Ausschluss der russischen Leichtathleten

Doping und kein Ende?

Leichtathletik-WM in Moskau 2013
Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Moskau 2013 © picture alliance/dpa/Foto: Bernd Thissen
Von Hanns Ostermann · 19.06.2016
Nach dem Olympia-Ausschluss der russischen Leichtathleten könnte der Kampf gegen Doping eine neue Qualität bekommen. Das IOC hat angekündigt, "weitere weitreichende Maßnahmen" anstoßen zu wollen. Aber welche sollten das sein, fragt sich Hanns Ostermann.
Jetzt hat also die russische Leichtathletik endgültig ihre Unschuld verloren. Zu erdrückend waren die Belege für systematisches Doping. Der zuständige Weltverband konnte gar nicht anders entscheiden. Viele sprechen von einem Schritt in die richtige Richtung. Dem müssten allerdings weitere folgen, um die Rechte sauberer Athleten zu stärken, teilt unter andern auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) mit. Einverstanden! Nur welche Schritte wären das?
Es gibt den Vorschlag des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), unabhängige und weltweit agierende Anti-Doping-Kontrolleinheiten einzusetzen. Die Weltverbände des Sports und die nationalen Anti-Doping-Agenturen müssten sich verpflichten, diese Kontrollen zuzulassen und finanziell abzusichern. Das klingt zunächst einleuchtend: Denn vom Sport allein initiierte oder sogar finanzierte Dopingkontrollen sind in den heutigen Machtstrukturen dieses Gewerbes aussichtslos. Die gigantischen Interessenskonflikte kennen wir inzwischen. Die sich daraus ergebenden mafiösen Verhältnisse auch. Ganz abgesehen von der Kreativität der Doper, denen die Analytik hinterher läuft. Unabhängigkeit heißt also das neue entscheidende "Zauberwort".

Papier ist und bleibt geduldig

Aber gibt es die überhaupt? Der Vorschlag des IOC erinnert mich an Geberkonferenzen der Politik. Auch dort werden hehre Absichten geäußert, hin und wieder Milliarden-Summen angekündigt. Wer nur wenig später Anspruch und Realität vergleicht, schüttelt den Kopf. Die versprochenen Mittel fließen spärlich. Papier ist und bleibt eben geduldig.
Wer im Spitzensport nicht nur an Symptomen herumdoktern will, muss weiter gehen. Er sollte darüber nachdenken, ob Höchstleistungen um fast jeden Preis wirklich erstrebenswert sind. Ist die Zahl der Goldmedaillen sichtbarer Ausdruck einer leistungsfähigen und humanen Gesellschaft? Wohl kaum – deren Wert liegt woanders. Das belegen nicht nur die enormen Anstrengungen der früheren Gastgeberländer der Olympischen Spiele in Athen oder Peking. Wir müssen gar nicht in die Ferne schweifen, ist doch das Schlechte relativ nah - vor allem die jüngere deutsche Geschichte liefert Anschauungsunterricht: Systematisch wurde in der DDR und nicht zufällig auch regelmäßig in der Bundesrepublik gedopt.
Solange wir uns durch vermeintliche Erfolge den Blick vernebeln lassen, wird sich nichts ändern. Dass die Politik dieses Spiel auch bei uns duldet, durch die Medaillenforderungen des Bundesinnenministers sogar befeuert, macht das Ganze noch trauriger. Mir tun jene Athleten, auch russische Athleten leid, die sich redlich und sauber bemühen, aber von vielen Seiten im Stich gelassen werden. Der Crash-Kurs des Spitzensports ist noch längst nicht zu Ende.
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