Australiens Flüchtlingspolitik

Aus der Hölle in die Hölle

Unterstützer von Flüchtlingen protestieren im australischen Brisbane gegen die Unterbringung von Flüchtlingen auf der Insel Nauru.
Unterstützer von Flüchtlingen protestieren im australischen Brisbane gegen die Unterbringung von Flüchtlingen auf der Insel Nauru. © picture alliance / dpa / Dan Peled
Von Lena Bodewein  · 30.06.2016
Australien geht erbarmungslos mit Flüchtlingen um: Wer das Land überhaupt erreicht, wird auf eine öde Insel gesperrt. Hier herrschen grauenerregende Zustände - und manche Menschen müssen dort jahrelang ausharren.
Die Ausflugsschiffe tuckern vom Circular Quai los zwischen der Sydney Harbour Bridge und der Oper mit ihrer außergewöhnlichen Architektur hindurch, dem Wahrzeichen der Stadt. Die Appartements direkt am Wasser machen einen exklusiven Eindruck, doch von einem Balkon flattert ein großes Transparent: CLOSE THE CAMPS - "Schließt die Lager" - steht darauf. Der einzige Hinweis in der schönen Metropole auf das Grauen, das die australische Regierung zu verantworten hat: die Flüchtlingslager auf Manus Island in Papua-Neuguinea und auf Nauru.
"Ich hatte noch nie von Nauru gehört. Ich dachte, es wäre ein großes Land und gehörte irgendwie zu Australien."
Shanmuganathan Nagaveeran, kurz Ravi, ist aus Sri Lanka geflüchtet, nach jahrelangem Zögern, aber weil er als Tamil verfolgt, verhaftet und mit dem Tod bedroht wurde und weil Freunde ihm erzählten, wie wunderbar und aufnahmefreundlich Australien sei, hat er sich schließlich auf die Reise gemacht. Das war im August 2012:
"Ich bin auf einem Boot zu einer schrecklichen Reise aufgebrochen, viel zu schrecklich, um sie zu beschreiben. Wir waren 58 Menschen an Bord. Das Boot war 15 Meter lang, wir waren 22 Tage unterwegs. Die letzten vier Tage hatten wir nichts mehr zu essen, es gab kein Wasser, wir haben Meerwasser getrunken. Hätte ich gewusst, wie schrecklich die Reise wird, hätte ich sie nie unternommen."
Ravi ist, wie er es sagt, aus der Hölle geflüchtet, um in der Hölle zu landen. Ebenfalls im August 2012 hat Australien das Auffanglager oder genauer: "Weiterverarbeitungslager", auf Nauru wieder eröffnet. Das Land hat die so genannte "pazifische Lösung" für Flüchtlinge gefunden, die übers Meer kommen: Boote weit draußen in den australischen Hoheitsgewässern abfangen, Flüchtlinge mit Wasser, Nahrung und Schwimmwesten versorgen, Boote umdrehen und zurückschicken. Wenn das nicht klappt, weil die Flüchtlinge schon auf australischem Insel-Territorium gelandet sind, in Auffanglager verfrachten. Auf Christmas Island, südlich von Indonesien, auf Manus Island, eine Insel im nördlichen Papua Neuguinea, oder eben auf Nauru. Dorthin verschlug es Ravi.

