Ausstellung "Willy Fleckhaus. Design, Revolte, Regenbogen"

Späte Ehre für einen großen Grafiker

Temporäre Suhrkamp-Filiale in Berlin-Mitte im Jahr 2010. Dort erinnerte der Verlag mit Lesungen, Gesprächen und Filmvorführungen an die Geschichte der Taschenbuchreihe edition suhrkamp.
Eine Reihe wie eine Skulptur: Die Taschenbuchreihe der Edition Suhrkamp. © picture alliance / dpa / Tobias Kleinschmidt
Von Anja Reinhardt  · 23.08.2016
Legendär ist Willy Fleckhaus' Regenbogen-Reihe der Edition Suhrkamp. Auch in vielen anderen Publikationen hinterließ er seine Handschrift. Das Museum für angewandte Kunst in Köln widmet dem Grafiker und Designer, der 1983 starb, seine erste große Museumsschau.
"Ich hab einen Cousin, und ich hab den mal besucht und neben seinem Bett war ein Stapel twen. Das oberste Heft war das Oktoberheft 1968. Das war Gull Britt, diese schwedische Schönheit und ich bin die ganze Nacht durch diese Hefte durch, das war eine Erfahrung, lauter schöne Frauen, so viel Nacktheit - da war ich 15! So viel provokante Themen, also: Ich kam aus dieser Nacht verändert raus. Und das ging vielen so."
Nackte Haut, Homosexualität, freie Liebe, Abtreibung. Ein neues Frauenbild: selbstbewusst und unabhängig. Rock'n'Roll und Glamour. Das waren die Themen in twen.
"Das waren Skandale und das war ja auch immer wieder anhängig vor Gerichten, die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften ( ... ) Man wollte natürlich provozieren, man wollte Regeln verletzen, man wollte Tabus brechen."
1959 erschien die erste Ausgabe des Magazins, noch in der muffigen und starren Adenauer-Ära, die letzte Ausgabe wurde 1971 publiziert. Twen war das Magazin für die Generation, die mit ihren Kriegseltern brach, die raus wollte aus dem Muff.
"Auch natürlich die Stars, die man präsentiert hat, Francoise Hardy, Jean Paul Belmondo, das war die Nouvelle Vague, das waren Fotografen aus Amerika, Irving Penn, Bruce Davidson, also er hat den Horizont geweitet über den Rand Deutschlands hinaus, während in den klassischen Illustrierten ja immer noch diese Landser-Geschichten und Stalingrad ohne Ende und die ganzen Kriegsstories - da machte man plötzlich eine ganz andere Welt öffentlich."

Erste Erfahrungen beim Gewerkschaftsblatt

Willy Fleckhaus kam aus kleinbürgerlichen, katholischen Verhältnissen. Seine erste Begegnung mit Kunst hatte er in der Kirche: Er liebte die bunten Glasmalereien. Nach dem Krieg versuchte er sich zunächst als schreibender Journalist, aber das Visuelle lag ihm mehr, vielleicht auch, weil er als Teil der sogenannten verlorenen Generation mit Bildern besser umgehen konnte als mit Sprache. "Der Fährmann", "student im Bild", "Aufwärts" waren seine ersten Zeitschriftenstationen, vor allem im Gewerkschaftsblatt "Aufwärts" rebellierte Fleckhaus gegen die herrschende Bildästhetik, gegen verstaubte Moralvorstellungen und Inhalte.
"Ich meine: über finnische Architektur in einer Jugendzeitschrift für die Gewerkschaft! Über die Hochschule für Gestaltung, über abstrakte Kunst. Da gab es übrigens Riesenwiderstände, ich habe einen ganzen Ordner mit Leserbriefen, wo die Jungen sich beschweren, was das alles soll, sie wollen mehr Sport haben und mehr Rätsel und mehr Schach und so, aber da war er, da sagte er, ich mach da mein Ding."

Rebell und Aufklärer

Willy Fleckhaus war Rebell genauso wie Aufklärer. Er hatte ein einzigartiges Gespür für die Wirkung von Fotos, Farben und Schriften - nicht nur bei populären Themen. Theodor W. Adorno, Jürgen Habermas, Ernst Bloch, Wolfgang Lefèvre erstrahlten in der edition suhrkamp plötzlich in den schönsten Regenbogenfarben. Hochkomplexe Texte federleicht verpackt. Im Bücheregal leuchtet diese Reihe wie eine Skulptur.
"Er hatte eine gewisse, ich will es nicht Naivität nennen, aber Unbeschwertheit, sich diesen komplexen Dingen zu nähern, komplexe Dinge runterzubrechen auf eine sinnliche Art, unbeschwert Themen anzugehen, große Fragen der Menschheit sinnlich zu verpacken. Er war ein Genießer, er war jemand, der die Welt ein Stück weit schöner und besser machen wollte. Das war schon eine große Vision nach dem Krieg natürlich, der als Hintergrund immer ein bisschen mitzureflektieren ist."
Erstaunlich, dass die Schau im Museum für angewandte Kunst in Köln die erste umfassende Ausstellung über Willy Fleckhaus ist. Michael Koetzle sieht den Grund dafür auch in der Persönlichkeit des Grafikers und Designers, der kaum Interviews gab und überhaupt die Öffentlichkeit scheute.
"Er hat sich selbst als Person nie stilisiert. Fleckhaus war ein Arbeitstier, der hat die Medien nicht gesucht. ( ... ) Er ist dann '83 gestorben, es fiel dann ganz schnell Staub auf seine Vita, keiner hat sich darum gekümmert und dann gerät man natürlich in Vergessenheit."
Groß ist die Ausstellung zwar nicht, aber die chronologisch gegliederten Abschnitte machen deutlich, welche Sprengkraft Fleckhaus' Ästhetikverständnis von den Fünfzigern bis zumindest Ende der Sechziger besaß. Wie er unsere Vorstellungen von Schönheit und Freiheit prägte. Der Art Direktor des Beatles-Films Yellow Submarine, Heinz Edelmann, begann seine Kariere bei twen, ebenso Wolfram Siebeck. Die Ausstellung ist schnell durchwandert - der Eindruck, den sie hinterlässt, dürfte lange bleiben.
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