Autorin Lea Fleischmann

"Das KZ war immer irgendwo da"

Lea Fleischmann
Lea Fleischmann © Arie Rosen
Lea Fleischmann im Gespräch mit Gisela Steinhauer  · 20.03.2017
Die Autorin Lea Fleischmann ist die Tochter zweier Überlebender der Shoa. Sie wuchs in Bayern auf und begann auch hier zu arbeiten. Schließlich warf sie aber alles hin und zog nach Israel - um von dort den Deutschen einen neuen Blick auf Israel zu ermöglichen.
Lea Fleischmann lebt in Jerusalem und arbeitet in der deutschen Provinz. Trotz ihrer fast 70 Jahre reist die Buchautorin regelmäßig nach Deutschland, um Schülern und Lehrern von der jüdischen Tradition und dem Leben in Israel zu erzählen. Lea Fleischmann ist 1947 als Tochter zweiter Überlebender der Shoah geboren und im oberbayerischen Lager für "Displaced Persons" Föhrenwalde aufgewachsen. Über den Holocaust, so erinnert sich Fleischmann, wurde damals weitgehend geschwiegen.
"Also die Eltern haben nicht direkt gesprochen beziehungsweise sich mit den Kindern unterhalten, aber jedes Kind wusste, dass was Furchtbares geschehen ist. Es gab aber immer Bemerkungen also zum Beispiel, es gab ja in Föhrenwald keinen Hunger. Wir hatten genug zu essen. Und wenn Sie als Kind nicht essen wollten, dann hieß es 'Ja bei Hitler haben wir gar nichts gehabt, und im KZ haben wir gar nichts gehabt'. Das KZ war immer irgendwo da. Oder wenn Sie als Kind irgendetwas angestellt haben, dann hieß es 'Es reicht nicht, was mir die Deutschen angetan haben, jetzt musst du dich auch noch so benehmen...'"
Als Lehrerin im deutschen Staatsdienst in den 1970er-Jahren wurde ihr die Paragraphenhörigkeit der Deutschen so unheimlich, dass sie ihre Verbeamtung auf Lebenszeit und ihre deutsche Staatsbürgerschaft aufgab und mit ihrer Familie nach Israel auswanderte.

Beamtentum als Schlüssel, um den Holocaust zu verstehen

"Als ich dann an die Schule kam, da war es das erste Mal, als ich Lehrerin war, dass ich den Holocaust verstand. Ich habe ihn vorhin nicht verstanden. Denn ich habe immer angenommen, das waren irgendwie schlechte Menschen, das waren furchtbare Menschen, das waren Sadisten die Nazis. Und nun bin ich in einer Schule und entdecke, dass im Grunde genommen dieses Beamtentum gesteuert wird von einer Fülle von Verordnungen, Gesetzen und Erlassen und Regelungen."
Den deutschen Pass und das Land ihrer Kindheit ließ sie hinter sich, die deutsche Sprache aber behielt sie bei. Lea Fleischmann schreibt Bücher, die den Deutschen ein Fenster öffnen für einen neuen Blick auf Israel und die Israelis. Und sie entdeckte das Judentum für sich, nachdem sie als Kind damit gar nichts zu tun gehabt hatte.
"Für mich war Judentum immer verbunden mit Verfolgung, mit dieser furchtbaren Geschichte, mit dem Holocaust, aber was Judentum ist, also, das muss ich ganz ehrlich sagen, hat mich eigentlich nicht interessiert."
Nachdem sie früher keinen der jüdischen Feiertage begangen hat, feiert sie sie inzwischen mit großer Begeisterung. Und wenn Lea Fleischmann in diesen Tagen deutsche Schulen besucht, dann erklärt sie den Kindern wie man den Shabbat begeht. Auch darüber hat sie ein Buch geschrieben.
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