Heute ist Nauru eine Mondlandschaft

"Nauru ist eine schreckliche Insel. Die Umgebung hat mich verrückt gemacht, mich völlig enttäuscht und meine Träume und Hoffnungen komplett zerstört. Ich habe nur grüne Armeezelte gesehen, ein Lager und Offiziere und Bagger, und ich dachte nur, oh nein, schon wieder ein Gefängnis."
Nauru ist der drittkleinste Staat der Welt, hinter dem Vatikanstaat und Monaco. Eine Insel fast auf dem Äquator, 3.000 Kilometer entfernt von Australien, hunderte Seemeilen von der nächsten Nachbarinsel, ein Nichts im Nirgendwo. Es könnte ein tropisches Paradies sein.
Einst war es das reichste Land der Welt, in den 60er und 70er-Jahren, als Phosphat in Massen abgebaut wurde und der Düngerzusatz heiß begehrt war. Doch der jahrzehntelange Abbau der einzigen Ressource hat die Insel verwüstet. Sie ist öd und leer, eine Mondlandschaft mit Müll, ohne Grün, ohne Geld. Auch darum hat Nauru im Austausch für kräftige Finanzhilfen erlaubt, dass Australien 2001 ein Auffanglager für Flüchtlinge errichtet. So lagert ein reiches Land sein Flüchtlingsproblem einfach an arme Nachbarn aus. 2008 wurde das Lager geschlossen, ein Wahlversprechen, dann 2012 wieder eröffnet, als Ravi ankam.
"Im Lager gab es keine Betten, nur Klappliegen, fünf Zelte für 30 Männer, zu sechst in einem Zelt. Die Heilsarmee war da und sprach mit uns. Ich war wie gelähmt, ich konnte einfach nicht verstehen, was mir zugestoßen war.
Die Lebensbedingungen waren schrecklich. Wir waren 30 Leute, eingeschlossen, es gab jede Menge Moskitos, aber keine Moskitonetze. Wir konnten nicht telefonieren, es gab nur zwei Toiletten, es gab keine Ventilatoren, dabei war es schrecklich heiß, 40, 42 Grad, jeden Tag. Wir konnten nur bis 6 Uhr schlafen, danach war es zu heiß, und wir konnten auch nicht vor zwei, drei Uhr morgens einschlafen, also haben wir immer nur wenig Schlaf bekommen, es gab kaum etwas zu essen, nur ein, zweimal am Tag. Wir saßen nur rum und fragten uns: Was wird mit uns geschehen?"

Blaupause für Europa?

Australien will mit seiner Flüchtlingspolitik abschrecken. Niemand soll sich aufgefordert fühlen, sich mit einem Boot auf die Reise nach Downunder zu machen. Der jetzige Premierminister Malcolm Turnbull kämpft vor den Wahlen am 2. Juli um eine neue Amtszeit. Und er gibt sich als unnachgiebiger Hardliner:
"Wir schwingen keine theoretischen Reden über unseren Grenzschutz. Das ist nichts, worüber es Spekulationen oder Debatten gibt. Wir wissen, was passiert, wenn eine so starke Grenzschutzpolitik wie die unter Premierminister John Howard aufgegeben wird. Das war 2008. Ich war damals Minister. Wir wissen: 1.200 Menschen sind ertrunken, mindestens. Und 50.000 Menschen kamen illegal hier an, es war eine Katastrophe."
We will stop the boats – so das Versprechen, wir werden die Boote stoppen. Und wenn sie kommen, lassen wir sie umkehren. Dreimal war das in diesem Jahr der Fall: Boote wurden zum Beispiel nach Sri Lanka und Indonesien zurückgeschickt. Und dann gab es viele Monate, in denen kein einziges ankam. Und so heftet sich die Regierung stolz ein Häkchen ans Revers: Versprechen eingelöst. Ihre Flüchtlingspolitik bietet sie auch immer wieder gerne als Blaupause für Europa an.
Österreich überlegt tatsächlich, ob man das Muster kopieren kann. Vielleicht ließe sich dann auch die Abschreckungskampagne übernehmen. Dazu gehören Fernsehfilme über das Schicksal der Bootsflüchtlinge in Australien, den die Regierung in Canberra finanziert und in Afghanistan ausgestrahlt hat. Es sind finstere Comics über das Leben in den Auffanglagern oder Fernsehspots wie dieser:
"Wenn du mit einem Boot ohne Visum hierher kommst, wird Australien niemals deine Heimat. Die Regeln gelten für alle: Familien, Kinder, unbegleitete Kinder, Ausgebildete und Akademiker. Es gibt keine Ausnahmen", ...
...sagt ein Commandeur der Border Forces, die im Pazifik Patrouille fahren.
"Glaubt die Lügen der Schlepper nicht: Diese Kriminellen wollen nur euer Geld stehlen. Sie werden euer Leben und das eurer Familie riskieren. Wenn ihr illegal per Boot nach Australien kommt, könnt ihr Australien niemals eure Heimat nennen!"

