Aus den Feuilletons

Zwischen Politik, Kunst und Kommerz

Kasper König gestikuliert vor einem roten Hintergrund
Chefkurator Kasper König auf der Manifesta in St. Petersburg © Deutschlandradio / Stefan Koldehoff
Von Gregor Sander · 02.07.2014
Ist Russland der richtige Ort für die Manifesta? Ja, meint "Die Zeit". Denn: Den Ausstellungsmachern gelingt ein schwieriger Balanceakt. Und während es in St. Petersburg um Politik geht, dreht es sich beim Comeback von Monty Python vor allem ums Geld.
Wie geht die Kunst mit der Politik um? Diese Frage stellte sich für 50 internationale Künstler, die zu Manifesta in die Eremitage nach St. Petersburg eingeladen wurden. Denn was hat die Kunst hier zu suchen?, fragt Hanno Rauterberg in der Wochenzeitung DIE ZEIT. Soll und darf sie sich blicken lassen in einem Land, das seine Nachbarn überfällt, das Kritiker wegsperrt, das gegen Homosexuelle hetzt? Wird ein Künstler nicht mitschuldig, wenn er so tut, als wäre diese Manifesta eine Kunstschau wie viele andere?
Am Wochenende wurde die Ausstellung eröffnet, und der deutsche Kurator Kasper König zeigt Kunst von Joseph Beuys oder Bruce Naumann und imprägnierte seine Ausstellung so mit Bedeutung, meint Rauterberg. Der Balanceakt gelänge:
So hat der Fotokünstler Wolfgang Tillmanns in seinem Archiv viele Bilder, an denen die Homophoben ihre helle Freude hätten. Weil er ihnen aber diese Freude nicht machen will, weil er auch die Rolle des Vorzeige- und Alibi-Schwulen nicht spielen möchte, hat er sich gegen das Offenkundige entschieden. Gleich zwei große Säle im Generalstabsgebäude hat er für seine Fotografien bekommen, er zeigt Socken und zerknüllte Jeans, zeigt einen Sternenhimmel, zeigt ein nacktes Männerbein, blond behaart, zeigt auch drei Jungs, die ihre Köpfe dicht zusammenstecken, zeigt ein Stillleben mit halb vertrockneten Zimmerpflanzen. Es ist eine wunderbar beiläufige Galerie des Alltäglichen, auf stille Weise die stärkste dieser Manifesta.
Und so kommt Hanno Rauterberg in der ZEIT zu dem Schluss, dass diese Ausstellung einiges richtig macht. Sie zeigt eine Kunst, die misstrauisch beäugt, die gefürchtet wird. Und das ist nicht zuletzt für viele westliche Künstler, die daheim mit einer wohlwollenden Gleichgültigkeit kämpfen, einem abgestumpften Publikum, keine ganz dumme Erfahrung.
Denn dass es auch im Westen nicht immer nur um die reine Kunst geht, zeigt sich gerade in London. Oder wie es Alexander Menden in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ausdrückt:
Dass sie mit "Monty Python: Live (größtenteils)" vor allem Geld scheffeln wollten, haben die Pythons aggressiv betont ...Über dem Verkaufsstand in der Vorhalle des O2 steht "Kram für Geld", während der Pause wird ein "Merch-O-Meter" seitlich der Bühne anzeigen, wie viele T-Shirts, Poster und Baby-Bodies mit der Aufschrift "Jedes Spermium ist heilig" verkauft worden sind.
Immerhin 14.000 Menschen wollten die Live-Show der inzwischen über 70-jährigen Witzemacher sehen und die stellten sich wie Alexander Menden von der SZ die Frage: Funktionieren alte Witze wirklich so wie alte Songs? Sind Sketche, die man auswendig mitsprechen kann, noch immer komisch? Die kurze Antwort lautet: Ja, sind sie. Auch, wenn sie im Laufe der dreistündigen Londoner Show zum Teil sehr aufgepeppt daherkommen.
Eigentlich ist auch Jan Küveler ganz zufrieden mit den alten Herren. Trotzdem gibt er in der WELT zu bedenken: Coca-Cola-Werbung läuft über die endlos langen LCDs auf der Tribüne, Barclay's, Hyundai. Am Anfang gibt es eine Lasershow, dazu sterile 3-D-Renderings von Gilliams Animationen. Zum Davonlaufen, am besten mit Silly Walks.
Wie von Monty Python ausgedacht liest sich diese Meldung aus der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:
Watson ist unter die Köche gegangen, was nicht weiter schlimm wäre – wäre Watson nicht der berühmte Supercomputer von IBM. Chef Watson hat Informationen über Tausende chemischer Geschmacksstoffe in sich hineingefressen, um sie dann mit Hilfe der hedonischen Psychophysik – der psychologischen und physikalischen Vermessung von Freude, Lust und Schmerz – in einen universalen aromatischen Wertekatalog einzuordnen. Und jetzt kombiniert die Kiste diese Ingredienzien munter zu Rezepten, die angeblich perfekt mit unserem Gusto harmonieren und unserem Gaumen am schönsten schmeicheln.
Bei aller Computerbegeisterung schließen wir uns da dann doch gern der FAZ an: Von uns aus kann Watson nachher den Abwasch machen. Aber wehe, er nimmt in unserer Küche den Kochlöffel in die Hand.
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