Aus den Feuilletons

Woody Allen als buddelnder Hund

Woody Allen sitzt an einem Tisch und hält einen Stoffhut in der Hand.
Der US-amerikanische Filmregisseur Woody Allen bei der Präsentation seines Films "Irrational Man" am 15. Mai 2015 in Cannes © picture alliance / dpa / Ian Langsdon
Von Hans von Trotha · 30.11.2015
Die Feuilletons wetteifern um die originellste Würdigung zum 80. Geburtstag des Filmregisseurs Woody Allen. Der "Tagesspiegel" stellt den Bezug zu Kant her, die "Welt" präsentiert ein FAQ zum Jubilar. Und die "FAZ" beschreibt ihn als einen, der "Sinnfragen hochschleudert, wie ein buddelnder Hund den Sand".
Tag zwei nach Günther Jauch in der ARD. In der SÜDDEUTSCHEN tritt Katharina Riehl noch einmal nach:
"Die große Stärke des Unterhaltungsmoderators Günther Jauch", schreibt sie, "ist die Inszenierung einer gestellten Frage. Bei 'Wer wird Millionär' sitzt Jauch in seinem Stuhl, ihm gegenüber ein schwitzender Kandidat, dann stellt Jauch eine Frage mit vier Antwortmöglichkeiten, er lehnt sich in einem Stuhl zurück, zieht Grimassen und wartet darauf, dass der andere (immer stärker schwitzend) mit einer Antwort rüberkommt. Dass sich das Prinzip Jauch nur schlecht von der Quizsendung bei RTL in die politische Talkshow übertragen ließ, ist in den vier Jahren seiner ARD-Existenz ausreichend beschrieben worden.
Umso lustiger war es am Sonntag, dass ausgerechnet in der allerletzten Sendung aus dem Berliner Gasometer das Prinzip Jauch sehr erfolgreich zum Einsatz gebracht wurde: von Wolfgang Schäuble. Der Bundesfinanzminister und einzige Gast der Dernière von Günther Jauch hörte sich die Fragen seines Gastgebers an, zog Grimassen, und während er mal antwortete und mal nicht, schien er darauf zu warten, ob Günther Jauch vielleicht anfängt zu schwitzen."
Gated Communities und Slums als erfolgreichste Stadtmodelle
Die SÜDDEUTSCHE-Überschrift: "Ist Terrorismus das Ergebnis schlechter Stadtplanung?" hätte glatt auch von Günter Jauch sein können, hindert aber die Architekten Hubert Klumpner und Alfredo Brillembourg nicht daran, klug und kompetent zu antworten.
"Die erfolgreichsten Stadtmodelle", sagt Klumpner, "sind heute die Gated Community und der Slum. Es sind Ghettos, die bestimmte Personengruppen voneinander abgrenzen." Und Brillembourg: "Was den öffentlichen Raum sicher macht, sind Menschen. Je mehr sich dort aufhalten, je mehr Augen aufeinander gerichtet sind, desto besser."
Die Stadtzentren scheinen aber auch ohne Terrorismus bedroht. In der NZZ stellt Robert Kaltenbrunner fest:
"Der Strukturwandel im Einzelhandel verändert nicht nur die Konsumwelt, sondern auch die Stadtkultur. Woody Allen", so Kaltenbrunner, "kleidete diese Erkenntnis einmal in ein hübsches Aperçu: 'Ganz ohne Frage gibt es eine Welt des Unsichtbaren. Das Problem ist, wie weit ist sie vom Stadtzentrum weg, und wie lange hat sie offen?'"
Allen schleudert Sinnfragen hoch wie ein Hund den Sand
Das ist dann auch schon der einzige Auftritt von Woody Allen bei den Zürchern, während die anderen um die Wette originell sein wollen, wie man dessen 80. Geburtstag würdigt.
In der FAZ darf jeder seinen Lieblings-Allen vorstellen. Verena Lueken wählt "Bullets over Broadway" mit dem Kommentar: "Der wahre Künstler ist ein Gangster.", Felicitas von Lovenberg ("Matchpoint") nennt Woody Allen einen, der "Sinnfragen hochschleudert wie ein vom Jagdinstinkt gepackter buddelnder Hund den Sand".
Noch origineller will die WELT sein. Unter dem Titel "Was Sie schon immer über Woody wissen wollten" stellt Hans-Georg Rodek ungefragt "Ein FAQ zum 80. Geburtstag" zusammen, das uns lehrt, dass wir eigentlich schon alles wussten, was wir wissen wollten, und ein bisschen mehr. Immerhin wird, die WELT entsteht ja in Berlin, auch die Frage beantwortet: "Kann es sein, dass Harald Juhnke Woody Allen synchronisiert hat?"
"Seit Groucho Marx hatte keiner so viel Witz auf Lager, schon sein junger Kopf muss einem Universum der Pointen geglichen haben. Dass dabei sein Familienname Konigsberg an den Lebensort von Immanuel Kant erinnerte, beflügelt ihn bis heute zur eigenen Verbindung von Erkenntnistheorie und Praxis."
Weihnachtsgeschenk von Schäuble an Seehofer
"Fast zweieinhalbtausend Artikel, nach ausschließlich von Kant selbstgewählten Themen und Termini sind zwischen den Stichworten 'Abderitismus' und 'Zynismus' in diesem massiven Textgebirge versammelt."
Eine Formulierung, die erklärt, warum die Redaktion als Überschrift die Kant-Definition: "Viele Berge beisammen nennt man ein Gebirge" gewählt hat.
Kant beschreibt auch ein Weltbürgerrecht, und das umschließe ein "Besuchsrecht" als einklagbares "'Recht auf den Versuch, mit Fremden in Kontakt zu treten, ohne von diesen feindselig behandelt zu werden'. Abgewiesen werden darf der Fremde nur unter der einzigen Bedingung, dass dies – so Kant wörtlich – 'ohne seinen Untergang geschehen kann'".
Vielleicht schenkt das ja jemand Horst Seehofer zu Weihnachten. Schäuble vielleicht? Der hätte dann für seine schwarze Null 100 Euro gespart, denn bis 31. Dezember kostet das Kant-Lexikon nur 249 Euro. Danach gleich 100 Euro mehr.
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