihre Zukunft in Afrika sehen:
"Die wilde, unkontrollierte Migration muss bekämpft werden, weil sie der afrikanischen Jugend nicht hilft, zu überleben. Damals als Christoph Columbus Amerika entdeckt hat, zogen die Europäer massenweise nach Amerika, um dort etwas zu erhalten, was sie nach Hause bringen konnten. Die Goldgräber beispielsweise. Manchmal ist Exodus notwendig. Aber ihre Schiffe waren sicher gebaut, sie sanken nicht so einfach."
"Five and a Feather" zeigt in sanfte Klänge gehüllt, wie verletzlich und komplex das menschliche Dasein heute ist - ein traumhaft schönes und albtraumhaft aktuelles Album.
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