Aus den Feuilletons

Wie die "taz" die Einwanderung regeln will

Im Rahmen der Erstsemester-Begrüßung der Johannes Gutenberg-Universität warnt am 15.04.2015 ein Aufsteller von einem studentischen Infostand in Mainz (Rheinland-Pfalz) mit der Aufschrift "Vorsicht Abschiebung". Die Medizinische Vermittlungsstelle für Flüchtlinge, Migrant/inn/en und Menschen ohne Papiere macht so auf sich aufmerksam.
Ein Aufsteller mit der Aufschrift "Vorsicht Abschiebung". © picture-alliance / dpa / Fredrik von Erichsen
Von Arno Orzessek · 01.09.2015
Nicht mehr und nicht weniger: Einen "Entwurf für ein liberales Einwanderungsgesetz" stellt die "taz" zur Diskussion. Abschiebungen sind in diesem ausdrücklich ausgeschlossen. In der "FAZ" wird erklärt, warum sich Deutschland in der Flüchtlingsfrage nicht wegducken kann.
"Wir lassen gebären",
witzelt Henryk M. Broder in der Tageszeitung DIE WELT mit Blick auf die oft jungen Neuankömmlinge im alternden Deutschland.
Ist mit den Deutschen selbst aber mal wieder unzufrieden:
"Deutschland brauche Migranten, um Wohlstand und Renten zu sichern (heißt es). Klingt weltoffen, ist aber nichts als Kosten-Nutzen-Denken. Eine Art Kolonialismus mit menschlichen Antlitz",
polemisiert der Gesinnungsprüfer Henryk M. Broder.
Ein Einwanderungsgesetz ohne Abschiebungen
Von Nutzen-Denken tatsächlich nicht ganz frei erscheint der "Entwurf für ein liberales Einwanderungsgesetz", den die TAGESZEITUNG zur Diskussion stellt.
In Artikel 2, § 7, Absatz 1 des TAZ-Entwurfs, der einem regulären Gesetzestext gleicht, heißt es:
"Wer mitwirken will, Deutschland zu einem wirtschaftlich besonders leistungsfähigen, ökologisch besonders nachhaltigen, sozial besonders gerechten sowie besonders demokratischen und besonders liberalen Land zu machen, erhält nach Eidesleistung ( ...) den Einwandererstatus."
Die TAZ wäre aber nicht die TAZ, wenn ihr Gesetzentwurf nicht allen, die keine Lust auf den seltsamen Streber-Eid haben, trotzdem Bleiberecht gewähren würde.
Denn merke nach Artikel 2, § 9, Absatz 3:
"Abschiebungen sind ausgeschlossen."
Komischerweise versucht das TAZ-Gesetz mit der Einwanderung auch den Aufschwung Ost zu organisieren:
"In Ostdeutschland (außer Leipzig und Berlin) wird für zehn Jahre eine Sonderwirtschaftszone Ost eingerichtet. In der Sonderwirtschaftszone werden Unternehmensgewinne aus Produktion und Dienstleistung nur mit einem Drittel der geltenden Sätze besteuert",
heißt es im TAZ-Gesetz.
Und wir fragen uns: Sollen die Standortvorteile den Einwanderern den Osten schmackhaft machen. Oder umgekehrt dem Osten die nicht gerade von jedermann herzlich begrüßten Einwanderer?
Ob so oder so: Aufs Ganze gesehen stimmen wir dem Sozialwissenschaftler Ludger Pries zu, der in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG betont:
"Weil Deutschland von der ökonomischen Globalisierung so stark profitiert, kann es sich nicht (unter) anderen Aspekten derselben Globalisierung – und dazu zählen Flucht und Migration – einfach wegducken oder so tun, als hätte unser relative Wohlstand nichts mit den Produktions- und Lebensbedingungen in anderen Teilen der Welt zu tun."
Tempel können nicht flüchten
Anders als Menschen können Tempel und sonstige Kulturstätten nicht flüchten.
Sondern sind dem Vernichtungsfeldzug des Islamischen Staats schutzlos ausgeliefert, wie zuletzt der Baal-Tempel in Palmyra.
"Dann drucken wir Palmyra (eben) noch mal aus", titelt trotzig-flapsig die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Johann Schloemann berichtet von Archäologen, die 3D-Daten sammeln, um zerstörte antike Bauten zu rekonstruieren – was die Frage aufwirft, ob künftige Rekonstruktionen den Baal-Tempel widererstehen lassen könnten.
"Der Gedanke (so Schloemann) widerstrebt einem erst einmal, als künstlich und unhistorisch – zumal so kurz nach der Zerstörung des Originals. Allerdings baut Deutschland in seiner Hauptstadt ja gerade ein historisches Schloss wieder auf, das kommunistische Fanatiker im Jahr 1950 in die Luft gesprengt haben, dem IS nicht unähnlich in der Absicht, eine ungeliebte Vergangenheit auszuradieren."
Indessen weiß Schloemann, dass gefällige Antiken-Rekonstruktionen inzwischen skeptisch betrachtet werden.
"(Heute) droht ( ... ) schnell der Vorwurf der 'Disneyfizierung', aktuell zum Beispiel in Rom angesichts von Rekonstruktionen im Friedenstempel des Vespasian (…). Es ist wirklich ein Dilemma: Alle wollen der Hilflosigkeit etwas entgegensetzen, aber man kann sich die Geschichte auch nicht zurückbasteln." –
Werner Herzog als Bilderfutterknecht
Dafür kann man Geschichte verfilmen – wie Werner Herzog in dem Streifen "Königin der Wüste", in dem Nicole Kidman die Abenteuerin Gertrude Bell spielt.
"Werner Herzog wird (hier) zu dem Regisseur, der er nie sein wollte, zum Bilderfutterknecht der Medienindustrie",
mault Andreas Kilb in der FAZ. -
So weit, liebe Hörer. Das Problem, dass in den Feuilletons keine Überschrift zu finden ist, mit der wir uns wie gewohnt aus dem Vortrag stehlen können, lösen wir mit einem einzigen Wort: Tschüss!
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