Ausstellung in Berlin

Die Rückkehr der verlorenen Gemälde

Ausstellung "Das verschwundene Museum" im Berliner Bode-Museum
Werke des heiligen Sebastian (l) von Jusepe de Ribera und des heiligen Matthias von Caravaggio in der Ausstellung "Das verschwundene Museum". © picture alliance / dpa / Foto: Jörg Carstensen
Von Christiane Habermalz · 17.03.2015
Im Zweiten Weltkrieg sind wahrscheinlich drei Werke von Caravagio in Berlin verbrannt worden. Jetzt sind sie und andere verlorene Werke als Schwarz-Weiß-Reproduktionen in der Ausstellung "Das verschwundene Museum" in der Berliner Gemäldegalerie wieder zu sehen.
Berlin besaß einmal vier großformatige Gemälde des berühmten Caravaggio. Heute hat es noch eines: Den "Amor", eine der Hauptattraktionen der Berliner Gemäldegalerie. Die drei anderen Werke des italienischen Barockmalers sind aller Wahrscheinlichkeit nach am 18. Mai 1945 zusammen mit einer Vielzahl anderer hochkarätiger Kunstwerke der Berliner Museen verbrannt – und damit für immer verloren. Jetzt sind die Meisterwerke, im Rahmen der Ausstellung "Das verschwundene Museum", wieder zurückgekehrt an die Museumswand, wenn auch nur als eins zu eins Schwarz-Weiß-Reproduktionen.
Bernd Lindemann, Direktor der Gemäldegalerie, steht vor Caravaggios legendärem "Matthäus, inspiriert von einem Engel". Wie immer bei Caravaggio entbehrt die Szene nicht einer gewissen Erotik. Dies war jedoch nicht der alleinige Grund, erläutert Lindemann, warum diese erste Fassung des Bildes damals vom Auftraggeber, der Contarelli-Kapelle in Rom, zurückgewiesen wurde. Vielmehr ging es um Matthäus‘ Fuß.
Bernd Lindemann: "Weil der Fuß so wunderbar von unten zu sehen ist und fast illusionistisch über dem Altar schwebte, Caravaggio ist ja jemand der die Malerei revolutionierte, und es kann gut sein. Dass man so etwas als ein bisschen undezent, und immerhin ist ja der Altar der Ort an dem die Hostie in das Allerheiligste verwandelt wird, dass man sich daran ein bisschen gestört hat."
Die Gemäldegalerie verlor etwa 400 Gemälde
Das Bedauern über den Verlust des Meisterwerks ist Lindemann anzusehen. Die Gemäldegalerie verlor etwa 400 Gemälde, die Skulpturensammlung ein Drittel ihrer Bestände. Gegen Kriegsende zerstörten zwei Brände im Flakbunker Friedrichshain zahlreiche Kunstwerke, die dorthin aus Angst vor den Bomben ausgelagert worden waren. Der Rest wurde im August 1945 von der Trophäenkommission der Roten Armee nach Moskau abtransportiert. In den 50er-Jahren wurden zwar viele Stücke zurückgegeben.
Doch vieles war durch Krieg und Transport schwer beschädigt. Die Ausstellung will nun die verlorenen Hauptwerke der beiden Sammlungen wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Anhand von schwarz-weiß- Fotografien in Originalgröße – und anhand von Gipsabgüsse der zerstörten oder verschollenen Skulpturen. Denn anders als die Originale haben in der staatlichen Gipsformerei viele Negativformen den Krieg überstanden – als quasi dreidimensionales Gedächtnis der Berliner Museen. Jetzt wurden extra für die Ausstellung zahlreiche Abgüsse geschaffen, erzählt Miguel Helfrich, Leiter der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin
Miguel Helfrich: "Diese Form, die Sie hier sehen, die ist ein paar hundert Jahre alt. Und aus dieser hundert Jahre alten Form wird heute noch gearbeitet. Wir arbeiten sozusagen selber mit Museumsstücken, und dort ist, wenn Sie so wollen, ein wenig von der DANN des Originals drin, das wurde direkt vom Original abgenommen, und wir versuchen anhand dieser historischen Form das Original wieder auferstehen zu lassen."
Das Bronzeoriginal wird in Moskau vermutet
