Aus den Feuilletons

Wenn die Roboterin das Kind ins Bett bringt

Die Roboterin Anita aus der TV-Serie "Humans"
Die Roboterin Anita aus der TV-Serie "Humans" © Foto: VOX / Endemol Shine Int.
Von Ulrike Timm · 13.11.2016
Leben mit technischem Personal: In der AMC-Serie Humans sind Roboter Teil des Familienlebens. Sowohl "FAZ" als auch "Süddeutsche" widmen der Androidin Anita, die die Hauptrolle spielt, ihre Aufmerksamkeit. Die Serie startet am Abend um 22.10 Uhr im Fernsehsender VOX.
"Brauchen Roboter Unterwäsche? Ist Scham ein Gefühl oder gelernt?" und: benötigen Androiden Privatsphäre?
Die neue Serie Humans besticht durch die Fragen, die sie aufwirft – das meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Auch die SÜDDEUTSCHE widmet sich dieser Serie, in der Roboter mit menschlichem Anlitz menschliche Arbeit übernehmen – was das Familienleben bisweilen sehr durcheinander bringt. Denn Android Anita begegnet ihren Herrschaften in jeglicher Beziehung auf Augenhöhe. Bringt das Töchterchen ins Bett – und die mag es lieber, wenn das der Roboter macht als die Mama – oder sagt man zu Anita besser Roboterin? Beim pubertierenden Sohn "weckt Anita ganz andere Begehrlichkeiten" - und der Großvater "leidet darunter, dass die Krankenkasse den ihn ans Herz gewachsenen Pflegeroboter durch einen Hausdrachen ersetzt". Gruselig?
"Es geht nicht nur um das Verhältnis der Menschen zu einer Technologie, die in der Serie durch ihr menschliches Äußeres zu Science Fiction wird, in Grundzügen aber in Sprachassistenten oder autonomen Autos heute schon angelegt ist. […] Humans fragt danach, was das überhaupt sein soll, ein Mensch. Warum soll eine Maschine, die sich menschlich verhält, kein Mensch sein? Und der Mensch sich gleichzeitig unmenschlich verhalten dürfen?"
Wen solche Fragen umtreiben, der kann eigentlich gleich Leibniz lesen – oder doch wenigstens den Artikel mit der schön doppeldeutigen Überschrift
"Alles Mögliche".
Hier würdigt der Philosoph Markus Gabriel den Universalgelehrten, der vor 300 Jahren gestorben, aber alles andere als "erledigt" ist.
Die SÜDDEUTSCHE gibt eine ganze nachdenkliche und nachdenkenswerte Seite für Gotthold Wilhelm Leibniz, nach dem eben nicht nur Butterkekse, sondern vor allem zahlreiche Wissenschaftsorganisationen und Schulen benannt sind. Der die ersten Denkansätze für Computer ausformulierte, sich fragte, ob man eine
"denkende Maschine"
konzipieren könne - und sich dabei doch sicher war, dass das menschliche Gehirn so viel mehr ist als ein
"feuchter Computer".
"Was kann man wissen?" diese Frage trieb den Mathematiker, Philosophen, Historiker, Juristen, Sprachwissenschaftler, Naturforscher, Bibliothekar und Diplomaten Leibniz an – und vor 300 Jahren passten alle diese Passionen noch in ein einziges, wenn auch sicher sehr besonderes Geistesleben. Ein nur scheinbar schlichtes Fazit hat Autor Martin Gabriel seinen Leibniz-Überlegungen abgewonnen:
"Wer tief genug in den Abgrund des Unendlichen schaut, ist gegen Vereinfachungen gerüstet."
Das wiederum ist eine zugegeben ziemlich scharfe Kurve, um auf die Nach-Trumpschen-Artikel zu steuern, die auch heute wieder die Feuilletons bevölkern.
Wir lassen die "Wie-konnte-man-nur"- und "Was-wird-wohl-vielleicht-eventuell-womöglich-kommen"-Aufsätze außen vor und verweisen auf zwei andere: Christian Geyer denkt in der FAZ unter der Überschrift
"Barrierefreiheit für den Geist"
darüber nach, dass es in Zukunft viel wichtiger sein wird, gesellschaftlichen
"Dissens zu organisieren statt den Konsens zu erzwingen",
und Christoph Schmidt unternimmt einen Streifzug durch die amerikanische Literatur, die sich mit den so vielfach beschworenen 50er und 60er Jahren beschäftigt. Wohin sich ja Teile der amerikanischen Gesellschaft offenbar zurück sehnen. Fazit der SÜDDEUTSCHEN nach Lektüre von Richard Yates und anderen:
"Ernüchternder könnte er nicht enden, der amerikanische Traum vom 'Great Again'" – in der Literatur jedenfalls kriegen alle Helden kräftig was auf’s Dach.
Doch noch was Positives? Eine so ermutigende wie zu Herzen gehende Titelzeile finden wir über einem Artikel in der WELT, der sich der Wiedereröffnung des Pariser Bataclan widmet. Die Mutter eines dort vor einem Jahr Ermordeten sagt unter Tränen:
"Das Schönste, was man tun kann, ist leben und glücklich sein."