Aushebelung des Datenschutzes

"Ein Weg in den Totalitarismus"

Netzaktivist padeluun im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 22.01.2015
Führende Politiker wollen den Datenschutz immer weiter zurückfahren, um den Terror zu bekämpfen. Für den Netzaktivisten padeluun wäre die totale Kontrolle der Bürger-Daten jedoch das Ende der Demokratie. Dabei müssten eigentlich nur bessere Arbeitsbedingungen für die ermittelnde Polizei geschaffen werden.
Der Netzaktivist und Gründungsmitglied des Datenschutzvereins Digitalcourage, padeluun, hat die Forderung nach einer größtmöglichen Lockerung des Datenschutzes zur Terrorbekämpfung scharf kritisiert.
Vor dem Hintergrund entsprechender Forderungen führender Politiker wie David Cameron und Barack Obama sagte Padeluun am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur: "Immer wieder kommen Menschen, die, sagen wir mal, ein bisschen dumm sind und die sich mit einem Thema nicht wirklich beschäftigt haben und Dinge nicht zu Ende gedacht haben."
Politiker forderten unter dem Vorzeichen der Terrorbekämpfung nichts anderes, als dass "Menschen nackt herumlaufen, dass Gardinen abgehängt werden..., dass man sich wirklich völlig fremden Mächten ausliefert, dass man überhaupt keine Kontrolle über sich selbst mehr hat. Das ist eigentlich das, was gefordert wird. Es ist im Grunde ein Ende der Demokratie. Es ist ein Weg in den Totalitarismus."
Freiheit abschaffen, um Freiheit zu erhalten?
Padeluun, der auch ein ehemaliges Mitglied der Enquete-Komission des Bundestages Internet und digitale Gesellschaft ist, sagte weiter: "Das Hirnrissige" an der von ihm kritisierten Aushebelung des Datenschutzes sei, dass man mit einer totalen Kontrolle über die digitalen Daten der Bürger die Freiheit abschaffe, um die Freiheit zu erhalten. Doch immer wieder kämen Politiker "auf dieselbe dumme Idee", und am Beispiel der Anschläge in Frankreich könne man sehen, dass auch Überwachung Terroranschläge nicht verhindern können.
"Wenn wir in einer Demokratie klandestine Strukturen zulassen, sehen wir, dass wir dabei letztendlich nur verarscht werden, und dass es nur Leuten im Hintergrund, im Dunkeln nutzt – und sicherlich nicht Sicherheitskräften oder Menschen, die uns das Leben erleichtern wollen, sondern Menschen, die in irgendeiner Form ihre Macht erhalten wollen", so padeluun.
Bessere Bedingungen für Ermittlungsbeamte
Was statt dessen gebraucht würde, seien "Polizeiarbeit, Ermittlungsarbeit. Wenn wir irgendwo eine Stellschraube drehen wollen, dann, glaube ich, dass wir ganz gut beraten sind, wenn wir Beamten mehr Ressourcen zugestehen, also mehr Personal zugestehen, damit Dinge überhaupt bearbeitet werden können". Denn das eigentliche Problem bei der wirksamen Bekämpfung des Terrorismus seien überlastete Ermittlungsbeamte.
Der Netzaktivist sagte weiter, man solle sich klar machen, dass der Terrorismus einen so geringen Anteil unseres Lebensrisikos ausmache, dass es die viele Zeit nicht lohne, sich damit zu beschäftigen. Im Übrigen: "Demokratie und Freiheit bedeutet immer ein bisschen Risiko."
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Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: 2.700 neue Stellen bei der Polizei und beim Geheimdienst, die hat der französische Innenminister gestern angekündigt nach den Anschlägen von Paris. Unter dem Stichwort Terrorabwehr soll auch immer mehr gegen die Verschlüsselung unserer Kommunikation getan werden. Auch sein deutscher Kollege findet das gut: Man müsse "befugt und in der Lage sein, verschlüsselte Kommunikation zu entschlüsseln und zu umgehen, wenn dies für unsere Arbeit zum Schutz der Bevölkerung notwendig ist". Das heißt, wenn Sicherheitsbehörden etwas wissen wollen, dann wollen sie es sich auch holen dürfen, nicht mehr, wie bisher bei der NSA, durch die Hintertür, sondern ganz offen durch die Vordertür wollen sie alle Informationen bei uns einsammeln. So was wie Vertraulichkeit, das klingt dann immer ein bisschen wie die blaue Blume der Romantik. Darüber wollen wir mit dem berühmten Datenschützer und Künstler padeluun sprechen. Er war Gründungsmitglied des Vereins Digitalcourage und auch in der Enquetekommission des Bundestages "Internet und Digitale Gesellschaft", und Ehrenmitglied beim Chaos Computer Club ist er sowieso. Padeluun, guten Morgen!