Auferstanden ist so die unglaublich modern anmutende Figur des Johannes des Täufers, geschaffen vom florentinischen Renaissance-Bildhauer Donatello um 1445. Das Bronzeoriginal wird in Moskau vermutet, heute erinnert sich kaum noch jemand an diese Skulptur. Die hochinteressante Ausstellung zeigt nicht nur die Lücken auf, sondern auch, wie die Spitzenwerke aus dem kollektiven Gedächtnis der Kunstgeschichte verschwunden sind. Und sie zeigt die historischen Umstände der Zerstörung, wirft Fragen auf, wie heute Museen mit den Folgen umgehen sollten.
Etwa die einst berühmten Schildträger von Tullio Lombardo, feinste Marmorbildhauerei der Renaissance. Wie gefallene Krieger liegen die beiden Skulpturen mitten im Raum. Beinstümpfe ragen in die Luft. Der Rumpf verbrannt, das Marmor durch die Hitze des Brandes zu Kalk und Gips zerbröselt, das Gesicht eine amorphe Masse. In den 50er-Jahren kamen sie so aus der Sowjetunion zurück. Ein Foto daneben zeigt den Vorkriegszustand, die stolzen, schlanken Körper, die feinen Gesichtszüge der jungen Krieger. Wie damit restauratorisch umgehen? Den alten Zustand rekonstruieren? Die Kriegszerstörung zeigen?
"Wollen wir diesen Tag der Weltgeschichte dauerhaft konservieren, oder wollen wir dem Anspruch des Künstlers versuchen, wieder ein bisschen gerechter zu werden. Das ist die Frage, die wir hier an die Besucher geben wollen."
Der Streit ist festgefahren
Restaurator Paul Hofmann. Doch noch ganz andere Fragen wirft die Ausstellung neu auf. Wie umgehen mit den ungelösten politischen Folgen des Krieges? Noch immer lagern schätzungsweise etwa eine Million Kunstwerke aus deutschen Museen in der ehemaligen Sowjetunion. 1998 hatte die Duma die restliche Beutekunst zu nationalem Eigentum erklärt, als Kompensation für die geschätzten 600.000 während des Krieges in Russland zerstörten oder gestohlenen Kunstschätze. Politisch ist der Streit festgefahren.
Doch seit 2005 arbeitet die Initiative Deutsch-russische Museumsdialoge daran, auf fachlicher Ebene das Eis zu brechen, gegründet von der Kulturstiftung der Länder, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und den 87 deutschen Museen, die von Verlusten betroffen sind. Seitdem ist viel Vertrauen aufgebaut worden. Derzeit würden erst einmal die Kriegsverluste beider Seiten erforscht, sagt Britta Kaiser Schuster von der Kulturstiftung der Länder. Langfristig sei das Ziel, die Schätze überhaupt wieder der Öffentlichkeit zu zeigen.
"Man könnte sich zum Beispiel vorstellen, dass man die juristische Seite außen vor lässt, indem man gegenseitige Leihverträge vereinbart, und Dinge dann auf eine bestimmte Zeit an bestimmte Häuser bindet. Das wäre sicherlich eine Möglichkeit. Wenn die Politik da ein Interesse hat, kann man auch Lösungen finden."
Das aber würde bedeuten, dass die deutschen Museen ihren Eigentumsanspruch aufgeben. Ein Schritt, mit dem sich Hermann Parzinger wohl nicht so ohne weiteres anfreunden könnte. In der Vergangenheit hat der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wiederholt klar gemacht, dass er auf Kunstschätze wie etwa den berühmten Eberswalder Goldschatz, der im Keller des Puschkin-Museums in Moskau liegt, weiter Anspruch erhebt, weil sie zum deutschen Kulturerbe gehörten, und für den Sammlungszusammenhang von zentraler Bedeutung seien. Bleibt die Frage, wer sich, 70 Jahre nach Kriegsende, als erster bewegt. Ohne politische Lösung jedenfalls bleiben die Kunstschätze weiter in den Depots der russischen Museen. Das verschwundene Kulturerbe der Menschheit.

Die Ausstellung "Das verschwundene Museum: Die Berliner Skulpturen- und Gemäldesammlungen 70 Jahre nach Kriegsende" ist bis zum 27. September 2015 im Berliner Bode-Museum zu sehen.

Mehr zum Thema