"Was auf Nauru geschieht, ist Folter"

Australien nimmt bisher jährlich knapp 14.000 Flüchtlinge auf - ein limitiertes Kontingent, das nach Ansicht von Menschenrechtlern wie Tim O'Connor vom Refugee Council of Australia viel höher sein müsste. Jetzt sollen noch 12.000 Flüchtlinge aus Syrien dazukommen, beschloss die Regierung. Aber sie hält weiter fest an den Auffanglagern im Pazifik, wo die Insassen im Einklang mit australischen Gesetzen, die extra dafür erlassen worden sind, unbegrenzt festgehalten werden können.
"Vertreter der Vereinten Nationen waren zweimal auf Nauru, 2013 und 2015, und haben gesagt, dass das, was dort geschieht, Folter ist. Wir müssen doch keine Kinder auf einsamen Inseln einsperren für eine unendliche Zeit, um zu erreichen, was wir erreichen wollen!"
Alanna Maycock ist Kinderkrankenschwester, ihr Spezialgebiet ist Tuberkulose. Sie arbeitet in Sydney in einem Krankenhaus, einmal pro Woche behandelt sie in einer Art offenen Klinik Flüchtlinge. Die Presse ist nicht zugelassen bei diesen Behandlungen. Deshalb dürfte Alanna Maycock auch nicht über ihre Erfahrungen sprechen.
"Wir wissen, dass Nauru ein gefährlicher Ort für Flüchtlinge ist: Frauen werden vergewaltigt, Kinder missbraucht, von den Wachleuten und anderen Flüchtlingen, das hat der unabhängige Moss-Review bestätigt. Alle zwei Wochen gibt es einen neuen Fall. Auf Nauru herrscht Gesetzlosigkeit; man kann es beinahe mit Händen greifen kann, dieses dunkle, kalte Gefühl der Gesetzlosigkeit."
Alanna Maycock war mit einem Medizinerteam im Dezember 2014 auf der Insel mit dem Regierungsauftrag, einen Empfehlungskatalog für eine bessere medizinische Versorgung aufzustellen. Empfehlungen, die bis heute von der Regierung nicht beachtet werden. Stattdessen wurde ihr der Aufenthalt so schwer wie möglich gemacht: Sie hatte immer Aufpasser an ihrer Seite, erst einen Arzt, dann Wachleute, vom Abflug in Brisbane bis in die Frauen-Dusche des Flüchtlingslagers:
"Es gibt keine Türen an den Duschen, die Frauen mussten sich und ihre Kinder direkt vor den männlichen Wachleuten waschen. Die Duschzeit ist begrenzt, aber Frauen durften länger duschen, wenn sie sich den Wachleuten nackt präsentierten."

Verlust der Identität

Als sie ein Kind behandelte und dessen Vater rufen ließ, rief die Wärterin nur eine Nummer. Auf Alanna Maycocks Frage, warum sie nicht den Namen nenne, antwortete die Wärterin nur: Sie hätten zu viele Mohammeds hier. Das sei so weit gegangen, empört sich Maycock, dass auch Kinder sich automatisch nur noch mit ihren Nummern vorgestellt hätten. Ein gezielter Verlust der Identität, den auch Ravi zu Beginn seines Aufenthalts auf Nauru erfahren hat:
"Sie haben ein Band um meinen Arm gebunden mit einer Nummer darauf. Ich habe mir erst nicht viel dabei gedacht, aber dann war klar, sie können sich meinen Namen nicht merken. Jetzt bin ich nur noch eine Nummer, und ich dachte: Ich werde eine Nummer sein, bis ich sterbe. Ich habe also als erstes meinen Namen verloren."
Für Alanna Maycock gehört der Verlust des Namens zu den täglichen Grausamkeiten, denen die Flüchtlinge ausgesetzt sind. Sie ist Mutter von zwei Kindern, wohnt eine Autostunde von Sydney entfernt in einer wunderschönen, grünen Wildnis. Katzen und eine ebenso geschmack- wie liebevolle Einrichtung prägen das Haus, in dem die zarte Frau auf dem Sofa sitzt und versucht, das, was sie gesehen hat, einzuordnen.
Die ruhige, nüchterne Art der 40-jährigen Krankenschwesterlegt legt nahe, dass sie keine hysterische Aufmerksamkeitssucherin ist, sondern erschüttert ist von den Verhältnissen auf Nauru.
"In Großbritannien werden Kinder von Asylsuchenden im Schnitt fünf Tage festgehalten. In Australien sind es 15 Monate – und mehr. Es gibt kein anderes Land auf der Welt, das Kindern das antut. Ich war nur fünf Tage dort - und ich habe jetzt Albträume: dass meine Kinder dort sind und ich sie nicht erreichen kann. Nach fünf Tagen! Können Sie sich vorstellen, was das für den Geist eines Kindes bedeutet, das dort jahrelang ist?"
Alanna Maycock versucht, den Flüchtlingen auf Nauru zu helfen. Wie einem anderthalbjährigen Kind, das sie auf Nauru untersucht hat. Sie war sich sofort sicher, dass die Krankheit, an der das Kind schon seit Monaten litt und deren Ursache niemand gefunden haben wollte, Tuberkulose ist. Der von der Regierung beauftragte Gesundheitsservice wollte das Kind zunächst nicht zur Behandlung nach Australien ausfliegen lassen. Jetzt ist es bei Alanna in Sydney in der Klinik. Sie und ihre Kollegen überlegen sich Woche für Woche etwas Neues, wie sie die Behandlung noch verlängern können, damit es nicht wieder auf die Insel zurück muss.
Alanna Maycock spricht über ihre Erfahrungen, wie jetzt mit der ARD, obwohl sie damit ein großes Risiko eingeht. Im Juli 2015 erließ die australische Regierung den Border Force Act, ein Gesetz, mit dem alle strafrechtlich verfolgt werden können, die berichten, was in den Auffanglagern geschieht. Bei Zuwiderhandlung drohen bis zu zwei Jahre Gefängnis. Eine absurde Situation: Wer in Australien einen Kindesmissbrauch verschweigt, kann großen Ärger bekommen. Wer über Kindesmissbrauch auf Nauru spricht, kann ebenso eingesperrt werden.
"In den USA und in Großbritannien gibt es Gesetze, die Whistleblower beschützen. In Australien erlassen wir dagegen Gesetze, die Lehrer, Sozialarbeiter, Ärzte, Krankenschwestern ins Gefängnis bringen. Wir erlassen Gesetze, um Menschen ins Gefängnis zu bringen, die Kindesmissbrauch publik machen – das sind finstere Zeiten für Australien!"

