Aus den Feuilletons

Wie westliche Medien von der CIA gelenkt werden

Verschiedene deutsche Tageszeitungen liegen zur Presseschau bereit.
Verschiedene deutsche Tageszeitungen liegen zur Presseschau bereit. © Jan Woitas, dpa
Von Arno Orzessek · 15.11.2014
Der Journalist Hans Leyendecker hat sich in der "Süddeutschen" Verschwörungstheoretiker vorgeknöpft, die im Internet "gleichgeschaltete" Medien beklagen. Dabei sparte er nicht mit Kritik an der eigenen Zunft. Die Feuilleton-Woche im Rückblick.
Beginnen wir mit den "Pressekötern", "Pressehyänen" und den "Fanghunden der öffentlichen Meinung"...
Mit gewöhnlichen Journalisten also, denen einst Karl Kraus jene tierischen Alias-Namen gegeben hat.
Es war Hans Leyendecker, der in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Kraus zitierte - jedoch nicht, um die eigenen Kollegen anzubellen.
Leyendecker knöpfte sich vielmehr die Verschwörungstheoretiker unter den Medienkonsumenten vor, die bei Facebook & Co. Journalisten oft mit noch gehässigeren Beiworten belegen als der selige Kraus.
So etwa im Fall der Ukraine-Krise. Nicht nur im Internet behaupten viele, die westliche Presse sei - womöglich von der CIA - gleichgeschaltet und werde auf anti-russischen Kurs programmiert.
"Die Apokalypse, die alltägliche Verschwörung breiten sich in Teilen der neuen Medienwelt ölfleckartig aus", beklagte Leyendecker. "Es lag immer schon in der Natur von Verschwörungstheorien, dass sie nie zu wiederlegen waren. Keine Beweise? Na bitte, das beweist doch nur, dass die Verschwörer verschlagen sind, weil sie ja sonst Spuren hinterlassen hätten. [...] Der 11. September, der Kennedy-Mord - alles ganz anders als es verbreitet wird. Verschwörungstheoretiker fangen immer mit der eigenen Schlussfolgerung an und ordnen dann dazu passend die Welt."
Eigene Zunft trägt Mitschuld
Indessen gab Leyendecker seiner Zunft durchaus Mitschuld - nicht nur wegen konkreter Fehler in der Ukraine-Berichterstattung.
"Es gibt ja das Rattenrennen um irgendetwas, das wie eine Nachricht klingt", konstatierte der SZ-Autor. "Es gibt die Nullbotschaften, die als Ereignisse ausgegeben werden, es gibt die neue Geschwindigkeit, den neuen Wettbewerbsdruck – und das alles trägt zum schleichenden Misstrauen bei, das sich da breit macht."
Das dazu, liebe Hörer. Da wir unterstellen, dass Sie trotzdem noch wissen wollen, was in den Blättern geschrieben stand, setzen wir unseren Rückblick fort.
"Die Russen verlieren den Bezug zur Realität", titelte die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. Der in Moskau geborene Zeichentheoretiker Michail Jampolsky, der in den USA lebt, schlug richtig zu.
"Die gesamte russische Gesellschaft, von Putin bis zum letzten Straßenkehrer, ist gleichermaßen vom Ressentiment infiziert [so Jampolsky]. Bei Putin liegt es daran, dass Russland und sein Präsident nicht als gleichberechtigte Akteure in der globalen Arena akzeptiert werden, für den Straßenkehrer an seiner Hilflosigkeit gegenüber Polizisten, Beamten, Richtern und Kriminellen. Ich glaube, die Ressentiment-Phantasien der Staatsmacht fanden in einem bestimmten Moment bei den Ressentiment-Phantasien der Bevölkerung ein eigentümliches Echo - woraufhin sich die Welt transformierte: Aus der Destabilisierung der Ukraine wurde ein ehrenhafter Krieg gegen imaginäre Faschisten; aus Russlands Isolation seine Selbstbehauptung als Großmacht."
Keine Frage: Wer den Verdacht hegt, die hiesige Presse sei tendenziös, konnte sich bestärkt fühlen.
