Ausstellung "Fire and Forget"

Die dunkle Erotik der Waffen

Eine Hand hält eine Pistole. CZ 75 SP-01 SHADOW, Standard size duty and defence pistol, cal. 9 mm Luger; 9x21.
Unbewaffnet zu sein, setze Vertrauen voraus, sagt der Politologe Herfried Münkler © picture alliance / dpa / Rene Fluger
Von Andreas Baum · 15.12.2014
Waffen als Instrumente, sich selbst zu erhöhen, ultimative Waffenfantasien und die Faszination für Gewalt: Die Ausstellung "Fire and Forget" in den Berliner Kunst-Werken beschäftigt sich mit der Ambivalenz von Waffen - im geschützten Kunst- und Theaterraum.
Der israelische Künstler und Dokumentarfilmer Amir Yatziv hat jahrelang Wochenendsoldaten gefilmt, auf der ganzen Welt. Polen, die deutsche Wehrmachtssoldaten spielen, Russen, die moderne Schlachten der israelischen Armee nach-inszenieren – und Deutsche in russischen Uniformen.
Die Frage, die sich ihm stellt: Ist es bei der Simulation des Waffengangs eigentlich wie mit dem Kind, das krank spielt und dann die Symptome der Krankheit bekommt – oder hat das Spielen mit Waffen im Gegenteil etwas reinigendes, befriedendes? Befreit das Spiel die Waffe von seinem bösen Gehalt?
Seine Bilanz: Waffen sind Instrumente, mit denen Menschen sich selbst erhöhen – auch, wenn sie sie nicht einsetzen. Die ultimative Fantasie der Wochenendsoldaten war es, auf dem Schlachtfeld zu fallen – und danach interviewt zu werden.
Den Ausstellungsmachern in den Berliner Kunstwerken, die heute Abend auf der Bühne des Hebbel-Theaters ihre ultimativen Waffenfantasien von dem Publikum ausgebreitet haben, geht es darum, die Ambivalenz von Waffen zu erforschen: Sie schaffen Krieg, aber auch Frieden, und in dem Moment, in dem der Finger am Abzug ist, kann immer noch eine Entscheidung gefällt werden – an jedem Ort und von jedem, der in dieser Lage ist.
Der Kurator der Ausstellung, Daniel Tyradellis, stellt sich vor allem die Frage, wie er dieses, der bildenden Kunst recht ferne Thema in den Räumen, die er in der Berliner Auguststraße zur Verfügung hat, zeigen kann – und er ist sich bis heute nicht sicher, ob es ihm gelingen wird.
"Es ist echt nicht so einfach, heute Kunstwerke zu finden, die diese Ambivalenz ins Bild setzen oder in seine Materialität überformen. Und selbst wenn es Werke gibt, die sich mit Waffen und Gewalt beschäftigen und womöglich reine Faszination sind oder sogar Begeisterung sind, ist die Rezeption in einem musealen Umfeld eigentlich fast immer so, dass man auch das wieder als subtile, sublime Kritik daran wahrnimmt."
Beispiel RAF: Faszination für beide Seiten der Gewalt
Neben ihm die Chefkuratorin der Kunstwerke, Ellen Blumenstein, die bereits eine künstlerische Gewalterfahrung mitbringt: Sie hat die umstrittene Ausstellung um die Terrorgruppe RAF und ihre ästhetischen Auswirkungen bestückt – das war im Jahr 2005. Die Faszination für die beiden Seiten der Gewalt ist immer noch da. Uns interessiert die Frage, sagte sie, wie man diesen Augenblick, in dem der Finger am Abzug der Waffe ist, in einem Raum zeigen kann, wie Kunst erklären kann, was eigentlich nicht ihre Sache ist.
"Die Waffe ist ein Instrument. Sie steht sowohl für die Ausübung von Gewalt, aber auch für die Verhinderung von Gewalt. Sie ist ein sehr ambivalentes Instrument, das sich durch die Geschichte in ihrer Wahrnehmung, und natürlich auch in ihrer Handhabung und in ihrer Technologie stark verändert hat, und das war für uns der Anlass, und der Startpunkt in dieser Idee und der Überzeugung, dass Kunst sowohl die Affekte, aber auch eine psychische Disposition der Gesellschaft in der öffentlichen Diskussion momentan stattfindet."
Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler wünscht sich beim Thema Waffen und Gewalt, dass blinde Flecken erforscht werden. So sind seiner Ansicht nach Grenzen in Europa und der Welt etwas, das schützenswert und Frieden stiftend ist. Die Vereinbarung, dass es Grenzen gibt, hat die Chance, eines gewaltsamen Todes zu sterben, für alle Menschen seit der Jungsteinzeit von 20 Prozent auf 2 Menschen reduziert.
"Dass wir alle hier vermutlich unbewaffnet sitzen, hat zur Voraussetzung ein gewisses Vertrauen. Nämlich das Vertrauen darin, dass keiner da sein wird, oder dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass Gewalt gegen uns ausgeübt wird. Wenn wir unterstellen müssten, das wäre der Fall, dann werden wir anfangen, wie die Studenten des späten 19. Jahrhunderts noch Stockdegen zu tragen, also mit einem Stock spazieren zu gehen, aber man kann die Hülle abziehen, und dann ist es eine Waffe."
Selbst Pazifisten von Schönheit der Gewalt angezogen
Worüber aber Ausstellung "Fire and Forget" vor allem erzählen soll, das ist die dunkle Erotik, die von Handfeuerwaffen und Infanterie, selbst von ferngelenkten Raketen ausgeht, und der sich auch der zivilisierte Mensch nicht entziehen kann. Wenn er es doch tut, lügt er, sagt der Kurator Daniel Tyradellis, der zugibt, dass auch eine Schocktherapie seiner Eltern in seiner Kindheit nicht geholfen hat: Sie schenkten ihm Plastikpanzer und Holzpistolen, damit er sich an das Böse in der Welt ästhetisch gewöhnt – und es von alleine ablehnt. Geholfen hat es nicht, sagt er, selbst der friedlichste Pazifist wird von der Schönheit der Gewalt angezogen, das ist seine Vermutung.
"Ich meine, wenn man Fight Club guckt, dann ist natürlich Brad Pitt der geilere von beiden. Keine Frage. Nicht nur, weil er besser aussieht. Sondern weil er sich halt Dinge traut, nun mögen Sie sagen, dass ist jetzt wieder so ein Männer-Ding, aber ich glaube… - Nö, finde ich nicht, ist bei uns auch so."
Am Ende des Abends waren sich alle, wie am Anfang, recht einig über die Ambivalenz der Waffen, wohl weil sich im geschützten Kunst- und Theaterraum ohnehin nur Menschen zusammen finden, die vom eigentlichen Problem, der dunklen Seite der Waffen weit entfernt sind. Die Bösen im Spiel waren heute nicht da.
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