Aus den Feuilletons

Wie Papst Benedikt die Apokalypse einläutete

Papst Benedikt XVI. von hinten fotografiert, am 27.02.2013 im Vatikan in Rom nach seiner letzen Generalaudienz vor seinem Abschied als Papst.
Papst Benedikt XVI. im Vatikan nach seiner letzen Generalaudienz vor seinem Abschied als Pontifex © picture alliance / dpa / Michael Kappeler
Von Arno Orzessek · 18.08.2015
Die "Neue Zürcher Zeitung" bespricht "Das Geheimnis des Bösen" des italienischen Star-Philosophen Giorgio Agamben. Darin geht es laut der Zeitung um "den Amtsverzicht Benedikt XVI. und das Ende der Zeiten". Agamben sieht in Benedikts Rückzug den Beginn der Endzeit - was die "NZZ" anders sieht.
Zuerst kümmern wir uns mit der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG um "Die letzten und die vorletzten Dinge". Die auch das Ende dieser Presseschau schmücken könnten – aber nachher ist Ihre Konzentration vielleicht schon futsch, liebe Hörer. Und Konzentration, die braucht's jetzt – gerade, wenn Sie religiös unmusikalisch sind, wie Jürgen Habermas das mal genannt hat.
NZZ-Autor Jan-Heiner Tück bespricht nämlich "Das Geheimnis des Bösen" aus der Tastatur des italienischen Star-Philosophen Giorgio Agamben. Ein Buch, in dem es laut Tück um "den Amtsverzicht Benedikt XVI. und das Ende der Zeiten" geht. Die Gedankenbrücke zwischen beiden Ereignissen ist theologisch derart erlesen und philosophisch so delikat konstruiert, dass wir Ihnen zum vollen Genuss die selbständige NZZ-Lektüre empfehlen. Wobei es hilfreich wäre, wenn Sie vorher mal kurz Augustinus' "De Civitate Dei" und die Paulus-Briefe überflögen. Hier die erzählerischste Passage aus Tücks Agamben-Rezension:
"Für den 'grossen Verzicht' gab es, wie Agamben zutreffend bemerkt, Vorzeichen. Benedikt hatte am 28. April 2009 […] das Grab Cólestins V. besucht, der 1294 hochbetagt vom Amt zurückgetreten war und deswegen […] in Dantes 'Divina Commedia' als 'feige' getadelt wurde. Am Grab Cólestins legte der Theologenpapst das Pallium (ein stolaförmiges Amtsabzeichen) ab, das er bei seiner Investitur erhalten hatte – ein symbolträchtiger Vorgang, den aufmerksame Beobachter schon damals als Hinweis auf einen möglichen Amtsverzicht gedeutet hatten."
Laut Agamben hat Benedikts Rückzug biblisch vorschriftsmäßig die Endzeit eingeläutet – eine These, der NNZ-Autor Tück nicht folgt.
"Richtig ist, dass der um Glaubwürdigkeit bemühte Pontifex das bedrängende Problem der kirchlichen Unglaubwürdigkeit dadurch gelöst hat, das er sich von seinem Amt getrennt hat. […] Falsch aber ist die Annahme, dass der Papst dadurch die eschatologische Scheidung – die Scheidung am Ende der Tage – vorweggenommen habe."
Soweit unser Apokalypse-Special.
Erster Konzertsaal auf einem Kreuzfahrtschiff
Zum Durchatmen gehen wir nun mit Birgit Walter an Bord eines der vier 300 Meter langen "Wohlfühlschiffe" des Reiseveranstalters TUI. Dessen Bauch die Autorin der BERLINER ZEITUNG mit feuilletonistischen Augen ausforscht.
"Der einzige deutsche Theaterneubau letztes Jahr erfolgte auf diesem Schiff. Er hat tausend Plätze – mehr als jedes Berliner Sprechtheater – und technische Raffinessen, die sich an der Ausstattung des Friedrichstadt-Palastes orientieren, darunter eine doppelte Drehbühne und vierteilige LED-Wände […]. Zusätzlich setzten die beiden TUI-Entertainmentchefs Wolfram Korr und Thomas Schmidt-Ost – der eine im ersten Leben Geiger, der andere Cellist – beim Bau dieses Schiffes den ersten Konzertsaal auf einem Kreuzfahrtliner durch. Sie nennen den 200-Plätze-Raum Klanghaus, und das macht seinem Namen alle Ehre",
freut sich Birgit Walter im BERLINER TAGESSPIEGEL – und wir finden ihre Begeisterung glaubwürdig, auch für den Fall, dass TUI die Tour spendiert hat. Ob sie vom Deck des Wohlfühlschiffs Flüchtlingsboote beobachtet hat, berichtet Walter nicht.
"Afrikanische Ursachen einer afrikanischen Tragödie"
Dafür denkt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG der senegalesische Schriftsteller Abasse Ndione "über die afrikanischen Ursachen einer afrikanischen Tragödie" nach und beklagt die Apathie der politischen Elite.
"Wie die Sklaven im 19. Jahrhundert in Amerika, die nach ihrer Freilassung eine Woche später zu den Plantagen zurückkehrten, um ihren Herrn mitzuteilen, dass sie die Sklaverei der Freiheit vorzögen, wenden sich die afrikanischen Staatschefs immer noch an die ehemaligen Kolonialmacht, um ihre Probleme zu lösen. Der beste Beweis für ihr Scheitern auf allen Ebenen […] sind die Tausende junger Menschen, die wie die Sklaven vom 15. bis zum 19. Jahrhundert in den Schiffsladeräumen zusammengepresst versuchen, nach Europa zu gelangen."
Bleibt uns festzuhalten, dass die Zustände auf dem Planeten Erde tatsächlich endzeitlich anmuten. Auch darum folgen wir einer Überschrift in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG und flüchten uns nun "Mit Weh-Moll ins weite Land der Seele".
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