Aus den Feuilletons

Zorn ist wichtig für die Menschheit

Porträtfoto von Peter Handke
Der Schriftsteller Peter Handke im Jahr 2007: Einen aktuellen Anlass für ein Interview mit ihm in der "Zeit" gibt es nicht - ist aber auch nicht notwendig. © AFP PHOTO / STR
Von Gregor Sander · 17.09.2014
Während in der "SZ" ein heiteres Chefdirigentenraten stattfindet, das man so nur aus dem Fußball kennt, spricht die "Zeit" mit Peter Handke über den entscheidenden Unterschied zwischen Wut und Zorn.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG macht sich Gedanken um die Zukunft der Berliner Philharmoniker. Reinhard Brembeck stellt fest: "In vier Jahren, also in der Spielzeit 2018/19, werden die Berliner Philharmoniker einen neuen Musikchef haben. Wie er heißt, wissen derzeit vermutlich nicht einmal die Philharmoniker selbst. Aber sie sind schon längst auf der Suche, beobachten den Markt, kennen die möglichen Kandidaten und werden sich im Frühjahr nächsten Jahres entscheiden."
Brembeck hingegen trifft jetzt schon einmal eine Vorauswahl: "Für jeden ist einleuchtend, dass der ehemalige Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker und derzeitige Chef der Dresdner Staatskapelle Christian Thielemann als Lordsiegelbewahrer der deutschen Romantik genauso zu den Topfavoriten zählt wie die beiden derzeit begehrtesten Jungdirigenten, Andris Nelsons und Gustavo Dudamel."
Wer denn nun in vier Jahren der Nachfolger von Simon Rattle wird, weiß man natürlich auch in München nicht. Dafür haben sie sich bei der SZ eine Tabelle mit Eigenschaften ihrer drei Kandidaten ausgedacht, die man eher vom Fußball kennt. So steht da unter "Führungsstil" bei Christian Thielemann: "Gebieterisch, eigensinnig, manchmal auch launisch". Beim Letten Andris Nelsons: "Freundliche Beschwörung, die kompakt wirkt, aber viele Details ermöglicht" - und über den Führungsstil des Venezolaner Gustavo Dudamel: "Kollegial, doch bestimmt; freundlich, doch ergebnisorientiert." Soweit das heitere Chefdirigentenraten in der SZ.
"Wut ist eher lyrisch"
In der Wochenzeitung DIE ZEIT wird Peter Handke interviewt. Es gibt dafür keinen wirklichen Anlass, aber den braucht man für den Großmeister der deutschsprachigen Literatur ja auch nicht unbedingt. Handke bekennt: "Die Wut bringt gute Sachen hervor. Ist gar nicht so schlecht, die Wut. Wut kann begeistert sein. Ärger nicht. Zorn ist noch besser."
Dann gibt Peter Handke eine Gebrauchsanweisung für Gemütszustände: "Wut ist nur für kurze Momente schöpferisch oder formend. Zorn dauert länger, ist epischer, episch-dramatischer. Wut ist eher lyrisch."
Für seine Arbeit, so der österreichische Schriftsteller, ist der Zorn unbedingt notwendig: "Ich schreibe nur aus Zorn oder einer anderen Begeisterung. Ich finde nicht, dass der Zorn zu den sieben Todsünden gehören muss. Mir fehlt er manchmal – bei den anderen vor allem. Es gibt eine Geduld unter den Menschen, die ich nicht schön finde."
"Für Europa eine Katastrophe"
Viel Geduld beweist die Europäische Union mit der Politik Viktor Orbáns und seiner Fidesz-Partei in Ungarn, doch nun ist eine Grenze überschritten, findet Kerstin Krupp von der BERLINER ZEITUNG: "Geht es nach dem Brüsseler Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker soll Tibor Navracsics (Nowrotschisch) Europas Kommissar für Bildung, Jugend, Kultur und Bürgergesellschaft werden. Der Jura-Professor hat in den vergangenen vier Jahren als Justizminister in Budapest – stets eng an der Seite seines Premiers Viktor Orbán – die Freiheit der Medien beschnitten sowie den Rechtsstaat im Sinne der rechtsnationalen Regierung, freundlich formuliert, umgeformt."
Diesen harmlosen Ausdruck benutzt auch Paul Jandl in der Tageszeitung DIE WELT: "Ungarns Bildungseinrichtungen sind seit Jahren genauso von einer staatsideologischen Umformung betroffen wie der gesamte kulturelle Sektor." Kerstin Krupp stellt am Ende ihres Artikels in der BERLINER ZEITUNG wenigstens zornig fest: "Die Postenvergabe mag ein Affront für Budapest sein, das sich ein mächtigeres Ressort erhofft hat, für Europa aber, wäre ein Kommissar Navracsics (Nowrotschisch) eine Katastrophe."
Alle Feuilletons trauern um den Schweizer Schriftsteller Jürg Schubiger. "Manches schrieb er für Kinder, anderes für Erwachsene. Die Übergänge aber waren fließend, und manchen Roman hätten auch Kinder und manches Kinderbuch ebenso Erwachsene mit je eigenem Gewinn und Vergnügen lesen können", schreibt Roman Bucheli in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Jürg Schubiger, der unter anderem 2008 den Hans-Christian-Andersen-Preis erhielt, ist am Montag 77-jährig in Zürich gestorben.
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