Ausstellung in Oberhausen

Die Aldi-Tüte und die Kunst

Gebote werden entgegen genommen während einer Auktion des Kunstauktionshaus Christie's in Frankreich.
In Auktionshäusern erzielen einzelne Kunstwerke Spitzenpreise in Millionenhöhe, aber das Verhältnis von Künstlern und Kapital ist kompliziert. © picture alliance / dpa / Foto: Jean-Christophe Tardivon
Christine Vogt im Gespräch mit Nana Brink  · 20.01.2017
Kunst und Geld stehen in einem besonderen Spannungsverhältnis. Während einzelne Werke Höchstpreise erzielen, leben viele Künstler in Armut. "Let’s buy it!" heißt eine Ausstellung in Oberhausen, die Christine Vogt als Direktorin der Ludwiggalerie initiiert hat.
Albrecht Dürer gelte als der erste Künstlerunternehmer, sagte die Direktorin der Ludwiggalerie im Schloss Oberhausen, Christine Vogt, im Deutschlandradio Kultur. Sie zeigt in der Ausstellung "Let’s buy it!", wie Kunst und Kapital zusammenhängen, anhand solcher kunsthistorischer Beispiele bis heute. Dürer habe einst ein Sortiment an Grafik zusammengestellt hat, um verschiedene Käuferkreise und verschiedene Geldbeutel zu bedienen und habe auf diesem Wege, auch seine Kunst verbreiten wollen.

Das Interview im Wortlaut:

Nana Brink: Die Aldi-Tüte, die ist ein Kunstwerk! 1970 schuf der Künstler Günter Fruhtrunk das unverwechselbare Logo mit den blau-weißen Schrägstreifen, er war ein hoch angesehener abstrakter Maler und für die Aldi-Tüte hat er sich später sogar bei seinen Schülern entschuldigt. Denn im Kunstbetrieb gilt – und das gilt ja immer noch – als anrüchig, wenn Künstler Kunst zur Massenware machen. Eine opulente Ausstellung in der Ludwiggalerie in Oberhausen zeigt jetzt, wie Kunst und Kapital seit 500 Jahren miteinander verflochten sind. "Let’s buy it!" heißt die Ausstellung, Christine Vogt ist Direktorin der Ludwiggalerie. Guten Morgen!
Christine Vogt: Guten Morgen!
Brink: Was hat Sie an diesem Thema so gereizt?
Vogt: Na ja, man beobachtet natürlich den Kunstmarkt und denkt: Meine Güte, was ist da los, wie kann auf einmal ein Werk so teuer sein? Andererseits beobachtet man die Tendenzen, die es natürlich – Sie haben die 70er-Jahre schon genannt – immer gab, Kunst für alle zu machen, dass Kunst eben in Druckgrafik, in hohen Auflagen auch günstiger wird. Dann beobachtet man die unterschiedlich Situation der Künstler, wie gesagt, einige Werke erreichen Millionenbeträge, andererseits können nur ein bis drei Prozent der Akademieabgänger überhaupt von ihrer Kunst leben. Und da habe ich gedacht: Da müsste man noch mal mit der Kunst draufgucken, und so habe ich eine breite Ausstellung eben vom späten Mittelalter bis heute zu diesem Thema zusammengestellt.
Brink: Also, es wurde in der Unterzeile ja schon angekündigt: Albrecht Dürer, Andy Warhol bis zu Gerhard Richter. Welche Werke zeigen Sie da genau und wie hängen die dann ja auch miteinander zusammen, dass sie eine Geschichte erzählen können?
Vogt: Also, das, was bei Albrecht Dürer anfängt, hat natürlich damit zu tun, dass Albrecht Dürer als der erste Künstlerunternehmer gilt, der also richtig ein Sortiment an Grafik zusammengestellt hat, um verschiedene Käuferkreise, also von den Interessen her zu bedienen, aber auch verschiedene Geldbeutel zu bedienen, um aber auch seine Kunst zu verbreiten. Das ist, was … Also, ich glaube, dass vor allem Albrecht Dürer und Andy Warhol vom wirtschaftlichen Konzept her sehr zusammenhängen, weil, auch Warhol hat natürlich verstanden, dass, wenn man viel Druckgrafik schafft, wenn man seine Kunst sehr, sehr stark weitergibt, dass das eben auch dazu führt, dass immer mehr Leute die Werke kennen.
Wir zeigen von Albrecht Dürer verschiedene Beispiele aus dem Sortiment der Druckgrafik, auch zum Teil gegenübergestellt mit Kopien. Das ist natürlich auch so etwas, dass die sehr gefragten Künstler immer wieder kopiert werden. Und während dann eben im 17. Jahrhundert die Dürer-Holzschnitte zum Beispiel in der Radierung kopiert werden, werden Andy Warhols "Marilyn", die wir in der Druckgrafik zeigen, von den sogenannten "Sunday B. Morning"-Raubdrucken kopiert und weiterverbreitet. Also, das ist auf jeden Fall was, was die beiden zusammenbringt. Bei Gerhard Richter ist es so, dass wir im eigenen Bestand ein Werk haben mit dem Titel "Mutter und Tochter". Das sieht auch ein bisschen so aus, als ob Brigitte Bardot, die da nämlich drauf ist, mit ihrer Mutter vielleicht beim Shoppen wäre.
Aber da ist natürlich interessant, dass dieses Werk 1974 für 28.000 D-Mark für die damals Städtische Galerie angekauft wurde und diese Werke ja heute im Kunstmarkt also wirklich durch die Decke gegangen sind, wenn ich das mal so salopp formulieren darf. Und diese Grätsche, die da ist, dass auf einmal – das Bild ist ja immer das gleiche, also, das Bild verändert sich ja nicht –, dass auf einmal dieses Geld, also, was für Kunst bezahlt wird, in einem kleinen Marktsegment natürlich nur, für uns ja auch gar nicht mehr vorstellbar ist.

