Ausstellung

Haarige Bildsprache

Von Carsten Probst · 16.02.2014
Corinne Wasmuht malt ein bis zwei Bilder pro Jahr: Es sind bis zu vier, fünf Meter große Werke, die einer Art poröser Tapete gleichen, aus der heraus sich viele kleine Realitätsfetzen in den Vordergrund schieben.
Corinne Wasmuhts jüngere Bilder zeigen vielfach Orte, die jeder aus dem Alltag kennt, anonyme, transitorische Orte, öffentliche Plätze, Flughafenhallen, aber auch Stills aus Fernsehbildern. Es geht um Szenerien, in denen ständig alles in Bewegung ist, und die auf Wasmuths Bildern wie große eingefrorene und zugleich dynamische Panoramen erscheinen. Wasmuht überblendet diese flirrenden Szenerien mit einer Ästhetik, die man aus Bildbearbeitungsprogrammen wie "Photoshop" oder von bestimmten Filmtechniken kennt, bei denen Kontraste und Farbsättigungen so extrem überbetont werden, dass Konturen sich auflösen, sich neue bilden, Farben explodieren.
Zugleich schachtelt Wasmuht Räume und Ereignisse so ineinander, dass sich in ihren Breitband-Bildformaten eine Orientierungslosigkeit und ein großer Raumsog ergibt. Alles wirkt sehr fantastisch und künstlich wie eine Computerwelt, dann jedoch wird man sich bewusst, dass das alles mit großer Präzision auf Holzgrund von Hand gemalt ist - klassische Tafelbilder also. Die gebürtige Dortmunderin, die in Peru und Argentinien aufgewachsen ist, deren Familie aber eigentlich rumänische Wurzeln hat, sagt von sich selbst, dass ihrer ganzen Generation doch die Computerästhetik in Fleisch und Blut übergegangen sei.
"Diese Computerästhetik, die hatte ich ja schon früher. Also von Anfang an, und ich habs mir so erklärt, dass die ganzen Computerspiele-Entwickler ja mein Alter haben und dass die (...) die gleichen Sachen 'cool', ist ja ein neues Wort, also 'geil', 'cool' finden, wie ich auch, und die Ästhetik ist die gleiche, weil wir einfach gleich alt sind. (...) Also wir alle haben dann unbekümmert gesamplet und die Sachen gemischt, die nicht gehen und die nicht gemacht werden durften."
Malerin und Babyboomer
Corinne Wasmuht ist Jahrgang 1964 - zu ihrer Malergeneration gehören Katharina Grosse, Valérie Favre, Neo Rauch, Daniel Richter, Eberhard Havekost, von denen man im weitesten Sinn sagen kann, dass sie bei aller unterschiedlichen Bildrhetorik ein Thema verbindet, nämlich die Überlagerung und Verschmelzung verschiedener Realitäten: Analog und digital, gegenständlich und abstrakt, Wechsel von Wahrnehmungszuständen, Traum und Wirklichkeit, das Erhabene verbindet sich mit dem Banalen, die Kunstgeschichte mit dem Flüchtigen.
Diese Generation interessiert sich ebenso für traditionelle Formate, wie in Corinne Wasmuhts Fall für das auf Holz gemalte Tafelbild. Die Kieler Ausstellung zieht eine große Linie von den recht heterogenen Bildmotiven Wasmuhts der 80er und 90er Jahre zu dem Panoramenstil flirrender, ineinander geschobener Raumillusionen, an der man die Arbeitsweise von Corinne Wasmuht heute mühelos wiedererkennt.
"Und zwar war damals, als ich studiert hab, ja so wilde Malerei und möglichst viel schmieren und so, und ich hab selber auch ganz am Anfang auch mich darin versucht und schnell gemerkt, dass ich da einfach nicht weiterkomme. Und dann hab ich dann angefangen, aus Trotz oder aus Gegenreaktion so möglichst ganz genau und penibel zu malen, und dann (...) hatte ich ne Idee, eben Haare mal zu malen, und alle Haare-Abbildungen der Kunstgeschichte fotokopiert, das sind drei ganz dicke Ordner, und die hab ich so stilisiert und angeordnet, und da ging's einfach um die Linie im Bild."
Bilderforschung an Haaren
Die Haar-Bilder zählen trotz ihres frühen Entstehungsdatums während Wasmuhts Studienzeiten zu den originellsten und interessantesten Experimenten, die sie je gemalt hat. Sie vereinen ornamentale, architektonische, grafische, aber auch historische Eindrücke in sich und veranschaulichen zudem höchst virtuos den Collagen-Charakter von Wasmuths Arbeitsweise, der eigentlich auf einer ausgiebigen Recherchearbeit beruht und im Grunde genommen stets eine Bild-Erforschung mit den Mitteln der Malerei war. Ein Aspekt, den man ihren heutigen, populären Bildern Wasmuhts weniger anzusehen meint als ihren früheren.
"Als die Bildbearbeitungsprogramme da waren, hatte ich als erstes so ne große Arbeitserleichterung, weil ich nicht mehr zum Copy-Shop rennen musste. Und dann fängt man ja an zu spielen, dann dreht man an den Reglern. Also ich hab pro Bild, das ich am Computer – die Neuen sind alle am Computer entworfen – hab ich auch mehrere Zwischenstadien abgespeichert, (...) aber es entspricht immer meinen inneren Bildern oder Wunschbildern, sagen wir's mal so.
Immer sei es ihr mit dem Collagieren von Bildräumen darum gegangen, Dinge zu zeigen, die man nicht sehen könne, sagt Wasmuht – und vielleicht ist das das letzte Geheimnis ihrer höchst erfolgreichen Malerei - dass das Unsichtbare am Ende kein Geheimnis des Computers bleibt, sondern eines von ihrer eigenen Hand.