padeluun: Recht schönen guten Morgen, hallo, Frau Billerbeck!
von Billerbeck: Wie hätten Sie es denn lieber? Dass der Staat eine Vorder- oder eine Hintertür, da durch die Vorder- oder Hintertür Zutritt zu unserer vertraulichen Kommunikation bekommt?
padeluun: Ich denke mal, wir wollen weder Skylla noch Charybdis. Ich möchte nicht, dass der Staat an vertrauliche Kommunikation kommt, weil es betrifft ja nicht, vor allem nicht die Terroristen – die finden immer einen Weg, zu kommunizieren. Es ist auch die Frage, ob die sich an Verschlüsselungsverbote halten würden. Sondern es betrifft uns alle und betrifft uns auch insoweit, und das haben wir durch Edward Snowden gelernt, dass jegliche nicht verschlüsselte Kommunikation sehr gerne von Geheimdiensten abgegriffen wird und irgendwo gespeichert wird. Das heißt, die Spitzbuben, auch die Spitzbuben, auch die Spitzbuben unter den Geheimdiensten, die haben die Informationen, aber gegen Terror hilft das gar nicht. Das hat Frankreich, das hat Paris ja sehr deutlich gezeigt.
Die Bürger sollen sich nackt ausziehen
von Billerbeck: Nun gibt es ja eine ganze Reihe von Politikern, die sich da gegen Verschlüsselung verwahren, und die wollen, dass man sie quasi entschlüsselt. Cameron, Obama, de Maizière, auch die Europäische Union. Fürchten Sie da eine neue Allianz?
padeluun: Na ja, diese Allianzen fürchte ich schon seit vielen Jahren. Immer wieder kommen Menschen, die, sagen wir mal, ein bisschen dumm sind und die sich mit einem Thema nicht richtig beschäftigt haben und Dinge nicht zu Ende gedacht haben. Das ist das Problem, das wir in der Politik haben. Dass dann immer wieder Mahner kommen müssen wie meine Vereinigung oder andere, die halt sagen, ey, Leute, guckt doch erst mal genau, was ihr da eigentlich fordert! Sie fordern nichts anderes, als dass Leute nackt herumlaufen, dass Gardinen abgehängt werden an den Häusern, dass man sich wirklich völlig fremden Mächten ausliefert, dass man überhaupt keine Kontrolle über sich selbst mehr hat. Das ist eigentlich das, was dort gefordert wird.
Es ist im Grunde ein Ende der Demokratie, es ist ein Weg in den Totalitarismus. Und dass wir den nicht haben wollen, dass wir die Freiheit nicht abschaffen wollen, um uns die Freiheit zu erhalten – das ist ja ein bisschen die hirnrissige Geschichte dabei –, das liegt eigentlich auf der Hand, und ich wundere mich, dass nach so vielen langen Jahren und vielen Diskussionen auch zu dem Thema immer wieder Politiker kommen, auf dieselbe, dumme Idee kommen. Und ich frage mich manchmal wirklich, was das eigentlich soll, ob es mehr ist als nur Symbolpolitik und Wählerstimmen-Fangen.
von Billerbeck: Nun wird ja auch immer mal wieder gerne argumentiert, man könne die Geheimdienste, die ja so was dann machen, was Sie da gerade geschildert haben, ja auch demokratisch kontrollieren. Die Erfahrungen damit, wir wissen es, sind nicht so toll, um es mal ganz schlicht auszudrücken, aber könnte das nicht vielleicht doch irgendwie funktionieren?
padeluun: Nein. Wir sehen sehr deutlich, gerade an den jetzigen Ausschüssen, in denen sogar mit sehr viel Ressourcen versucht wird, nichts herauszufinden, dass das nicht funktioniert. Wenn wir in einer Demokratie klandestine Strukturen zulassen, sehen wir, dass wir dabei, ja – letztendlich nur verarscht werden und das nur Leuten im Hintergrund, im Dunkeln nutzt und dass ganz sicher nicht Sicherheitskräfte oder Menschen, die uns das Leben erleichtern wollen, sondern Menschen, die in irgendeiner Form ihre Macht erhalten wollen. Was wir brauchen, sind Polizeien, also Polizeiarbeit, Ermittlungsarbeit. Wenn wir irgendwann eine Stellschraube drehen wollen, glaube ich, dass wir ganz gut beraten sind, ermittelnden Beamten mehr Ressourcen zuzugestehen, also auch mehr Personal zuzugestehen, damit überhaupt Dinge bearbeitet werden können.
