Aus den Feuilletons

Wie wirksam ist die Parodie?

Eine Puppe von Donald Trump mit roten, teuflisch glühenden Augen
US-Präsident Donald Trump wird gerne parodiert. Müssten Comediens mehr leisten, als ihr Publikum zum Lachen zu bringen? © imago/ZUMA Press
Von Arno Orzessek · 08.02.2017
Dürfen Parodisten einfach nur parodieren? Oder müssen sie gleich mit politischen Ideen auftrumpfen? Die "Süddeutsche Zeitung" freut sich zwar über gelungene Trump-Parodien. Hätte aber gerne einen Effekt, der länger wirkt als das kurze Lachen, dass das Theater erzeugt.
"Striemen für den Seelenfrieden", titelt die Tageszeitung DIE WELT.
Und wir hören, noch während wir es vorlesen, jüngere Zuhörer lästern:
'Ey, Alter, das heißt nicht schtriemen, sondern streamen, ist nämlich Denglisch und bedeutet, der Player lädt eine Datei nicht gleich komplett runter, sondern in einem Fluss kleiner Datenpakete, was den Vorteil hat ... blablaba.'
Tja, liebe junge Leute! In der WELT steht aber trotzdem nicht streamen, sondern "Striemen für den Seelenfrieden" ...
Denn gemeint sind die altehrwürdigen Striemen, die im Deutschen seit dem 14. Jahrhundert blutunterlaufene Streifen auf der Haut insbesondere in Folge von Schlägen und Streichen etwa mit dem Riemen bezeichnen.

Kann Hollywood keinen schmutzigen Sex zeigen?

Auf jeden Fall bespricht der WELT-Autor Peter Praschl unter dem "Striemen"-Titel den zweiten Teil der Sadomaso-Saga "Fifty Shades of Grey" und erklärt, was es darin so zu sehen gibt:
"Die Interieurs künden von jenem Understatement-Schick, der wirklich teuer ist. Kein Protz, nirgends. Und auch kein wirklich perverses Zeug, sondern dieses hübsch ritualisierte Sadomasovergnügen für die gehobenen Stände, dessen Utensilien aus dem Manufactum-Katalog oder dem Nicole-Kidman-Newsletter kommen könnten. Wird es Hollywood je gelingen, schmutzigen Sex, also den einzigen, für den körperliche Verausgabung sich lohnt, schmutzig aussehen zu lassen? Wahrscheinlich nicht",
klagt, persönliche Vorlieben nicht verhehlend, Peter Praschl.
Der den Film zwar verlogen findet, aber gleichwohl betont, der Streifen enthalte "dennoch eine wertvolle Lehre für das echte Leben":
"Er bringt einem bei, dass man vor Menschen weglaufen sollte, die man doch nicht ändern wird, statt sie therapieren zu wollen. Und dass es eines Tages zu spät sein kann, wenn man Ja sagt statt Nein. Dann steht man mit einem langweiligen Milliardär in einem langweiligen Haus und muss sich ihn und die Striemen, die er macht, antun lassen, damit seine zerklüftete Seele endlich ein wenig Frieden gibt."
Liebhaber gestrenger Hochkultur mögen stöhnen ... Aber wir bleiben auf dem Boden des Populären.

Parodisten sind so gut wie lange nicht

Denn in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG stellt Jens-Christian Rabe unter dem Titel "Anästhesie des Herzens" zwei Thesen auf - und eine Frage:
"Die populärste Comedy-Form der Gegenwart ist die Parodie. Und viele Parodisten sind so gut wie lange nicht. Warum ist der Nachgeschmack oft so schal?"
SZ-Bilder zeigen Meryl Streep als Donald Trump, Max Giermann als Sigmar Gabriel, Carolin Kebekus als Frauke Petry und so weiter.
Überraschend ist nun, wie hartnäckig Rabe darauf herumhackt, dass man über die Parodisten und damit über die Parodierten so schön lachen kann.
Für Rabe sieht es so aus, als würden die Komiker "die Rolle der letzten wirklich wirkmächtigen Kritiker unserer Zeit übernehmen".

Dürfen Komiker nicht einfach nur komisch sein?

Und nachdem Rabe den Jan Böhmermanns und Oliver Pochers derartig hochfahrende Ambitionen unterstellt hat, schilt ... das ist übrigens die dritte Person Singular Präsens von 'schelten‘ ... schilt er griesgrämig:
"Dann aber ist es nicht mehr genug, bloß mehr oder weniger gekonnt nachzuäffen, wie sich Trump und Co. so geben. Es ist vielmehr faul und selbstgerecht und am Ende das glatte Gegenteil des ersten kämpferischen Anscheins. Es ist das leichte Lachen, die schnellstmögliche Vermarktung der Fassungslosigkeit. Aber was bleibt übrig, wenn man sich [ ... ] eine blonde Perücke aufsetzt und ein paar offensichtlich unverschämte Trump-Phrasen zum Besten gibt? Nichts, was den Irrsinn im fürchterlichen Original nicht auf perverse Art sogar feiert. Statt ihm die Stirn zu bieten."
Mannomann, Jens-Christian Rabe! Sie erheben oft genug dürftigen Pop zum Emblem des Zeitalters - aber die lustigen Parodisten, die wollen Sie mit post-adornoscher Moralkeule zerschmettern?
Wir machen da nicht mit!
Unterdessen bitten wir Sie, liebe Hörer, um Vergebung. Zu mehr als den beiden erwähnten Artikeln reicht's heute leider nicht.
Sollte Sie das jetzt mordswütend machen, entleihen wir unsere letzten Worte einer Überschrift der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Sie lautet:
"Wir Todgeweihten grüßen euch!"
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