Aus den Feuilletons

Zu radikal, zu feministisch

Die österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz
Die österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz © dpa / picture alliance / Carmen Jaspersen
Von Gregor Sander · 10.09.2014
Alle Jahre wieder wird die Auswahl der Finalisten für den Deutschen Buchpreis kritisiert. Sie sei eine fragwürdige, seltsame Roman-Zusammenstellung, heißt es etwa im "Tagesspiegel". Die "Welt" erklärt, warum das Buch "Nachkommen" von Marlene Streeruwitz darauf fehlt.
"Es steht ein Unstern über dem Deutschen Buchpreis dieses Jahres", schreibt Andreas Platthaus in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, "denn der Jury gelingt es zuverlässig, die besten Kandidaten auszusondern". Seit es den Deutschen Buchpreis gibt, ist es eine schöne Tradition, dass die Kritiker die in diesem Jahr nicht in der Jury sitzen mit der Long- und Shortlist nicht zufrieden sind.
"Es war eine fragwürdige und seltsame Roman-Liste, die die Jury des Deutschen Buchpreises da vor Monatsfrist als zwanzig Titel umfassende Longlist zusammengestellt hatte", schreibt Gerrit Bartels im Berliner TAGESSPIEGEL. Mit der daraus entstandenen Shortlist ist er aber ganz zufrieden: Thomas Hettche, mit "Pfaueninsel"; Angelika Klüssendorf, mit "April; Gertrud Leutenegger mit "Panischer Frühling"; Thomas Melle mit "3.000 Euro; Lutz Seiler, mit "Kruso" und Heinrich Steinfest mit "Der Allesforscher".
Nicht mehr dabei ist Marlene Streeruwitz. Ihre Buchpreisabrechnung in Romanform mit dem Titel "Nachkommen" wurde aussortiert. Richard Kämmerlings von der Tageszeitung DIE WELT glaubt den Grund zu kennen:
"Nach der radikal-feministischen Buchpreis-Kritik der Autorin in der "Welt" steht "Nachkommen." nun nicht auf der Shortlist – aus rein literarischen Gründen selbstverständlich."
Verkauft sich wie geschnitten Brot
Ein wohl unvergleichliches Buch hat Valérie Trierweiler geschrieben, die ehemalige Frau an der Seite des französischen Präsidenten François Hollande. Nachdem er sie vor ein paar Monaten für eine jüngere Schauspielerin verließ, schlägt sie nun mit einem Buch zurück. Das verkauft sich in Frankreich natürlich wie "geschnitten Brot" und wird vielleicht deshalb ausführlich und auf der ersten Seite des Feuilletons in der Wochenzeitung DIE ZEIT von Iris Radisch besprochen.
Sie geht die Sache erstmal inhaltlich an:
Trierweiler zitiert aus Hollandes "privaten SMS-Nachrichten und verrät, dass er ihr noch immer täglich schreibe, bis zu 29-mal am Tag. Dass er sie zurückgewinnen wolle und um ihre Hand angehalten habe. So geht das seitenlang. Immer wieder verletzt sie mit ihren Indiskretionen schamlos die Grenzen des Anstandes. Jeder noch so mittelmäßige Imageberater hätte ihr von diesem Unsinn abgeraten. Trotzdem ist Radisch in ihrer Kritik milde gestimmt: Dennoch ist es ein ehrliches und sympathisch zorniges Buch: eine leidenschaftliche öffentliche Abrechnung mit einer leidenschaftlichen öffentlichen Liebe, für die Trierweiler ihre Karriere als politische Journalistin opfern musste, während der Präsident die Dame seines gläsernen Herzens nach Belieben aus dem Palast werfen konnte."
Ganz neue Wege ist die irische Rockband U2 gegangen, wie Jens-Christian Rabe in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG berichtet: "Keine Ankündigungen, keine wochenlangen Werbekampagnen, kein Häppchen-Teasing, kein klassisches Labeltrommeln, sondern: raus damit. Die neue U2, "Songs Of Innocence". Ab sofort, für alle. Als Geschenk von Apple an die Nutzer von iTunes, mehr als 500 Millionen Menschen." Das sind natürlich nicht alle, wie die TAZ feststellt: "Das Album ist für die nächsten fünf Wochen nur für Kunden des Konzerns verfügbar."
Neu ist nur das Marketing
Fünf Jahre hat U2 an diesem nun werbewirksam rausgehauenen Album gearbeitet und dabei durchaus auch musikalisch Neues probiert, wie Kai Müller im Berliner TAGESSPIEGEL betont: "U2 haben Danger Mouse engagiert, den neben Rick Rubin vielleicht prägendsten Rockproduzenten der letzten Jahre. Dessen Feeling für sublime Soul-Momente hat bereits Norah Jones ihr bestes Album beschert. Auf "Songs of Innocence" setzt er nun ebenfalls deutliche Akzente."
Jens-Christian Rabe von der SZ reicht das allerdings nicht. Er stellt fest, "dass die Band offenbar bereit war, ein bisschen herumzuruckeln an ihrem Sound, am Ende aber wohl doch nicht mutig genug, sich mit Danger Mouse auf ein echtes, organisches Re-modeling einzulassen."
Oder anders ausgedrückt: Wirklich neu ist an U2 nur das Marketing.
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