Aus den Feuilletons

Wenn Schnecken zartes Grün massakrieren

Eine Nacktschnecke kriecht über einen Weg.
Sie lassen die Hemmschwelle für Gewalt bei vielen Gärtnern sinken: Schnecken. © picture alliance / dpa / Soeren Stache
Von Klaus Pokatzky · 18.08.2014
Die "taz" gibt Tipps für Kommentatoren, die "SZ" wühlt in den Apps der US-Armee, die "NZZ" ordnet Sanktionen sprachlich ein und die "Berliner Zeitung" schimpft über brutale Schneckenplagen.
"Sie nehmen einen packenden Einstieg."Das rät uns die Tageszeitung TAZ, wenn wir jetzt einen Kommentar zu den vielen traurigen Themen verfassen sollten:
"Gazakrieg, Ukrainekrieg, Weltkrieg – ständig passiert etwas, bei dem Ihre Meinung gefragt ist", schreibt Deniz Yücel in seinen Goldenen Regeln und will, "dass sich Ihr Kommentar nicht wie eine Dutzendmeinung aus dem Internet anhört."
Der moderne Krieg wird nicht zuletzt digital ausgefochten.
"Die amerikanischen Streitkräfte arbeiten an einer eigenen App-Plattform, mit deren Hilfe verschiedene kleine Programme des Militärs auf normalen Handys installiert werden können,"
klärt uns die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG auf.
Der Kriegs-App auf der Spur
"Es gibt Programme, die Scharfschützen dabei helfen, Flugbahnen ihrer Projektile zu berechnen und solche, die Strahlendosierungen messen und ihre Gefährlichkeit bewerten. Andere Apps helfen Sanitätern und Soldaten dabei, Verletzungen zu beurteilen und versorgen",
schreibt Johannes Boie:
"Und natürlich gibt es auch eine Art von Facebook für den Fronteinsatz, eine jederzeit erweiterbare Übersicht an am Kampfeinsatz Beteiligten: Kameraden, Gegner, Zivilisten."
Den digitalen Nutzen erkennen sogar Leute, die nicht von gestern, sondern von vorvorgestern sind; Verbrecher, die uns mit Terrormethoden in die Steinzeit zurück zwingen wollen.
"Für IS ist es kein Widerspruch, dass die Verbreitung ihrer archaischen Ideologie ohne Internet und moderne Technik schwer denkbar wäre",
lesen wir in der TAZ zur islamistisch-terroristischen Organisation IS, dem "Islamischen Staat" mit seinem Kalifat – der jetzt mit Waffengewalt im Irak und in Syrien wütet. Und im Internet.
"Mittlerweile wendet sich IS auch direkt an den Westen,"schreibt Christopher Resch: "einerseits mit dem Ziel, Kämpfer zu rekrutieren, andererseits mit Aufrufen, das Kalifat zivil zu unterstützen. In der ersten Ausgabe seines aufwendig gestalteten Magazins Dabiq, die neben Arabisch und Englisch sogar auf Deutsch erschienen ist, wirbt IS um deutsche Ingenieure."
Da wollen wir doch noch die Goldenen Regeln zum Kommentarverfassen aus der TAZ hören: "Lullen Sie", empfiehlt Deniz Yücel, "mit Studien und Zahlen ein, unternehmen Sie Ausflüge in die Geschichte."
Machen wir sofort – und zwar mit eidgenössischer Bildung.
"Die sanctio bezeichnete im römischen Recht den Schlussteil eines Gesetzes, obligate Klauseln, die dem Gesetz Nachachtung verschaffen und seinen Fortbestand sichern sollten,"
heißt es in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG zum Stichwort "Sanktionen".
"Diese altrömische sanctio hat sich im modernen Euro-Wortschatz in zweierlei Bedeutungen ausgeprägt: Hier, etwas schwächer, in der bestätigenden 'Sanktion', mit der ein Parlament einen Gesetzesentwurf 'sanktioniert', ihn billigt und in Kraft setzt; dort, stärker, in der bestrafenden «Sanktion», mit der eine Rechtsgemeinschaft eine Zuwiderhandlung «sanktioniert», sie missbilligt und bestraft,"
schreibt Klaus Bartels:
"So kann paradoxerweise das gleiche Wort heute sowohl die staatsrechtliche Sanktion bezeichnen, mit der das russische Parlament die Annexion der ukrainischen Krim sanktioniert hat, als auch die wirtschaftlichen Sanktionen, mit denen die Vereinigten Staaten und die Europäische Union jetzt ebensolche Grenzüberschreitungen sanktionieren."
Bei so vielen ernsten Themen brauchen wir jetzt dringend Erholung. "Seien Sie ruhig ein bisschen ironisch", rät uns die TAZ in ihren Kommentarregeln. Also gehen wir jetzt mit der BERLINER ZEITUNG in den deutschen Kleingarten, wo die dralle Nacktschnecke ihr Unwesen treibt und alles wegfrisst.
"Besonders in diesem nassen Sommer, in dem Zigtausende Schnecken die Beete durchschleimen, zartes Grün massakrieren," beschreibt Sabine Rohlf ihr Leiden. "Am Zaun diskutieren wir Mordmethoden."
Ich rate zu Sanktionen.