Die Polizei sollte mehr unterstützt werden
Dann kommt dazu, dass wir uns vielleicht auch mal klar machen sollten, dass der Terrorismus, der immer so in die Luft gehoben wird – das macht einen so geringen Anteil an unserem Lebensrisiko aus, dass es eigentlich fast nicht wert ist, sich mit diesem Terrorismus zu beschäftigen. Da, glaube ich, haben wir ganz andere Dinge zu tun, und ich glaube, da müssten wir, wenn wir diesen Restterrorismus auch noch ein bisschen, wie sollen wir sagen, in die Schranken verweisen wollen, dann sollten wir mehr in die Kultur- und Bildungsarbeit tun. Dort ist das wirklich gut aufgehoben und gut angelegtes Geld. Aber in der Form, dass wir einfach nur den normalen Bürger oder die Bürgerin glauben machen wollen, dass irgendwelche ominösen Sicherheitskräfte auch das letzte Restrisiko in der Demokratie aufheben können, das ist so nicht. Demokratie und Freiheit bedeutet immer ein bisschen Risiko.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Teilnehmer des 31. Chaos Communication Congress (31C3) demonstrieren am Congress Center in Hamburg.© picture alliance / dpa / Malte Christians
Und wie gesagt, wenn wir uns die Zahlen noch einmal angucken, mal es vielleicht vergleichen mit Toten, die im Haushalt passieren, also Todesursache ist ein Haushaltsunfall, gegen das bisschen Terrorismus, das wir haben, dann sollten wir aufpassen, dass wir unseren Verstand nicht abgeben. Und das gilt auch für Herrn Cameron oder unseren Innenminister.
von Billerbeck: Nun sagen ja Politiker, dass zum Schluss noch, aber immer, Datenschutz ist wichtig, Terror ist aber gefährlich. Und nach dem Anschlag von Paris werden ihnen viele Menschen zustimmen. Würden Sie sagen, auch für Sie gibt es irgendwo Grenzen des Datenschutzes, oder wollen Sie die Gardinen immer zu halten?
padeluun: Ich möchte die Gardinen zu halten. Und ich glaube auch nicht, dass es notwendig ist, die zu öffnen. Ich kenne nun etliche Polizisten, die auch mit Ermittlungsarbeiten beschäftigt sind, die auch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, was die Politik sich da immer ausdenkt und fordert und meint, was die Polizei braucht. Die Polizei braucht tatsächlich mehr Ressourcen. Ich weiß zum Beispiel, im Betrugsbereich, wenn ich dort eine Anzeige mache, dann dauert das bis zu sechs oder acht Wochen, bis ein Polizist so eine Akte überhaupt zu Gesicht bekommt, weil er mit der Arbeit nicht hinterherkommt.
Geheimdienste gefährden die Sicherheit
Das sind die Probleme, die wir vielleicht haben. Aber im Bereich Terrorismus haben wir, auch wenn alle Medien ganz groß drüber schreiben, auch wenn es schrecklich ist, dass ein paar verrückte Spinner, die vielleicht dann auch von Staaten gelenkt sind, also sprich Geheimdienstler sind, solche schlimmen Dinge verursachen. Ich glaube, da müssen wir anders dran arbeiten und uns klar machen: Geheimdienste nutzen nicht der Sicherheit, Geheimdienste gefährden die Sicherheit. Die meisten Terroranschläge werden letztendlich von Geheimdienststrukturen durchgeführt. Und wir sollten nicht die Strukturen aufbauen, die uns oder Leute in anderen Ländern entsprechend gefährden.
von Billerbeck: Die demokratische Gesellschaft braucht also verschlüsselte Räume. Das sagt der Veteran des Datenschutzes, padeluun. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
padeluun: Ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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