Ausstellung

Paparazzi in ihrer historischen Dimension

Ein Blick in die Ausstellung "Paparazzi! Fotografen, Stars und Künstler" im Centre Pompidou-Metz
Ein Blick in die Ausstellung "Paparazzi! Fotografen, Stars und Künstler" im Centre Pompidou-Metz © picture alliance / dpa
Von Kathrin Hondl · 26.02.2014
Paparazzi-Fotos als Kunst? Eine Ausstellung im Centre Pompidou-Metz zeigt rund 600 Fotografien der ungeliebten Anti-Helden. Ihr Kurator sieht in ihnen "eine unfreiwillige Ästhetik", die einen starken Einfluss hatte.
Blitzlichtgewitter, drängende Reporterfragen. Der Weg in die Ausstellung führt über den roten Teppich: Eine Installation des irischen Künstlers Malachi Farrel, die uns in die Rolle der Stars drängt, auf die die Paparazzi lauern wie Jäger auf der Pirsch.
Nicht umsonst ist oft die Rede von der "Meute" der Fotografen, die die Stars umringen wie Motten das Licht. Oder vielmehr wie Stechmücken, auf italienisch "pappataci". In Kombination mit "ragazzi" für junge Männer erfand der Filmregisseur Federico Fellini 1960 das Wort "paprazzi" für diese Anti-Helden unserer hypermediatisierten Welt.
Rund 600 Fotografien, aber auch Filmausschnitte, Installationen oder Gemälde zeigen jetzt im Centre Pompidou-Metz, wie die Bilder der Paparazzi die visuelle Kultur der letzten 100 Jahre beeinflusst haben. Darunter sind auch Bilder des Fotografen Sebastién Valiela, der im Januar die Liebeaffäre des französischen Präsidenten publik gemacht hatte. Auf diese aktuellen Paparazzi-Fotos allerdings verzichtete Kurator Clément Chéroux ganz bewusst:
"Wir wollen Distanz zur Aktualität. Es gibt ja jeden Monat irgendeine Paparazzi-Affäre. Wir interessieren uns dagegen für das Phänomen der Paparazzi in seiner historischen Dimension."
"Selfies" und Bilderdiebstahl im Netz
Und historisch sei dieses Metier ohnehin längst geworden, meint Pascal Rostain, der seit fast 40 Jahren als Paparazzo arbeitet:
"Der Beruf ist tot. Das liegt einerseits an den Smartphones. Leute wie Barack Obama, Mick Jagger oder Johnny Hallyday – die fotografieren sich doch permanent selbst und sind ihre eigenen Paparazzi geworden. Das andere Problem ist der Bilderklau im Internet. Vor einem Jahr landete ich einen Scoop: Ein Foto des Papstes in seiner Sommerresidenz Castelgondolfo. Sehr schwierig zu machen. Aber kaum war das Bild in Paris Match erschienen, tauchte es in hunderten Online-Medien auf. Verkaufen konnte ich es also nicht mehr. Man kann davon also nicht mehr leben."
So ist die Schau im Centre Pompidou-Metz eine Zeitreise durch die übrigens fast ausnahmslos männliche Papparazzi-Welt und ihre von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wechselnden, meist weiblichen Lieblingsmotive – von Liz Taylor über Brigitte Bardot, Jackie Kennedy, die Monaco-Prinzessinen und Lady Di bis Paris Hilton und Britney Spears.
Wer sich fragt, was die oft grobkörnigen gestohlenen Schnappschüsse im Kunstmuseum verloren haben, dem wird im zweiten Teil der Ausstellung vor Augen geführt, wie folgenreich diese Bilder für die Kunst waren. Kurator Clément Chéroux:
"Ich sage nicht, dass Paparazzi Künstler sind. Aber sie produzieren eine Ästhetik, eine unfreiwillige Ästhetik, die bedingt ist durch ihre Arbeitsbedingungen. Seit den 60er-Jahren und der Pop Art interessieren sich auch viele Künstler für diese Paparazzi-Ästhetik."
Hamilton und Richter ließen sich inspirieren
Typisch sind zum Beispiel Bilder im Auto, der Starfalle schlechthin. Unendlich viele Paparazzi-Bilder entstanden, indem die Fotografen-Meute Autos umzingelte. Bilder, auf denen notgedrungen oft Spiegeleffekte oder Lichtreflexe zu sehen sind – eine Ästhetik, die der britische Popart-Künstler Richard Hamilton aufgriff.
Nach einem Paparazzi-Foto malte er Mick Jagger und Robert Fraser in einem Polizeiwagen, wie sie geblendet und genervt von Blitzlichtern und Indiskretion der Fotografen die Hände vors Gesicht halten. Auch Gerhard Richter malte nach Pressefotos – eine grobkörnige Königin Elisabeth II. oder, leicht verwackelt, den NS-Verbrecher Werner Heyde.
Und ganz besonders machten sich Fotografen die Paparazzi-Ästhetik zu eigen. Richard Avedon und William Klein inszenierten schon in den 60er-Jahren Modefotos, auf denen die Models wirken wie heimlich fotografierte Stars. Ein Prinzip, das auch die amerikanische Künstlerin Cindy Sherman anwandte, als sie sich in der Serie "Untitles Film Stills" in Paparazzi-Manier selbst porträtierte und damit auch die stereotypen Frauen-Bilder der Medienwelt dekonstruierte.
Und die britische Künstlerin Alison Jackson treibt ein besonders humorvolles Spiel mit der Paparazzi-Ästhetik: Sie fotografiert Doppelgänger von Celebrities in unglaublichen Situationen – die Queen auf dem Klo, George W Bush beim Knobeln mit dem Rubik’s Cube oder eine masturbierende Marilyn Monroe. Bilder, von denen Paparazzi nur träumen können.