Immerhin unterstellte Jampolsky, jeder einzelne Russe, sofern er in Russland lebt, sei unter Putins Knute komplett verblendet, verblödet und verbrämt.
Mit einem Klischee gegen "krankhafte Klischees"
Aber nun. "Krankhafte Klischees" untersuchte der Historiker Michael Wolfssohn in der Tageszeitung DIE WELT.
"Krankhaft ist oft die Sicht der Islamischen Welt auf uns. Krankhaft ist oft unsere Sicht auf die islamische Welt. Krankhaft ist die klischeehafte Wir/Ihr-Gegenüberstellung. [...] Soweit die Krankheitsdiagnose. Es gibt eine Therapie: Die Fakten (er)kennen und nicht verallgemeinern."
Woraufhin WELT-Autor Wolfssohn sogleich mit der Therapie begann.
"Legende: Juden und Christen verachten die Kultur des Islam und betreiben seit jeher den Kampf der Kulturen. [...] Tatsachen: Keiner geringerer als Goethe schuf die Zauberwelt des ‚West-Östlichen Divan' aus Bewunderung für Islamisches."
Bei allem Respekt, Michael Wolfssohn: Mit Goethes "Divan" die Hochachtung des christlichen Abendlandes vor dem Islam zu beweisen - das ist nun wirklich ein Klischee.
Leckerbissen für Freunde komplexer theologischer Textauslegung
Auf viel höherem Niveau führte die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG vor, dass die
"islamische Theologie [durchaus] argumentative Ressourcen [besitzt], um der Behauptung entgegenzutreten, im Namen des Islams ausgeübte Gewalt sei durch Koranverse gedeckt."
Der NZZ-Artikel war ein Leckerbissen für Freunde komplexer theologischer Textauslegung, endete indessen überdeutlich:
"Das Verfahren, sich einzelne Verse aus dem Koran herauszupicken, um eine bereits vorgefasste These zu belegen, wie es einige Islamkritiker und die Fundamentalisten gleichermaßen praktizieren, [ist] aus islamisch-theologischer Sicht grotesk und ein Zeichen der Ignoranz."
Da auch über die Sexualität Irrungen und Wirrungen Konjunktur haben, konfrontierte die TAGESZEITUNG die dänische Sexologin Ann-Marlene Henning gleich doppelseitig mit Leserfragen - und den Fragen der TAZ-Autorin Steffi Unsleber, die Henning sex-skeptisch begegnete:
"Jeder kann etwas beim Sex verbessern. Das ist Ihr Mantra. Noch so ein Bereich meines Lebens, den ich optimieren muss?"
Worauf Henning konterte: "Das kann doch auch Spaß machen"... Und von vaginalen Orgasmen schwärmte.
Daraufhin Unsleber, immer noch sex-skeptisch: "Und wenn man mit mittelmäßigem Sex zufrieden ist?"
"Auch in Ordnung", konzedierte Henning. "Es gibt sogar Leute die sagen: Wir haben des Sex abgestellt. Und ich antworte: fein. Und erwähne nicht mal das schlagende Gegenargument: Dass sie wahrscheinlich länger leben würden, wenn sie welchen hätten."
Wahrheit als "ein bewegliches Heer von Metaphern"
Aufs Ganze gesehen stützte das Feuilleton in der vergangenen Woche Nietzsches berühmte Behauptung, die Wahrheit sei "ein bewegliches Heer von Metaphern".
Was nicht heißen soll, dass harte Fakten völlig fehlten.
"151.500.000 Dollar, 121.560.000 Euro. So viel hat das jetzt gebracht", benannte die SZ die Summe, die bei einer New Yorker Auktion für die Warhol-Gemälde "Triple Elvis" und "Four Marlon" erlöst wurden - zugunsten der staatlichen Casinobetreibers Westspiel in Nordrhein-Westfalen.
Ob im Casino oder nicht, liebe Hörer - wir wünschen Ihnen mit einer Überschrift des Berliner TAGESSPIEGEL: "Das große Glück."