Ausstellung

Bilder einer Odyssee

Fotos der Ausstellung "Ein Koffer voller Bilder" hängen im Amerika Haus der Galerie C/O Berlin. C/O Berlin präsentiert weltweit als erste Institution eine große Retrospektive von Lore Krüger.
Fotos der Ausstellung "Ein Koffer voller Bilder" hängen im Amerika Haus der Galerie C/O Berlin. C/O Berlin präsentiert weltweit als erste Institution eine große Retrospektive von Lore Krüger. © picture alliance / dpa
Von Dieter Wulf · 23.01.2015
Flucht ins Exil, Verstecke, Inhaftierung: Die jüdische Fotografin Lore Krüger durchlebte während der Nazi-Zeit eine unglaubliche Odyssee. Dennoch schaffte sie es, ihre Fotos zu retten. Die Galerie C/O Berlin erinnert mit einer Ausstellung an die Künstlerin und ihre bewegende Biografie.
"Herr Krüger kam in Begleitung zweier Damen und haben mehrere Mappen mit Bildern drin mir präsentiert mit Arbeiten aus den 30er- und 40er-Jahren von Lore Krüger."
Erinnert sich Felix Hoffmann, Kurator der bekannten Berliner Fotogalerie C/O Berlin, an seine erste Begegnung mit Ernst Peter Krüger und den Fotos seiner Mutter Lore Krüger vor zwei Jahren. Felix Hoffmann hatte vorher in Essen am Museum Folkwang gearbeitet, wo man besonders auch auf Fotografie spezialisiert ist. Von einer Fotografin Lore Krüger aber hatte er noch nie gehört. Die Fotos faszinierten ihn trotzdem sofort und boten gleichzeitig einen Blick auf eine bewegende Exilantenbiografie.
"Wenn Ihr diesen Brief erhaltet, werden wir nicht mehr leben"
"Dann haben wir ja irgendwann mal, als wir bei Herrn Krüger zu Hause waren und die Fotos nochmal sortiert haben diesen Abschiedsbrief der Eltern gefunden, die sich nach Mallorca geflüchtet haben und auf Mallorca beschlossen haben, sich umzubringen. Und in diesem Abschiedsbrief ist die erste Zeile schon so bewegend dass einem ganz kalt wird. Da schreiben die Eltern an die beiden Kinder: Wenn Ihr diesen Brief erhaltet, werden wir nicht mehr leben."
Die Familie lebte in Magdeburg, der Vater war Betriebsdirektor einer großen Firma. Der jüdische Glaube hatte bis dahin weder bei Lore, noch ihren Eltern eine Rolle gespielt, aber mit der Machtübername der Nazis änderte sich alles. Der Vater verlor seine Arbeit, die Tochter ihre Ausbildungsstelle. Die Eltern emigrierten nach Mallorca, die Tochter bekam eine Au-Pair-Stelle in England, erzählt ihr Sohn Ernst Peter Krüger.
"Als das Au-Pair-Jahr vorbei war in England, ist sie hinterher gegangen nach Palma und sie hat immer sehr gerne fotografier, und so hat sie sich offenbar überlegt, sie möchte gerne Fotografin werden und diese Ausbildung begann sie in Spanien und ist dann nach Paris gegangen. So kam sie zu Florence Henri, die ihr eine Ausbildung ermöglicht hat und sie ausgebildet hat zur Porträtfotografin."
Der Freitod als einziger Ausweg
Doch schon bald nach ihrer Ausbildung überfiel die Wehrmacht auch Frankreich. Eine unglaubliche Odyssee begann. Erst inhaftiert von der französischen Vichy-Regierung, konnte sie fliehen, versteckte sich monatelang in Südfrankreich und schaffte es dann, zusammen mit ihrem späteren Mann – auch er Flüchtling aus Deutschland – auf ein Schiff nach Mexiko, das dann aber in die USA fuhr. Die Eltern hatten weniger Glück. Als das zu Spanien gehörende Mallorca ihre Ausweisung ankündigte, sahen sie als einzigen Ausweg nur noch den Freitod. Vergeblich hatten sie sich jahrelang um rettende Ausreisevisa bemüht.
Lore Krüger und ihr Mann – mittlerweile hatten sie in New York geheiratet – entschieden sich 1946 nach Deutschland, nach Ost-Deutschland zurückzugehen. Und auf dieser Odyssee immer mit dabei: ihre Fotos.
"Man muss sich erst mal klarmachen, dass Lore Krüger, die ja Anfang 20 war, als sie da bei Florence Henri in Paris studiert hat, diese Bilder aus Paris über New York die ganze Flucht mitgetragen haben muss, oder sich drum gekümmert haben muss, damit die nicht verloren gehen. Also deswegen auch der Koffer voller Bilder. Ist ja auch ne Metapher dafür, dass diese Bilder was sind, was eine Flucht überdauert, was irgendwie Identität bedeutet und das bis heute da ist. Es gibt keine Negative mehr. Es gibt 150, 200 Bilder, so um den Dreh. Sind alles Unikate. Die gibt's einmal und die sind erhalten."
Nach dem Krieg Karriere als Übersetzerin
Im Nachkriegsdeutschland aber wird Lore Krüger bald krank. Und weil das Tragen von schweren Fotoausrüstungen ihr dann nicht mehr möglich ist, wird sie Übersetzerin, erzählt ihr Sohn.
"Sie hatte ja in mehreren Ländern gelebt in Spanien, in Frankreich, in England. Sie hatte ein sehr leichtes Sprachverständnis und demzufolge bot es sich an, Bücher zu übersetzen, und das tat sie dann."
Weltliteratur, Werke von Mark Twain, Daniel Defoe, Robert Lewis Stevenson oder Doris Lessing wurden von Lore Krüger übersetzt. Dass auch ihre fotografisches Werk so bedeutend sein könnte, war selbst den eigenen Kindern lange nicht klar.
"Wir sind stolz auf unsere Mutter. Dass die Bücher so bedeutsam waren, das haben wir gewusst, aber dass die Fotos auch so bedeutsam waren, das haben wir nicht geahnt das wissen wir erst jetzt."
Mit diesen Bildern, die zum Teil an Bauhausklassiker wie Fotoikonen von Man Ray erinnern, die nun kurz nach ihrem hundertsten Geburtstag erstmals überhaupt öffentlich gezeigt werden, will C/O Berlin an die Künstlerin Lore Krüger, aber auch an ihre bewegende Biografie erinnern.
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