Mal hip, mal anrüchig

Brink: Warum ist es dann immer noch so, dass es angeblich als anrüchig gilt, wenn man sozusagen Kunst – ich will ja nicht zur Massenware –, oder wenn Kunst dann so teuer ist? Oder ist das wirklich ein völlig überholter Mythos?
Vogt: Ja, da ist auch die Frage, wer es wie sieht. Also, wir zeigen ja auch sehr viel Positionen der zeitgenössischen Kunst, und da kann man natürlich sehen, dass es sowohl die als auch die Einstellung gibt. Es ist natürlich klar, Leute wie Damien Hirst, die machen sich das natürlich zu eigen, dass der Kunstmarkt so eben funktioniert, also wie gesagt, ja nur im allerobersten Segment, wie er eben funktioniert.
Andere finden es natürlich nach wie vor immer noch sehr merkwürdig, dass es so ist. Und die Verbindung von Kunst und Geld ist in gewissen Kreisen hip und in anderen Kreisen anrüchig. Von der Geschichte her – und wir gucken ja tatsächlich auch in die Historie rein – ist es natürlich so, dass früher die Kunst immer Auftragskunst war. Im Mittelalter oder auch noch bis ins 19. Jahrhundert hinein ist es natürlich so, dass die Kirche oder der Kaiser oder das Bürgertum eben Portraits oder was auch immer in Auftrag gegeben hat, da war das halt ganz normal.
Brink: Vielen Dank, Christine Vogt, die Direktorin der Ludwiggalerie in Oberhausen. Danke für das Gespräch hier im "Studio 9"!
Vogt: Ja, wir freuen uns auf den Besuch!
Brink: Mit Sicherheit! Denn morgen haben wir alle die Chance dazu, in der Ludwiggalerie in Oberhausen, da eröffnet nämlich die Ausstellung "Let’s buy it!" Und sie geht noch, wenn ich das richtig sehe, bis Ende des Jahres.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Die Ausstellung "Let´s buy it. Kunst und Einkauf" ist in der Ludwiggalerie im Schloss Oberhausen noch bis zum 14. Mai 2017 zu sehen.