Tradition

Das Ende der bayerischen Schimpfkultur

Der Kabarettist Gerhard Polt beim Oktoberfest.
Bei ihm geht's auch sprachlich noch zur Sache: der Kabarettist Gerhard Polt. © imago/Stefan M Prager
Von Arthur Dittlmann · 24.06.2016
Noch in den 50er-Jahren habe Bayern über eine wortgewaltige Schimpfkultur verfügt, schwärmt unser Autor Arthur Dittlmann. Doch genau diese sei nun massiv bedroht.
Was war das für eine Urgewalt, die aus dem Engel Aloisius in Gestalt von Adolf Gondrell förmlich herausgebrochen ist, wie man im Himmel unverschämterweise von ihm verlangt hat, dass er "frohlocken" solle?
"Halleluj, Luja!, sog i, Luja sog i, Zefix Halleluja, Luja…"
In den 50er-Jahren sollen derartige Schimpfkanonaden auch noch auf den Straßen, in den Wirtshäusern, in Amtsstuben und auch am häuslichen Familientisch zu vernehmen gewesen sein. In den 60er-Jahren gab es Aufkleber, die sich besonders witzige Autofahrer in die Hinterscheibe hinein gepappt haben: "Himmerherrgottsakramentpfuideifescheissglumpvarreckts" oder so ähnlich ist dann da gestanden, neben der gehäkelten Toilettenpapierverzierung.

Bei den Kabarettisten geht's noch zur Sache

Heutzutage muss man schon zu den Kabarettisten gehen, wenn man richtige Schimpfwörter hören will … aber da geht’s dann immerhin richtig zur Sache, etwa bei Gerhard Polt:
"Du blädes Krachal, du Matz du varreckte, hoit dei Fotzn, du Schoasblodan."
Und so weiter. Ob's ein richtiger Verlust ist, wenn die Kinder heutzutage nicht mehr wie Fuhrknechte über ihre Mitmenschen herziehen? Eine Stichprobe: Der Schimpfwortschatz von zwei bayerischen Buben, neun und zwölf Jahre alt:
"Du Aff, du bläda."
"Arschloch."
"Nein, das sag i net: Sag einfach nur 1 mal Depp."
"Saupreiss, du bläda!"
"Schweinshaxn!"
"Blede Henna, du."
Noch ist das Bairische nicht ganz verloren! Sie können es noch! Aber: Das Baierische ist bedroht. Daran lassen die sprachwissenschaftlichen Analysen der letzten Jahre überhaupt keinen Zweifel.

Zwischen Sprachverarmung und Schimpfwörterverarmung

Der dem Bayern innewohnende, tiefsitzende Minderwertigkeitskomplex, gepaart mit einer aggressiv sich vordrängenden, norddeutsch klingenden Mediensprache, die auch in München, Marktl und Teufelsöd als "schick" - oder besser gesagt "cool" - gilt, machen dem Bairischen zumindest in der jüngeren Generation langsam aber sicher den Garaus.
"Sprachverarmung – Schimpfwörterverarmung". So lautet die Diagnose des Dialektologen Ludwig Zehetner:
"Wenn irgendwos positiv gseng werd, is es cool, geil, tittengeil, 'Titten' is unverträgliches Wort, da stellts ma scho wieda wos auf, bei uns 'Tutten', hoassn hoid net Tittn oder irgendsowas."
"So was wie du gehört mit der Scheißbürstn nausghaut…" (Gelächter)
"Luja sog i" (Gelächter)
"Saupreiss, du bläda."
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