Sadie Jones: Jahre wie diese
Aus dem Englischen von Brigitte Walitzek
DVA, München 2015
416 Seiten, 19,99 Euro
London und die wilden 70er-Jahre
Moderation: Sigrid Brinkmann · 17.04.2015
Das London der 70er-Jahre war faszinierend, sagt die britische Autorin Sadie Jones: Es gab künstlerische und gesellschaftliche Aufbrüche, zugleich aber herrschten noch Rassismus und Sexismus. Ihr neuer Roman "Jahre wie diese" führt ins Theatermilieu dieser Zeit.
Der neue Roman "Jahre wie diese" von Sadie Jones führt in das London der 70er-Jahre. Im Deutschlandradio Kultur sprach die britische Bestseller-Autorin über den Hintergrund ihres Buches. Für viele junge Leute vom Land habe es in dieser Zeit zwei Rettungsanker gegeben: die Stadt London und das dortige Theaterleben.
"Wenn ich über diese London von früher schreibe, dann ist das nicht das London von heute, dieses teure London. Sondern früher war es auch für die Kunst nicht so schwer. Es war viel billiger für die Leute, man konnte mit wenig überleben. Eine ganze Bohemien-Szene hat sich etabliert."
Spannungsfeld zwischen etablierter Kunst und Avantgarde
Es habe sie auch ganz besonders gereizt, das damals vorhandene Spannungsfeld zwischen der etablierten Kunst und den Avantgarde-Bewegungen auszuloten, meinte Jones. Die Widersprüche jener Zeit habe sie auch in der Außenseiter-Figur von Luke einfangen wollen, der im Buch wegen seiner vermeintlich jüdischen Herkunft angefeindet wird:
"Es war wirklich eine faszinierende Zeit, wenn man sich überlegt, was damals alles aufkam: Es gab eine sozialistische Bewegung, der Feminismus war im Kommen, die Gay-Rights-Bewegung entstand oder wurde immer stärker. Und gleichzeitig gab es einen sehr tief gehenden Rassismus und Sexismus, der sich auch in vielen Bereichen gezeigt hat."
Die manipulierte Frau
Eine andere wichtige Figur des Romans ist Nina. Sie willigt ein, sich von ihrem Partner sexuell erniedrigen zu lassen. Beim Schreiben sei ihr die Ausgestaltung dieses Charakters sehr schwer gefallen, meinte Jones:
"Sie ist ja ein Opfer. Aber in dieser Opferrolle ist sie selber sehr manipulierend. Und als Frau versuche ich natürlich zu denken, dass mir das komplett fern ist, dieses Manipulative. Aber wenn man sich ganz genau betrachtet, merkt man, dass auch irgendetwas von dieser Nina, von dieser Art des Charakters in einem selber stecken kann. Und am Ende habe ich meine Figur Nina sehr geliebt."
Der Roman "Jahre wie diese" spielt im Theatermilieu. Im Mittelpunkt steht eine Wohngemeinschaft: Luke Kanowski jobbt früh morgens als Müllfahrer und schreibt Stücke. Leigh ist Inspizientin an einem kleinen Theater, ihr Freund Paul will Produzent werden und eine eigene Bühne gründen. Dazu kommt noch Nina: Sie wird erst von ihrer ehrgeizigen Mutter als Schauspielerin gemanagt, dann von einem einflussreichen Theatermacher geheiratet und von ihm manipuliert.