Hitze, Leere, Hoffnungslosigkeit

Die beiden großen Parteien, die Labor-Party und die National-Liberale Koalition, unterscheiden sich kaum in ihrer Flüchtlingspolitik. Nur die oppositionellen Grünen sind ausgesprochene Gegner der Auffanglager; auch die ehemalige Labor-Ministerin Carmen Lawrence hält sich nicht mit Kritik zurück:
"Die beiden großen Parteien sprechen von Abschreckung durch die Lager. Aber was passiert, wenn Menschen für lange Zeit in Lagern auf fernen Inseln festgehalten werden, ist, dass ihre geistige Gesundheit ernsthaft gefährdet wird. Wenn man sie an Orte wie Nauru bringt, sind sie Missbrauch und Gewalt ausgesetzt, oft ohne dass das rechtliche Konsequenzen für die Täter hat. Es ist eine Abschreckung, so scheint es mir, bei der Menschen wie ein Schild im Krieg benutzt werden."
Ravi hat drei Jahre auf Nauru verbracht. Drei Jahre, in denen er Behördenwillkür ausgesetzt war, in denen er nichts tun konnte, als zu warten. In denen er Hitze, Leere und Hoffnungslosigkeit ertragen hat, bis er es nicht mehr konnte. Viermal hat er versucht, sich umzubringen. Er wurde immer wieder daran gehindert. Vielen anderen ist es gelungen, sie verbrennen sich selbst, schlucken Waschmittel, gehen ins Meer. Fast täglich werden neue Insassen unter Aufsicht gestellt, damit sie sich nicht umbringen oder sich verletzen.
"Ich möchte meinen Körper nicht verletzen. Wenn du in Freiheit lebst und alles hast, was zum Leben nötig ist, willst du dich dann verletzen? Nein, weil du deinen Körper liebst. Und das tue ich auch, ich will meinen Körper nicht verletzen, mich schneiden, mein Blut überall verspritzen, aber das passiert, weil man sehr emotional wird und irgendwann den Schmerz nicht mehr ertragen kann."
Und wenn schon junge Männer so leiden, wie geht es dann erst Kindern? Kindern, die allein sind, deren Eltern apathisch sind oder die sich selbst verstümmeln, Kindern, die jahrelang hinter Zäunen leben? Sechsjährige Mädchen versuchen, sich umzubringen, wie die Sozialarbeiter berichten, die auf der Insel im Einsatz sind.
Ravi fand schließlich einen Ausweg, er fing an zu zeichnen und zu schreiben, Gedichte.
Seelisch bin ich ausgelaugt – ja
Geistig fühle ich mich tot
Körperlich gebe ich alles
Mit einem falschen Lächeln im Gesicht.
Meine Lippen können den Schmerz in meinem Herzen nicht erklären
Ich bin ein Versager.
Ich hasse mich
Jeden Tag ein bisschen mehr.
Ja, ich bin so deprimiert, so nutzlos!
Ich möchte nur einschlafen
Und nie mehr aufwachen
Lethargie, Hungerstreik, Protest, Gewalt – so reagieren die Insassen auf Nauru auf ihr erzwungenes Dahinvegetieren. Kürzlich tauchte wieder ein Video auf, das einen Gewaltausbruch dokumentiert.

