Ausstellung "Where I want to go"

Im künstlerischen Dialog mit Egon Schiele

27. Juni 2104: Die britische Künstlerin Tracey Emin sitzt im Rahmen einer Auktion vor ihrer Installation "Mein Bett".
Die britische Künstlerin Tracey Emin vor ihrer Installation "Mein Bett" © NIKLAS HALLE'N / AFP
Von Christine Memminger · 28.04.2015
Fast 100 Jahre liegen zwischen den Zeichnungen des Expressionisten Egon Schiele und der britischen Künstlerin Tracey Emin. Eine Ausstellung im Wiener Leopold Museum verbindet ihr Werk. Gemeinsam erzählen sie von unerfüllter Liebe, Leid, Sehnsucht und Begehren.
Es begann mit einem Plattencover von David Bowie. Tracey Emin war gerade 14 Jahre alt und fasziniert von den Bildern auf seinen Alben. Ein Freund erklärte ihr, dass die Cover von Egon Schiele inspiriert sind. Die junge Britin konnte damit überhaupt nichts anfangen.
"Mein Freund damals sagte: Egon Schiele. Und ich sagte: Was ist Egon Schiele? Ich dachte, es wäre ein Gegenstand, ich verstand nicht, was es bedeuten sollte."
Was ist Egon Schiele? Inzwischen hat Tracey Emin ihre Antwort darauf gefunden. Bis heute ist sie fasziniert vom Expressionismus des österreichischen Künstlers und lässt sich davon in ihrer eigenen Arbeit inspirieren. Die gemeinsame Ausstellung war ihr eine Herzensangelegenheit.
Sein Werk soll atmen
"Wien, Österreich besitzt Egon Schiele. Sie lassen ihn nicht raus. Ich will ihn davon befreien. Die Leute sollen sein Werk atmen können. Sein Werk soll atmen."
Die Werke von Schiele in der Ausstellung hat Tracey Emin persönlich ausgewählt und angeordnet – zusammen mit über 80 teils noch nie gezeigten Arbeiten von ihr selbst. Dadurch schafft sie es tatsächlich, eine Verbindung herzustellen. Dass fast 100 Jahre zwischen den Zeichnungen liegen, vergisst man fast, wenn die Bilder und Skulpturen so nah beieinander sind. Der Körper, meist als Akt, steht im Mittelpunkt – bei beiden. Kurator Karol Winiarczyk:
"Der Fokus liegt auf dem Dialog zwischen den Werken und auch auf den Gemeinsamkeiten. Dieses Fokussieren auf die eigene Person, auf das eigene Leben, auf die eigene Erinnerung, auf die eigenen Gefühle und auch auf diese Produktion, die im Endeffekt aus dem Innersten der beiden Künstler kommt."
Aber nicht überall erschließen sich die Zusammenhänge leicht. Gleich am Eingang der Ausstellung steht eine drei Meter hohe Holz-Installation von Tracey Emin. Es ist das Gerüst einer Achterbahn, von der sie einmal träumte. Im Traum konnte sie sich nicht anders aus der Achterbahn befreien, als sich über einen riesigen Penis abzuseilen. Wo ist da die Verbindung zu Egon Schiele?
Karol Winiarczyk: "Wenn man sich die Hochschaubahn anschaut, merkt man, wie fragil dieses ganze Gebilde ist. Es hat auch teilweise sehr anthropomorphe Züge. Und direkt im nächsten Raum gegenübergestellt sind Arbeiten, die sich mit ihrem eigenen Körper beschäftigen und auch mit einem anderen männlichen Körper, die in einer Landschaft aufgehen. Und gegenüber von dieser Landschaft haben wir dann eine Egon-Schiele-Landschaft platziert, die auch eine recht anthropomorphe Figuration aufweist."
Anthropomorphe, also menschliche Züge im Gerüst einer Achterbahn. Vielleicht auch das Auf und Ab des Lebens. Der Besucher muss sich oft durchaus selbst die Zusammenhänge in dieser Ausstellung suchen. Tracey Emin meint:
"Für mich ist Schieles Werk nicht das, was man sieht, sondern das was er gefühlt hat, als er das Bild gemalt hat."
Kann das Gefühl beim Zeichnen vor hundert Jahren ein ähnliches gewesen sein wie heute? An einer Stelle zeigt Tracey Emin in einem Video Bilder einer masturbierenden Frau, daneben hängt die Zeichnung einer stürzenden Frau von Egon Schiele. Ob die Intention der beiden tatsächlich eine ähnliche war, werden wir nie erfahren.
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