Aussenpolitik

Mediation statt Munition

Von Jens Rosbach · 26.11.2014
Frieden schaffen durch Verhandlungen: Auf dieses Konzept will sich nun die deutsche Außenpolitik konzentrieren. Dabei soll eine Verhandlungstechnik eingesetzt werden, die sich bei Ehe- und Nachbarschaftskonflikten bewährt hat - die Mediation.
Die Konferenz sollte ein Startschuss sein: Deutschland will sich stärker bei Krisen in aller Welt engagieren - als "Mediations-Macht".
"Wir haben den nationalen Dialog in der Ukraine mit auf den Weg gebracht, das steht auch für einen solchen Ansatz der Friedensmediation; Schweiz, Norwegen, Finnland sind dafür bekannt. Deutschland ist weniger im Blickpunkt bisher gewesen, wir wollen unseren Ansatz hier auch sichtbarer machen - und dann den Weg auch gemeinsam gehen."
Führungsrolle bei der Friedensvermittlung?
Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Bislang haben deutsche Vermittler auch in Kenia, Mali und Äthiopien, im Sudan und im Jemen, in den Nil-Anrainer-Staaten, in Kirgisien und Sri Lanka gewirkt - zumeist unbeachtet von der Öffentlichkeit. Darf Deutschland nun auf dem internationalen Parkett seine Erfolge hinausposaunen - und künftig gar eine Führungsrolle bei der Friedensvermittlung übernehmen?
Der Hauptveranstalter der Mediationstagung, das Auswärtige Amt, hatte - geschickt - einen Spitzendiplomaten geladen, der den Deutschen ein gutes Eignungszeugnis aufgrund ihrer Vergangenheitsbewältigung ausstellte: Tim Guldimann, den Schweizer Botschafter in Berlin. Guldimann lobte die hiesige Aufarbeitung des Nationalsozialismus.
"Wenn man überlegt, in der Welt im 20. Jahrhundert ist Deutschland der einzige Staat, der wirklich radikal diese Sache angegangen ist im Gegensatz zu vielen anderen. Und das vermittelt den Deutschen eine moralische Integrität und moralische Glaubwürdigkeit und es geht ja um Softpower, die hier eine Voraussetzung bildet, um glaubwürdig aktiv zu sein."
Softpower: statt Waffen - Glaubwürdigkeit und Autorität. So können etwa politische Schwergewichte die Streithähne leichter zusammenbringen. Ein Vorbild: der einstige UN-Generalsekretär Kofi Annan.
"Wer ihn mal kennengelernt hat, der weiß, dass er tatsächlich eine ungeheure Ausstrahlung hat. Er spricht so leise, dass man sich richtig anstrengen muss, um überhaupt zu verstehen. Das bringt sofort, ja, seine Gesprächspartner in eine sehr aufmerksame Situation. Und es ist wirklich schwer, sich der Aura seiner Person zu entziehen."
Verteilen von Posten
Gernot Erler, ehemaliger SPD-Staatsminister im Auswärtigen Amt, hat 2008 - im Schatten von Kofi Annan - in Kenia vermittelt. Seine Aufgabe bestand darin, den gewalttätigen, verfeindeten Parteien von den Großen Koalitionen in Deutschland zu erzählen. Dreißig Minuten lang referierte der Diplomat unter anderem über das Verteilen von Posten und Pöstchen zwischen den Fraktionen an der Spree.
"Meine Unterrichtungen über die Große Koalition wurden ganz offensichtlich bei der Regierungsbildung wörtlich verstanden. Premierminister Odinga schuf ein Kabinett von 40 Ministern und 52 Stellvertreterposten - alle sehr gut bezahlt. Aber über die lange Distanz war das für Kenia der richtige Weg aus der Katastrophe."
Erler war zwar als Diplomat, als Staatsvertreter, im Einsatz. Praktisch wirkte er aber wie ein Mediator, der keine politischen Ziele verfolgt. Denn keine Mediation ohne Unabhängigkeit. Hans Joachim Giessmann ist Geschäftsführer der Berghof Foundation, einer Friedens-Stiftung mit Sitz in Berlin und Tübingen. Der Konfliktlöser war unter anderem in Nepal tätig und weiß, dass Diplomaten zum Beispiel nicht einfach mit Terroristen verhandeln dürfen - Giessmann, als Mediator, kann anders agieren.
"Mir selbst ist es auch schon so gegangen, dass ich mit Akteuren gesprochen habe, von denen ich weiß, dass sie in Verbrechen verwickelt gewesen sind. Aber gleichzeitig handelt es sich hier auch um Akteure, die in ihren Gemeinschaften sehr starken Rückhalt haben und sie muss man auch gewinnen, dass sie zumindest den Friedensprozess nicht stören, sondern sich so verhalten, dass eine Verhandlungslösung möglich wird."
Ungebundene, freie Position
Der Grundsatz ist allen klar: Mediatoren sollten immer eine ungebundene, freie Position einnehmen - betont Nahost-Experte Oliver Wils, ebenfalls von der Berghof Foundation.
"Ich denke, was extrem wichtig ist, ist eine klare politische Position, dass man den Prozess unterstützen möchte - und nicht einzelne Akteure. Das ist extrem wichtig, weil das auch heißt, die Eigeninteressen müssen entweder klar formuliert sein oder dürfen nicht die Hauptmotivation sein, warum man sich als unterstützende Drittpartei anbietet."
Politisch unabhängig
Doch dieser hehre Anspruch ist nicht immer umzusetzen - wie sich in einem Fach-Workshop zeigte. Hier referierte ein ehemaliger Botschafter, der von 2007 bis 2010 in Äthiopien mediiert hat. Der Diplomat sollte dort - parallel zum Vermitteln - auch noch eine Oppositionspolitikerin aus dem Gefängnis freikämpfen. So wurde der Friedensstifter zum politischen Interessenvertreter. Auch deswegen scheiterte eine Konflikt-Lösung in Adis Abeba. Damit solche Fehlschläge künftig ausbleiben, will das Auswärtige Amt die Kooperation mit NGOs und Institutionen ausbauen, die Mediatoren trainieren. Der 33-jährige Christoph Lüttmann hat so eine Ausbildung absolviert. Jetzt berät er im ukrainischen Odessa einzelne Konfliktparteien - politisch unabhängig.
"In Deutschland gibt es gewisse Vorgaben, eine Mediationsausbildung zu durchlaufen. Das sind in der Regel 200 Stunden Ausbildung. Allerdings haben die meisten sehr unterschiedlichen Background. Manche haben eine juristische Ausbildung, manche kommen aus den Wirtschaftswissenschaften, Psychologen, Politikwissenschaftler. Da gibt es sehr sehr verschiedene Bildungshintergründe - allerdings ist allen gemein, dass sie Mediationserfahrung im Ausland gesammelt haben."
Die Berliner Tagung "Deutschland als Vermittler?" war ein Signal, dass das Auswärtige Amt Friedensvermittlung professionalisieren will. Hochkarätige Mediatoren und Diplomaten gaben - erstmals öffentlich - ihre Erfahrungen wieder. Sollte die Bundesrepublik diesen Weg weiter beschreiten, wäre das eine wichtige Aufwertung nichtmilitärischer Friedenslösungen. Diese Form internationaler Verantwortung ist das Gegenteil dessen, wie der deutsche Nationalstaat noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts wahrgenommen wurde.
Mehr zum Thema