Missbrauchsvorwürfe werden beiseite geschoben

Sie schlagen uns, rufen die Frauen und Teenager, sie meinen die Wachmannschaft. Die australischen Einwanderungsbehörden bestreiten das allerdings und behaupten, die Insassen hätten die Wachleute mit Stühlen beworfen. Auch Missbrauchsvorwürfe schieben die Behörden beiseite, die seien überzogen oder erfunden.
Meldungen und Videos über Gewalttaten und über Täter und Opfer sind schwer zu überprüfen, die Presse hat keinen Zutritt in die Lager.
Wenn Misshandlungen bekannt werden oder ein Fall wie der einer hochschwangeren Frau, die dringend einen Kaiserschnitt brauchte, doch lange nicht nach Australien durfte, dann gibt es ab und zu Proteste. Plakate wie "Lasst sie rein, ihr Bastarde!" Oder "Die Regierung muss ins Lager" werden hochgehalten. Aber nicht lange.
Nach neuesten Umfragen unterstützt rund die Hälfte der Australier den harten Kurs oder sind gleichgültig. Das erklärt sich Alanna Maycock dadurch, dass die Regierungsmitglieder einen simplen rhetorischen Trick benutzen. Sprechen sie von Flüchtlingen, sprechen sie direkt danach gleich von Terroristen. So werden beide Gruppen miteinander verbunden, ohne dass sie etwas miteinander zu tun haben – aber die Öffentlichkeit hat mehr und mehr Angst vor Flüchtlingen. Das beschreibt die Journalistin Julie Macken als schleichendes Heranmachen und Präparieren der Öffentlichkeit. Mit dem Ergebnis :
"Über 25 Jahre hinweg haben sich die Australier verändert, weg von einem Volk, das mit Freude Flüchtlinge aufnahm, sie versorgte und integrierte, das offene Grenzen hatte und neue, verantwortungsbewusste Bürger bekam. Von diesem Land haben wir uns zu einem Land gewandelt, das wissentlich Menschen in Gefahr bringt, vor allem Frauen."
Ist die Mehrheit der Bevölkerung mit dieser Entwicklung einverstanden? Wird also nach der Wahl Anfang Juli der Premierminister weiterhin Malcolm Turnbull heißen?
Shanmuganathan Nagaveeran, genannt Ravi, hat inzwischen sein Bleiberecht bekommen, als Tamile wäre ein Rückkehr nach Sri Lanka lebensgefährlich. Er lebt in Perth, studiert und reist durchs Land, um sein Buch mit den Zeichnungen und Gedichten aus Nauru vorzustellen. "Von Hölle zu Hölle" heißt es. Er spricht über das, was auf Nauru passiert, und versucht, bei den Australiern Verständnis dafür zu wecken, warum Flüchtlinge sich überhaupt auf die beschwerliche Reise machen, um eine neue Heimat zu suchen.
"Das ist meine erste und letzte Reise, das ist mein erster und letzter Asylantrag. Ich will das nie wieder tun. Meiner Familie und meinen Freunden, allen, rate ich, versucht nicht, nach Australien zu kommen, haltet alles aus, was ihr in eurer Heimat aushalten müsst, wenn ihr sterbt, sterbt lieber in eurer Heimat."
Hat die australische Regierung damit ihr Ziel erreicht?
Ich bin traurig
Ich bin einsam
Ich bin unvorhersehbar
Ich bin unbrauchbar
Ich bin gebrochen
Ich bin dahingeschwunden
Ich bin irrational
Ich bin hilflos
Ich bin rettungslos
Ich bin sprachlos
Ich bin bedeckt von Traurigkeit
Ich bin ein Wesen voller Leere
Ich bin in Finsternis, die meinen Geist ausblendet
Depression beherrscht meinen Kopf – ein langsamer Tod
Ich gehe auf den Friedhof zu
Wann werde ich ihn finden?
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